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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 4.1910

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Heft IX (September 1910)
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Henrici, Karl: Ueber die Pflege des Heimatlichen im ländlichen und städtischen Bauwesen, 4
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https://doi.org/10.11588/diglit.34105#0138

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Ueber die Pflege des Heimatlichen im ländlichen und städtischen
Bauwesen.

nachweisen lassen, dass dieser Vorzug des
geringeren als den aufgewandten Mitteln zu
erreichen gewe-
sen wäre.
Die gute alte Zeit
hatte es leicht, auf
dem rechten Wege
zu bleiben. In ihr
waren die Menschen
sesshafter als heute,
und aller Fortschritt
gründete sich zum
wesentlichen auf
Tradition, die die
eine Generation auf
die Schultern der
andern stellte. Bau-
kunst und Kunst-
handwerk blieben
dabei je in ihrer Art
an je bestimmte Ge-
genden und Orte ge-
bunden, und daraus
die Sehnsucht erwacht

IV.
In jedem einzelnen Falle, wo Auge und Gemüt verletzt werden
durch d en Missklang, den das Neue in den alten Bestand hineingebracht
hat, wird sich nachweisen lassen, dass es nur der Fähigkeit und des
guten Willens bedurft hätte, um den Ton zu treffen, auf welchen durch
Natur und Kunst die Umgebung eingestimmt war, und damit im einzig
wahren und besten Sinne des Wortes Heimatkunst zu betreiben. Es wird
sich ferner in der Regel
heimatlichen Wesens mit

wurde ganz von selbst Heimatkunst, nach der jetzt wieder
ist. Mit der Tradition ist’s aber aus, es hat überhaupt aufgehört, dass sich Orte
und Gegenden allein aus sich und in sich selbst weiter entwickeln, oder auch
nur auf einer früher errungenen Höhe halten könnten. Stillstand bedeutet Rück-
gang: dieser Spruch hat wohl zu keinen Zeiten so vielfache Bestätigung gefunden,
wie in der unsrigen. Anschluss an den Weltverkehr, Beteiligung an der Industrie,
die Einwanderung neuer, steuerkräftiger Bürger, kurz: Zunahme, Wechsel und
Bewegung sind zur Losung aller im Fortschritt befindlichen Orte geworden, und eben
diese Orte sind es, über deren entstelltes Aeussere man so häufig sich entsetzen muss.
Der Beweis, dass trotz dieser höchst ungünstigen Umstände eine Wandlung
zum Bessern möglich ist, ist bereits erbracht. So versucht man hier und da mit
bestem Erfolg ganz einfach wieder anzuknüpfen, wo früher die Marschroute abge-
brochen war. Es ist dies z. B. in München der Fall, wo unter der Führung aus-
gezeichneter Architekten die Stimmung der südbayrischen Bauweise des achtzehnten
und des Anfanges des neunzehnten Jahrhunderts wiedergefunden ist, die nun in
solchem Grade die moderne Architektur beherrscht, dass von einem heimatlichen
Wesen derselben wieder die Rede sein kann.
Die Stimmung, welche namentlich durch die Wahl, die Behandlung und die
Farbe der zur Verwendung kommenden Baustoffe erzeugt wird, spielt dabei eine
grössere Rolle, als die formalistische Behandlung der Einzelheiten, bei welcher
in frischem Zuge auch ganz neu Erfundenes erfreuend zur Geltung kommt. Auch
andern Ortes, wo man etwa in Form von Villenkolonien ganz neuen Niederlassungen
begegnet, wird man häufig hohe, auch einheitlich und heimisch wirkende Reize
 
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