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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 4.1910

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Heft VII (Juli 1910)
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Elßner, Karl: Praktische Erziehung
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Pudor, Heinrich: Mosaik-Malerei und Monumentalkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.34105#0100

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nicht vorgesehen ist. Unci doch ist die Ausbildung der Handgeschicklichkeit und
des darauf beruhenden Urteiles für die Existenz jedes einzelnen, wie der Gesamtheit,
des Staates, von höchster Bedeutung. Lichtwark hat dies mit den Worten aus-
gesprochen: „Im industriellen Wettkampfe der Völker wird auf die Dauer die
Nation am besten fahren, über deren Produkte zu Hause die grösste Zahl erzogener
Augen richtet.“ Das gilt nicht nur von dem Produzenten, dem Arbeiter und
Techniker, nicht nur vom Kaufmann, der aus den angebotenen Waren wählt, um
sich neue Absatzgebiete zu erschliessen, sondern auch von dem Konsumenten, der
die Güte heimischer und fremder Produkte zu beurteilen und zu werten und dem-
entsprechend einzukaufen versteht. Ein jeder muss eine praktische Erziehung erhalten.
Es liegt natürlich nahe, von der Einführung des Arbeitsunterrichts eine weitere
Belastung der Schule zu fürchten, doch ist diese Sorge vollständig unbegründet
und überflüssig. Ein paar Nachmittagsstunden in jeder Woche, für diesen Zweck
verwendet, würden von dem Schüler nicht nur nicht als eine Last, sondern als
eine wohltuende Abwechslung empfunden werden. In welcher Form der Unterricht
erteilt werden soll und welche Beschäftigung besonders geeignet wäre, ist weniger
wichtig, als dass die Kinder überhaupt zu irgendeiner soliden und vernünftigen
werktätigen Beschäftigung angeleitet werden.
Von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist natürlich die Geldfrage, doch
dürfte ihre Lösung nicht unüberwindlichen Schwierigkeiten begegnen, wenn man allen
Luxus beiseite lässt, sich grösster Sparsamkeit befleissigt und nach vorteilhaften
Einkaufs quellen forscht. Es gibt viele Geschäftsleute, die um der guten Sache
willen gern auf einen Gewinn verzichten und die Materialien zum Selbstkostenpreis
abgeben würden. Im übrigen braucht man die Kinder selbst nur zum Sammeln
von Holz und Blechabfällen, von Pappen und Brettchen, Nägeln und Schrauben,
Scharnieren und Bändern, von Draht, Zwirnrollen und allerhand ähnlichen ver-
wendbaren Dingen anzuhalten und wird aus diesem an und für sich wertlosen
Material nahezu kostenlos wirklich brauchbare Dinge und richtig funktionierende
Apparate herstellen können.
Ganz ebenso verhält es sich auch mit der Beschaffung der Werkzeuge und
der Einrichtung der Arbeitsräume. Wird eine zweckmässig ausgestattete Werkstatt
immer ein erstrebenswertes Ziel bleiben, die Einführung des Arbeitsunterrichts darf
an dieser Frage nicht scheitern. Ist die nötige Einsicht und der erforderliche
gute Wille vorhanden, wird sich auch in der Schulstube selbst, auf dem Schulhofe
oder im Garten ein Anfang machen lassen. Hat sich die Allgemeinheit erst ein-
mal von dem Nutzen der Sache überzeugt, werden auch Mittel und Wege gefunden
werden für die Beschaffung eines geeigneten Baumes im Schulhause selbst oder
in seiner nächsten Nähe.
Wichtiger als alle diese Fragen ist, dass ein Lehrerstand heranwächst, der
aus innerer Ueberzeugung den Bewegungs- und Tätigkeitstrieb des Kindes nicht
unbeachtet und unbenutzt verkümmern lässt, sondern für die Zwecke einer prak-
tischen Erziehung dienstbar zu machen versteht. (Aus der Dürer-Bundes-Korre-
spondenz.) Karl E1 s s n e r.
Mosaik-Malerei und Monumentalkunst.
Von Dr. Heinrich Pudor.
Die Kunst zu reformieren, heisst die Kultur am verkehrten Ende anfangen. Es ist
ebenso falsch, wie wenn man den Stil reformieren wollte. Und doch wird beides heute
versucht. Statt erst die Menschen zu reformieren, von Grund aus, von innen heraus, damit
sie eine neue Kultur schaffen können, versuchen wir den Stil zn verbessern oder einen neuen
Stil aus dem Nichts zu schaffen, bestreben wir uns, die Kunst zu reformieren und träumen
davon, wieder monumentalen Geist in die bildenden Künste einzuführen. Wir klagen, dass
dieser monumentale Geist der Malerei so ganz verloren gegangen ist, dass sie sich erschöpft
in kleinen Aufgaben, in Tafelmalerei, welche letztere dabei nicht wie früher wesentlich
religiösen Zwecken zu dienen hatte und den Hausaltar zu schmücken hatte — dies in der
Tat der eigentliche Entstehungsgrund der Tafelmalerei — sondern für Ausstellungen, Mu-
seen oder für den Salon bestimmt ist, dabei wesentlich der Zerstreuung, statt wie früher
der Erbauung zu dienen hat. Aber, wie gesagt, Kunst lässt sich in sich selbst schwerlich
 
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