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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 4.1910

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Heft V (Mai 1910)
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Henrici, Karl: Ueber die Pflege des Heimatlichen im ländlichen und städtischen Bauwesen, 1
DOI Artikel:
Kolb, Gustav: Der neue württemb. Lehrplan für den Zeichenunterricht der höheren Knabenschule
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https://doi.org/10.11588/diglit.34105#0072

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Künstler clie mittelalterliche Tradition nicht so bald verdrängen und verwischen.
Auch als im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert hier und da mit den früheren
Beständen recht unsanft verfahren wurde und ganz Fremdartiges mit autokratischer
Gewalt zur Einführung gelangte, behielt das Volk doch immer die Kraft, das Neue
in seiner Art zu verarbeiten und ihm den entsprechenden genius loci einzuhauchen.
So haben sich ebenso das Barock wie das Rokoko zu durchaus echt deutschen
Stilweisen entwickelt und bilden, in die bürgerliche Baukunst aufgenommen, un-
entbehrliche Steine in dem harmonisch wirkenden Gesamt-Mosaikbilde der alten
Städte und Ortschaften. Das war
Abbildung 4. noch gute alte Zeit!


Der neue württemb. Lehrplan
für den Zeichenunterricht der
höheren Knabenschulen.
Seit einer Reihe von Jahren haben
wir in Württemberg keinen verbind-
lichen Lehrplan für den Zeichenunter-
richt an den höheren Knabenschulen.
Ich wies vor längerer Zeit im „Jahr-
buch für Zeichen- und Kunst-
unterricht“ daraufhin, und bezeich-
nete es als einen weisen Akt des Zu-
wartens seitens der Behörden, dass in
einer Zeit der Umwälzung, wie sie die
Zeichenunterrichtsreform gebracht, je-
dem einzelnen Lehrer Bewegungsfrei-
heit gewährt werde. Anfangs schien
es allerdings, als ob sich die Behörden
auf Seite der althergebrachten An-
schauungen stellen wollten und mit
der ihnen zu Gebote stehenden staat-
lichen Autorität das wankende Ge-
bäude stützen wollten. Aber dasselbe
stand doch auf zu schwachen Füssen,
als dass es sich hätte länger halten
können. Und das haben die Behörden
zur rechten Zeit erkannt und darnach
gehandelt — bezw. nicht gehandelt;
denn sie liessen den Dingen vorerst
den Lauf und verhielten sich passiv.
Heute nun ist auch bei uns wie

Schiilerarbeit der Facbklasse für graphische Gewerbe der
Münchner Gewerbeschule (Leiter: Direktor Godron).

in den meisten deutschen Staaten die
Anschauung behördlich sanktioniert
worden, deren Vertretung seitenseiner Anzahl jüngerer Fachgenossen in Württem-
berg im Jahre 1904 zu einem öffentlichen Bruch zwischen den Anhängern der alten
und der neuen Richtung führte und die württembergischen Zeichenlehrer in zwei
sich schroff gegenüberstehende Lager spaltete, deren jedes sich einer eigenen Fach-
presse zum Kampfe bediente.
Wenn je die Wahrheit, dass Kampf unter Umständen notwendig und segens-
reich ist, bestätigt wurde, so hier. Gerade dadurch, dass die Gegner einander so
schroff gegenüberstanden, waren sie gezwungen, ihre Forderungen aufs bestimmteste
zu formulieren, und das führte zum Nachdenken. Man sah sich gezwungen, die
neuen Ideen zu prüfen und der Feuerprobe durch die praktische Berufsarbeit zu
unterziehen, und siehe da: allmählich wurden aus den Gegnern Freunde der Sache
 
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