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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 35.1924

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Michel, Wilhelm: Vom Haus zum Vaterland: die Beziehung zwischen Heim und Heimat
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https://doi.org/10.11588/diglit.11736#0869

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XXXV. JAHRGANG. DARMSTADT. DEZEMBER 1924.

VOM HAUS ZUM VATERLAND

DIE BEZIEHUNG ZWISCHEN HEIM UND HEIMAT

Wohnen bedeutet: einen Innenraum nicht nur
als bergend und zweckgemäß zu empfinden,
sondern auch seine Masse, Hausgerät und Zier-
werk in ihrem Eigenwert und Wechselverhältnis
im Gefühl zu tragen. Je größer die Kulturkraft
des Einzelnen, desto weiter reicht diese »Durch-
wohnungs«-Fähigkeit. Ein Haus, ein Zimmer hat
einer erst, wenn er Raum und Wand, Gestühl und
Schmuck lebendig spürt; ein Heim, wer ein gan-
zes Gebäude mit dem Organismus seiner Räume,
Maße, Einrichtungen, auf das eigene Seinsgefühl
bezogen, lebendig in sich trägt. Ahnlich ist's mit
einer ganzen Ordnung von Häusern, Straßen,
Plätzen, einem Organismus von öffentlichen Ge-
bäuden. Erst wer so eine ganze Stadt mit ihrem
lebendigen Verhältnis seelisch durchlebt und als
Organ des Selbstausdrucks besitzt, hat eine Vat er-
stadt. Und ein Vaterland, wer schließlich mit
der lebendigen Wirklichkeit eines ganzen Landes
verwächst. Mit solchen schönen, tiefen Worten
hat ein deutscher geistiger Führer der Gegenwart,
Romano Guardini, den tieferen Sinn des »Woh-
nens« umschrieben und zugleich die Verbindungs-
linien gezeigt, die vom Heim zum Heimatland, vom
Vaterhaus zum Vaterland hinüberführen. »Woh-

nen« ist danach nicht einfach ein passives Tun, ein
Sich-Auf halten in bestimmten Räumen, ein Be-
nützen, ein Verbrauchen bestimmter Möbel und
Einrichtungen. Wohnen heißt, einen bestimmten
Umkreis materieller Dinge (Räume, Möbel usw.)
seelisch durchdringen und in ihm das geistige
Wesen des Bewohners bildkräftig darstellen. Da-
hinter steht die allgemeine Auffassung, daß, wie
der Leib des Menschen nicht bloß Leib, Stoff,
Materie bleiben, sondern zum Bild der Seele wer-
den soll, so auch alles Stoffliche überhaupt von
den Bildekräften des Geistes ergriffen werden und
etwas Geistiges darstellen muß. Es ist die heilige
Mission des Menschen, die Erde samt ihren Ge-
schöpfen und Kräften nicht bloß zu nutzen, son-
dern in ihr seinen Geist zum Sieg bringen und sie
zum Leibe des Geistes zu machen. Der Mensch
»bewohnt« die Erde erst dann, wenn er diese seine
künstlerische Sendung auf ihr erfüllt hat. Woh-
nen ist also etwas Aktives, es ist ein Schaffen, ein
Ergreifen, ein Auswirken und Einwirken, ein Ord-
nen, ein Bilden, ein künstlerisches Walten und
Schalten, ein Durchgeisten und Beleben der Dinge.
Ja, es ist ein ständiges Erwerben und Erringen, ein
Vordringen und Erobern, bei dem das Gewonnene

1921. XII. 1.
 
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