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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 4.1910

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Heft VI (Juni 1910)
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Löffler, Gottlieb: "Ausstellungsfähig"
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Verein badischer Zeichenlehrer
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https://doi.org/10.11588/diglit.34105#0092

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zu können. Man hört immer nur von der Schönheit einer Zeichnung sprechen; ob
sie richtig, ob sie gut ist, ob der Schüler einen geistigen Gewinn sich davon er-
arbeitet hat, darnach fragt das Publikum jetzt noch nicht. Am schönsten ist die
schattierte Zeichnung, mag sie noch so fehlerhaft sein.
Die Schönheit einer guten Zeichnung wird noch nicht verstanden, sie kann
noch nicht genossen werden, weil das Publikum auf diesem Gebiet noch nicht
genussfähig ist. Wenn eine Zeichnung „nach etwas aussieht“, auch wenn sie noch
so scheusslich in der Farbe, Anordnung und fehlerhaft ist, dann gefällt sie. Ich
habe in den letzten U/2 Jahren Zeichnungen gesehen, die jeglichem Zeichenunter-
richt hohnsprechen, die aber alle seit Einführung der Reform „gemacht“ worden
sind. Die betreffenden Lehrer haben keine Ahnung von Zeichnung und Farbe.
Aber Unterricht erteilen sie und dürfen ihn erteilen. Ich spreche hier nicht nur
von Volksschulen. Ja, es ist manches „ausstellungsfähig“ am gegenwärtigen Betrieb
des Zeichenunterrichts in Württemberg.
Wie kommen wir nun zu einer Besserung dieser Zustände? Nicht ganz plötzlich,
sondern erst nach Jahren, wenn die Vorbedingungen hierzu erfüllt sind. Zu diesen Vor-
bedingungen gehört in erster Linie ein gut vorgebildeter Lehrerstand. Im Seminar ist
dem Zeichnen mehr Zeit zu gewähren als vordem. (Man vergleiche das Programm der
Seminarzeichenlehrer in Sachsen.) Die Begründung schenke ich mir hier, bin aber
jederzeit bereit, sie zu geben. Vor allem sind insbesondere die Jahreskurse zu teilen.
Wenn man bedenkt, wieviel Zeit der Musik eingeräumt ist — und wir haben nichts
dagegen —■ damit die jungen Lehrer befähigt werden, einen Choral oder eine
sogenannte Arie und Gesangsunterricht an der Volksschule — Orgel und Klavier
brauchen sie dazu nicht — zu erteilen,' d. h. also in einem Fach, welches den anderen
Unterrichtsdisziplinen sehr wenig Dienste leisten kann seinem ganzen Wesen nach,
so muss man nur staunen, dass dem Zeichen- und Kunstunterricht, einer Disziplin,
die beinahe allen andern Disziplinen notwendiges Hilfsmittel ist, sage und schreibe
2 Wochenstunden eingeräumt sind. Also für die zukünftigen Lehrer ist der Grund
im Seminar zu legen. Für diejenigen, die jetzt im Dienste stehen, insbesondere den
älteren Herren, ist Gelegenheit zu geben, sich in Ruhe einzuarbeiten, sich irgendwo
Rats erholen zu können, sich ihren Lehrgang selbst zu erarbeiten, dass sie
selbständig werden. Dazu wären Wiederholungskurse nötig, in denen an eigenen
Arbeiten das Wesen der Reform klar erfasst werden kann. Ausstellungen jeglicher
Art haben so lange zu unterbleiben, bis, aus Ruhe und Sicherheit heraus erwachsen,
Resultate erwartet werden können. Wie dann solche Ausstellungen zu veranstalten
wären, darüber ein andermal. Prüfungen sollten nur von wirklichen Fachleuten
vorgenommen werden und den Zweck haben, dem Lehrer zu raten oder auf dem
Wege weiter zu helfen und bei den Schülern nicht in erster Linie nach dem End-
resultat zu sehen, sondern zu prüfen, wie sie in den Stand gesetzt, eine Aufgabe
anzufassen und durchzuführen. Durchaus notwendig ist es auch, dass den an
höheren Schulen Zeichenunterricht erteilenden Nichtfachleuten durch einen Kurs
von genügender Dauer unter nur künstlerischer Leitung Gelegenheit geboten wird,
wie sonst in Sprachen und dergleichen, sich auf dem weiten Gebiet des Zeichen-
und Kunstunterrichts umzusehen und sich selbst künstlerisch zu betätigen. Zwei
oder drei Wochenstunden vor der Reifeprüfung oder einer anderen Prüfung und
nachheriges Dienstexamen befähigen in keiner Weise zu einem guten Unterricht.
Wir müssen zu einer ehrlichen Arbeit kommen, unsere Schüler zur Selbsttätigkeit
und Selbständigkeit erziehen. Das ist eine schwere, aber schöne Aufgabe, welche
keine Scheinerfolge ermöglicht. Solange dieses Ziel nicht erstrebt wird, bleibt
der Zeichenunterricht immer „ausstellungsfähig“, aber im andern Sinn.

Verein badischer Zeichenlehrer.
Am 8. Mai fand in Bruchsal die diesjäh-
rige Mitgliederversammlung statt. In liebens-
würdiger Weise hat die Stadt-Verwaltung
Bruchsal die Aula und den Zeichensaal der
Höheren Mädchenschule zur Verfügung ge-

stellt. Die Aula war in prächtiger Weise
mit Pflanzen geschmückt. Für diesen sinnigen
Willkommengruss sei derStadt bestens gedankt.
Programmässig eröffnete der 1. Vorsitzende
Herr Schumacher die Versammlung und be-
grüsste die erschienenen Mitglieder aufs herz-
 
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