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irgend ein Surrogat in die Hand gibt. Und auch die erhoffte Steigerung des
Interesses dürfte in diesem Falle hinter den Erwartungen Zurückbleiben. Bleiben
also in der Hauptsache noch die Nachteile des Verfahrens, Umständlichkeit
und höhere Kosten — man denke nur an grosse Klassen! Da muss man sich
doch billig fragen, ob nicht ein einfacher Kreis, ein einfaches Rechteck auf dem
Zeichenbogen bei einiger Illusion den Dienst nicht auch getan hätte.
Zu dieser Frage ist man um so mehr berechtigt, als uns gerade die viel-
gerühmte Materialgerechtheit des Schmuckes keineswegs so wichtig ist. Wenn
jene Forderung an Fachschulen selbstverständlich strengster Grundsatz sein muss,
so verfolgen wir mit den Ornamentierübungen an unsern allgemein bildenden
Schulen denn doch zunächst andere Zwecke. Hier soll in erster Linie eben die
Phantasie, die Selbsttätigkeit des Schülers geübt und gepflegt werden
und zwar hinsichtlich der Form wie hinsichtlich der Farbe. Natürlich muss bei
Abbildung 1 a, b, c. Raumverteilungsskizzen.
dieser Gelegenheit der Schüler auch eine Reihe ästhetischer Gesetze kennen lernen,
durch welche die Tätigkeit seiner Phantasie geregelt und gezügelt wird. In zweiter
Linie handelt es sich also für uns um eine Einwirkung auf den Geschmack
und zwar auch hier wieder nach Seiten der Form (Raumverteilung, Linienführung)
wie der Farbe.
Fragt sich jetzt nur, ob für dieses doppelte und an allgemein bildenden
Schulen gewiss erstrebenswerte Ziel auch das erforderliche Interesse vorhanden
ist oder doch geweckt werden kann. Nach meiner Erfahrung ist das möglich, ohne
dass alsbald Teller, Schachteln und dergleichen in den Zeichensaal einziehen.
Diese Dinge gehören mit wenigen Ausnahmen in die Handarbeits-
werkstätte oder doch in das freiwillige Zeichnen, in das Gebiet des häuslichen
Fleisses und weiterhin in die Fachschule. Der verbindliche Zeichenunter-
richt an allgemein bildenden Schulen aber soll dem Schüler die
künstlerischen Voraussetzungen liefern, die allgemeine Fähigkeit,
die Kraft, solche Dinge zu schmücken, wie denn der moderne Zeichen-
unterricht überhaupt lediglich kraftbildend sein will und soll — die Stofffrage
kommt hiebei erst in zweiter Linie. Das Interesse kann der Lehrer wecken und
fesseln, wenn er von der Wirklichkeit wenigstens ausgeht, auf die
lebendige Wirklichkeit immer wieder Bezug nimmt; wenn die Ge-
setze, um die es sich hier handelt, nicht sowohl diktiert und hin-
genommen, sondern durch Versuche, auch durch Irrwege vom Schüler
selbst gewonnen, durch Beispiel und Gegenbeispiel selbst erfahren,
erlebt werden.
Hiebei ist freilich Voraussetzung, dass der Lehrer selbst Geschmack und
Phantasie besitze wie auch selber eine dekorative Ader habe. Andernfalls wird
er zum blinden Blindenleiter, und der Schaden wird grösser als er vorher war.
Aber auch die Schüler sollten eine gewisse dekorative Veranlagung von Haus aus
mitbringen. Eine solche ist nun meistens vorhanden. Bekannt ist die grosse
Freude der Kinder, namentlich der Mädchen, an Reihungen, an Rhythmus, vergl.
ihre Reigenspiele, ihr Kränzeflechten usw.
irgend ein Surrogat in die Hand gibt. Und auch die erhoffte Steigerung des
Interesses dürfte in diesem Falle hinter den Erwartungen Zurückbleiben. Bleiben
also in der Hauptsache noch die Nachteile des Verfahrens, Umständlichkeit
und höhere Kosten — man denke nur an grosse Klassen! Da muss man sich
doch billig fragen, ob nicht ein einfacher Kreis, ein einfaches Rechteck auf dem
Zeichenbogen bei einiger Illusion den Dienst nicht auch getan hätte.
Zu dieser Frage ist man um so mehr berechtigt, als uns gerade die viel-
gerühmte Materialgerechtheit des Schmuckes keineswegs so wichtig ist. Wenn
jene Forderung an Fachschulen selbstverständlich strengster Grundsatz sein muss,
so verfolgen wir mit den Ornamentierübungen an unsern allgemein bildenden
Schulen denn doch zunächst andere Zwecke. Hier soll in erster Linie eben die
Phantasie, die Selbsttätigkeit des Schülers geübt und gepflegt werden
und zwar hinsichtlich der Form wie hinsichtlich der Farbe. Natürlich muss bei
Abbildung 1 a, b, c. Raumverteilungsskizzen.
dieser Gelegenheit der Schüler auch eine Reihe ästhetischer Gesetze kennen lernen,
durch welche die Tätigkeit seiner Phantasie geregelt und gezügelt wird. In zweiter
Linie handelt es sich also für uns um eine Einwirkung auf den Geschmack
und zwar auch hier wieder nach Seiten der Form (Raumverteilung, Linienführung)
wie der Farbe.
Fragt sich jetzt nur, ob für dieses doppelte und an allgemein bildenden
Schulen gewiss erstrebenswerte Ziel auch das erforderliche Interesse vorhanden
ist oder doch geweckt werden kann. Nach meiner Erfahrung ist das möglich, ohne
dass alsbald Teller, Schachteln und dergleichen in den Zeichensaal einziehen.
Diese Dinge gehören mit wenigen Ausnahmen in die Handarbeits-
werkstätte oder doch in das freiwillige Zeichnen, in das Gebiet des häuslichen
Fleisses und weiterhin in die Fachschule. Der verbindliche Zeichenunter-
richt an allgemein bildenden Schulen aber soll dem Schüler die
künstlerischen Voraussetzungen liefern, die allgemeine Fähigkeit,
die Kraft, solche Dinge zu schmücken, wie denn der moderne Zeichen-
unterricht überhaupt lediglich kraftbildend sein will und soll — die Stofffrage
kommt hiebei erst in zweiter Linie. Das Interesse kann der Lehrer wecken und
fesseln, wenn er von der Wirklichkeit wenigstens ausgeht, auf die
lebendige Wirklichkeit immer wieder Bezug nimmt; wenn die Ge-
setze, um die es sich hier handelt, nicht sowohl diktiert und hin-
genommen, sondern durch Versuche, auch durch Irrwege vom Schüler
selbst gewonnen, durch Beispiel und Gegenbeispiel selbst erfahren,
erlebt werden.
Hiebei ist freilich Voraussetzung, dass der Lehrer selbst Geschmack und
Phantasie besitze wie auch selber eine dekorative Ader habe. Andernfalls wird
er zum blinden Blindenleiter, und der Schaden wird grösser als er vorher war.
Aber auch die Schüler sollten eine gewisse dekorative Veranlagung von Haus aus
mitbringen. Eine solche ist nun meistens vorhanden. Bekannt ist die grosse
Freude der Kinder, namentlich der Mädchen, an Reihungen, an Rhythmus, vergl.
ihre Reigenspiele, ihr Kränzeflechten usw.