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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 4.1910

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Heft XII (Dezember 1910)
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Besprechungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.34105#0194

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aber nur wenigen möglich ist, bis zu einem
gewissen Grade gutheissen, aber man findet
es beschämend, auch das „Kunstgewerbe“
vernachlässigt zu sehen, das doch zu reiche-
rem Lebensgenüsse und künstlerischem Be-
hagen beiträgt. Man sollte meinen, an den
Werken des modernen Kunstgewerbes müsse
jeder von uns Teil haben, weil uns doch die
Form und die Farbe der Möbel, die wir be-
nützen, und der Geräte, deren wir uns täg-
lich bedienen, ebensowenig gleichgültig sein
können, wie die Stoffe unserer Kleider, die
Muster unserer Tapeten und Teppiche. Tritt
doch just hier der eigenste persönliche Ge-
schmack in sein Recht, mag die Mode noch
so gewaltsam und eigensinnig gewisse Formen
und Farben vorschreiben. „A.n diesem Teil
der Kunst, der sich im Gewerbe äussert, hat
jeder Mensch sein Anrecht, und jeder ist
daher auch berechtigt, von seinem Stand-
punkt aus als Beurteiler und Richter an den-
selben heranzutreten. Ist er es doch, der
die Sachen schliesslich erwerben und ver-
wenden soll.“ Nur darf man verlangen, dass
derjenige, der Nutzniesser der schönen und
zweckmässigen Dinge des modernen Kunst-
gewerbes sein will, sich bemühe, durch sorg-
fältige künstlerische Selbsterziehung des
Auges seiner bisherigen Unzulänglichkeit
mit Kraft und Ausdauer entgegenzuarbeiten.
Hilfsmittel sind ihm in ausreichender Menge
und Qualität durch die verschiedenen Kunst-
und Kunstgewerbe-Publikationen an die Hand
gegeben, unter welchen eines der wichtigsten
die Darmstädter Kunstzeitschrift „Deutsche
Kunst und Dekoration“ von Hofrat Alexander
Koch darstellt, die seit vielen Jahren in un-
ermüdlicher Kulturarbeit Pionier- und Lehr-
dienste leistet. — Wir haben künstlerische
Urheber und handwerkliche Ausfertiger
ebenso schöner wie zweckmässiger Arbeiten
der angewandten Kunst, um die wir von
anderen Nationen beneidet werden — nur
ein im Verhältnis ebenso kunstsinniges und
kauffreudiges Publikum haben wir noch
nicht! Das ist unser Leid, dem möchten
wir abhelfen, doch kann uns letzteres nur
gelingen, wenn sich das Publikum weniger
passiv als bisher den Dingen gegenüber, die
wahrlich nicht zu den geringsten Gütern der
Nation gehören, verhält.
Lehrerbildung. Die Anschauung vom
Handwerksmässigen, Beschränkten, Einsei-
tigen, welche heute vielfach dem Begriff der
Berufsbildung anhaftet, ist nur eine falsche
Auffassung des Begriffs „Bildung“, diebestän-
dig mit „Wissen“ verwechselt wird. Die
wahren Kennzeichen der Bildung sind frische
Empfänglichkeit für alles Menschliche, Sicher-
heit des Urteiles, Selbständigkeit im Erfassen
und Durchführen einer Aufgabe, Ueberein-
stimmung von Einsicht, Wille und Handlung.
Mit Wissen hat Bildung nur so viel zu tun,
als es diese vier Eigenschaften notwendig
machen. Je höher diese vier Eigenschaften
in einem Menschen entwickelt sind, desto
höher ist seine Bildung. Jedes grosse, ein-
heitlich geschlossene Arbeitsgebiet, in dem
sie sich entwickeln lassen, führt zur Bildung.
Es gibt aber wenig grosse geschlossene Ar-

beitsfelder, wo das besser möglich wäre, als
das Feld der Erziehung. Warum also sollen
wir die Schule verschmähen, die uns die
historische Entwicklung für die Volksschul-
lehrerbildung gegeben hat? Etwa, weil ein
grosser Teil der Menschen, die das Gymna-
sium abgesessen haben, diesen Satz 1 nicht
anerkennen? Ich glaube, sie werden ihn
anerkennen müssen, wenn wir nur durch eine
zweckmässige Organisation der Berufsbildung
für den Volksschullehrer den Beweis erbringen.
Welche ist nun aber die zweckmässige
Organisation? Nun, den ersten Fundamen-
talsatz haben wir bereits erarbeitet: Sie muss
sich vor allem nicht auf unzusammenhängen-
des Wissen in möglichst vielen Unterrichts-
gebieten stützen wie bisher, sondern in der
Hauptsache auf ein einheitliches geschlossenes
Arbeitsgebiet beschränken. Nur bei Beschrän-
kung auf ein Arbeitsgebiet gewinnen wir
Sicherheit unseres Urteils, Selbständigkeit
im Erfassen und Durchführen von Aufgaben.
Nur durch das Heimischwerden in einem
grossen Arbeitsgebiet entfalten sich in unserer
Seele von selbst jene mannigfaltigen Fragen,
die uns empfänglich machen für alles Mensch-
liche, und entwickelt sich jene Tiefe der
Einsicht, die bestimmend wirkt auf unser
Wollen und Handeln. Aus „Kerschensteiner,
Grundlagen der Schulorganisation“.

Besprechungen. „Die Perspektive“,
ein Handbuch für den Lernenden und Lehren-
den mit besonderer Berücksichtigung des
modernen Zeichenunterrichts vonF. V. Ebert.
Verlag Gustav Neugebauer-Prag.
Der Verfasser gliedert seinen Stoff in 4
Hauptteile: 1. Erfahrungsperspektive und die
Perspektive der geometrischen Grundformen;
2. Schattenperspektive; 3. Spiegelperspektive;
4. Luftperspektive. Ein Anhang gibt noch
einige Winke über die Technik des Zeichnens
und über das Fixieren des Zeichnens. Neues
bringt das Werkchen nicht. G. K.
Eduard von Steinle. Seit der Jahrhun-
dertausstellung in Berlin, von der wir schon
einmal geredet haben, sind die Künstler aus
den ersten Jahrzehnten des vorigen Jahr-
hunderts wieder stark ins Relief getreten.
Einer der Besten, ein Zeitgenosse Moritz v.
Schwinds, der mit seinen Arbeiten sehr an
diesen erinnert, ist Eduard v. Steinle.
Sein Lebenswerk, das ungemein vielseitig
genannt werden muss, liegt nun im Buch-
handel in einer reichen Auswahl von Ver-
vielfältigungen seiner Arbeiten vor. Die
Reproduktion übernahm Jos. Kösel, graphische
Anstalt in Kempten. Viele , dieser Arbeiten
muten uns heute fremdartig an, aber die
meisten haben von ihrem Reiz gar nichts ein-
gebiisst, und zwar sind es in der Regel solche,
die unmittelbar vor der Natur entstanden
sind. Wir sind in der Lage, heute 3 solche
Arbeiten vorzuführen, die an Schärfe der
Charakteristik und Liebenswürdigkeit der
Auffassung ohnegleichen sind (siehe Abbild.
5, 6 und 7).
 
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