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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 14.1916

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Heft 8
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Bombe, Walter: Die italienischen Renaissancebildwerke der Sammlung von Beckerath
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https://doi.org/10.11588/diglit.4751#0437

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Quercias, einer Marmorlunette mit
der Halbfigur Christi, einer Kirche mit
dem jugendlichen Apollo, beide von
Antonio Federighi, ferner mit einem
Neroccio zugeschriebenen Alabaster-
relief der Taufe Christi und zwei
Thonarbeiten Giacomo Cozzarellis,
die an des Meisters grosse Thon-
gruppe der Beweinung Christi in der
Osservanza bei Siena erinnern, einem
knieenden Johannes und dem Frag-
ment einer Magdalena. Die Schule
von Pisa wird, nachdem die beiden
herrlichen Sibyllenfiguren Giovanni
Pisanos von der Sieneser Domkanzel
1892 in den Besitz des Berliner
Museums gelangt sind, durch ein
einziges Werk Giovannis repräsen-
tiert, eine marmorne Madonna der
Verkündigung von ausgezeichneter
Meisselarbeit, in halberLebensgrösse,
jedoch ohne den Kopf.

Die Kunst am Hofe Federigos
von Urbino vertritt ein markiges
Profilbildnis des Herzogs in Harnisch
und ein Sandsteinfries aus einem
Palaste in Urbania mit Drachenwap-
pen und Medaillonbildnissen zweier
Neuvermählten. In diesem Zusammenhange darf auch
ein Frauenkopf genannt werden, der als Reliquienbe-
hälter diente und durch Druck auf den Kopf eines
diademartigen Reifens geöffnet werden kann, in der Art
des Francesco Laurana. — Nach Bologna führt uns ein
Reliefporträt eines Bentivoglio in der Weise des Onofri,
an dieses Künstlers Bildnis des Giovanni II. Bentivoglio
in S. Giacomo Maggiore erinnernd. In Bologna wirkte
auch Niccolo dell' Area, der hierseinHauptwerk schuf,nach
dem er seinen Namen trägt, dieBekrönung der Area diSan
Domenico. Von ihm besitzt die Sammlung Beckerath
ein sicheres Werk, die Thonstatuette eines stehenden
Mönches in weitem Gewände. Mit der Area verknüpft
sich auch der Name des Fra Guglielmo, der 1267 den
zugehörigen berühmten Sarkophag des heiligen Domini-
kus vollendete. Eine marmorne Statuette der stehenden
Madonna mit dem Kinde bei Beckerath stimmt fast ge-
nau überein mit der gleichen Darstellung an der Area.
In dem benachbarten Modena und in Ferrara wirkte
Guido Mazzoni, von dem die Sammlung ein Hauptwerk
enthält, eine prachtvolle Büste Ercoles I. von Ferrara,
von einer Feinheit der Formengebung, die ihresgleichen
sucht (s. Abb). Auf dem Söller des Schlosses zu Ferrara
soll das Stück gestanden haben, als Guggenheim, der
frühere Besitzer, es erwarb. Aus einem Kloster in Fer-
rara stammt ein zweites Werk des Meisters, die Bildnis-
büste einer Äbtissin in bemalter Terracotta. Ein Schüler
Mazzonis war Antonio Begarelli aus Modena, der auf

GUIDO MAZZONI, THONBUSTE ERCOLES I.
VON FERRARA

der vollen Höhe seiner Meisterschaft
in einer monumental aufgefassten
Madonnna der Verkündigung er-
scheint. In Padua arbeitete Gio-
vanni Minelli, dessen zwei grosse
Thonfiguren, der heilige Augustinus
und seine Mutter Monika, durch
realistische, fast karikierende Auf-
fassung sich bemerkbar machen. Von
einem der zahlreichen an der Aus-
schmückung der Certosa zu Pavia
thätigen Künstler rührt ein Carta-
pestabildnis des Giangaleazzo Vis-
conti her, das nach Angabe Becke-
raths von dem Marmororiginal der
Porta dei Duchi abgeformt wurde.
Zweifel erweckt jedoch Beckeraths
Zuschreibung einer marmornen Bild-
nisbüste von nadelscharfer Ausprä-
gung der Form an Omodeo, den
Hauptmeister der Certosa.

An Werken venezianischer Bild-
ner ist eine besonders grosse Zahl in
der Sammlung vereinigt. Eines der
Hauptstücke dürfte hier der grosse
Kamin aus istrischem Marmor von
Antonio Rizzo sein, der einst den
Palazzo Memi bei Santa Marcuola
schmückte. Er trägt das Wappen der Familie Memi und
reichen figürlichen, kameenartig fein ausgeführten
Schmuck, darunter auf dem linken Pfeiler der „Divus
Apollo", auf dem rechten die „Virgo Diana". In die
Mitte des Architravs ist ein Relief von Bartolomeo
Bellano eingelassen, die Opferung Isaaks darstellend.
Auf dem Kamin steht die Überlebensgrosse Thonbüste
eines bärtigen Kapuzinermönches, eine tüchtige, echt
venezianische Arbeit. Aus der Kirche der Badia in
Venedig stammt nach Beckeraths Angabe eine mar-
morne Lunette mit dem segnenden Gottvater, die in
Terracottanachbildung im South Kensington-Museum
wiederkehrt. Daran schliessen sich einige Arbeiten des
Tullio Lombardi und seines Kreises, ein marmorner
Profilkopf der Minerva mit schöner Patina, ein
Damenbildnis im Profil und ein rätselhaftes Hochrelief
aus Terracotta, das vielleicht eine italienische Abwand-
lung der Niobesage ist. Auch Jacopo Sansovino und
seine Venezianer Werkstätte sind ausgezeichnet ver-
treten mit einer grosszügig aufgefassten Tonbüste eines
bärtigen Mannes, der an den Genueser Seehelden Andrea
Doria erinnert, einer von der berühmten Bronzethür im
Chore der Markuskirche in Stuck abgeformten Grab-
legung Christi und zwei lebensvollen Madonnenreliefs.
Eine hohe ikonographische Bedeutung wohnt einem
ovalen Marmorrelief inne, das uns die Züge Michel-
angelos im Alter von etwa vierzig Jahren vorführt,
während ein vergoldeter Stuck nach seiner Madonna

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