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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 4.1910

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Heft IX (September 1910)
DOI Artikel:
Henrici, Karl: Ueber die Pflege des Heimatlichen im ländlichen und städtischen Bauwesen, 4
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Brünger, L.: Warum finden wir die alten Bauernmöbel schön?
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https://doi.org/10.11588/diglit.34105#0142

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So zeigt es sich, dass es viele, zum Teil schon mit gutem Erfolg betretene
Wege gibt, um für die verloren gegangene Tradition im Bauwesen und in der
Heimatkunst einen Ersatz zu finden.
Die „alten guten Zeiten“ wieder heraufbeschwören zu wollen, gerade wie sie
waren, wird auch dem begeistertsten Altertümler nicht einfallen; dem Glauben,
dass es ein Heilserum gäbe, durch welches unsere Zeit mit einem Male von ihren
krankhaften Zuständen befreit werden könnte, wird sich kein vernünftiger Mensch
liingeben. Wollen wir die Stürme, Wogen und Wellen, in denen unser Kultur-
schiff steuert, meistern und uns nicht auf uferloses Meer hinaustreiben lassen, so
muss nicht ein, sondern es müssen viele Ruder und Segel eingesetzt werden, zu
glücklicher Fahrt in wieder gute neue Zeit hinein. Karl Henrici.

Warum finden wir die alten Bauernmöbel schön?
DBIv. Zwei sassen zusammen in einer Bauernstube. Es war kurz vorher eine junge Frau
ins Haus gekommen, die hatte auch allerlei neue Möbel mitgebracht, die sollten sich nun

Fig. 16.


mit den altererbten Stücken vertragen. Und so standen auch in der Stube ein alter und
ein neuer Schrank beieinander; die vertrugen sich aber nicht zusammen. Das fühlte die
eine der beiden Frauen recht gut, sie sagte darum zu der anderen: „Es ist doch schade, dass
man jetzt gar nicht mehr so schöne Möbel macht wie früher!“ Darauf die andere: „Ach,
du findest die alten Sachen nur schöner, weil sie eben alt sind.“ Das wollte nun die andere
nicht anerkennen, und sie suchte zu beweisen, warum die alten Sachen schöner seien, sie
konnte aber ihre Widersacherin nicht überzeugen. Sie fühlte eben selbst nur dunkel den
grösseren Wert der alten Möbel. Wir wollen nun einmal versuchen, der Sache auf den
Grund zu gehen und uns vorstellen, wie man früher und wie man jetzt Möbel macht.
Früher gab es keine Musterbücher und keine Möbelfabriken. Wollte man einen
Schrank haben, so wandte man sich an einen Tischlermeister. Dieser hielt sich an das, was
er von seinem Meister gelernt hatte und an die im Dorfe vorhandenen Vorbilder. Aber war
er ein tüchtiger Meister, so machte er die Vorbilder nicht sklavisch nach, sondern er sin-
nierte, ob er hier oder da nicht etwas anders und besser machen könne. Er wusste ja auch,
für wen er den Schrank machte, wusste, in welcher Stube er stehen solle und richtete sich
danach. Es machte sich auch ganz von selbst, dass des Meisters Eigenart auch in seiner
Arbeit sich aussprach. Liebte er das Solide und Feste, so machte er auch seine Arbeit
wuchtig und schwer, hatte er Vorliebe für das Leichte und Zierliche, wurde sicherlich auch
sein Schlank danach. War er ein heiterer Mann, dann hatte er gewiss hier und da, wo es
gerade passte, ein lustig Vögelein oder Blümlein angebracht, und nachher bat er den Farbe-
topf genommen und seine Schnitzereien hübsch blau oder rot angemalt. War er ein schlichter,
ernster Mann, dann sparte er den Schmuck, aber er wusste vielleicht die Längen- und
Breitenmasse und die einzelnen Teile des Möbelstückes in besonders fein abgestimmte Ver-
hältnisse zu bringen. Allerdings wird sich der Tichler nicht vorgenommen haben: „Meine
Arbeit soll ein heiteres Gepräge haben“, oder ähnliches. Es ist eben so geworden, weil der
Mann mit seiner ganzen Persönlichkeit und mit Lust und Liebe dabei war.
 
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