Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bund Deutscher Kunsterzieher [Editor]
Kunst und Jugend — 4.1910

DOI issue:
Heft IX (September 1910)
DOI article:
Brünger, L.: Warum finden wir die alten Bauernmöbel schön?
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34105#0143

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
129

Gewiss, es hat auch solche Meister gegeben, die sich ängstlich an die Vorbilder hielten
und nichts eigenes in ihre Möbel hineinlegten, aber das war damals nicht so schlimm, weil
sie gute Vorbilder hatten. — — So sind die alten Möbel entstanden. Und wie entstehen
die neuen ?
Da sitzt irgendwo ein Musterzeichner und „entwirft“ Möbel mit Reissbrett und Reiss-
schiene. Er sieht das Holz gar nicht, aus dem die Sachen werden sollen, denkt am Ende
gar nicht daran. Die Muster bekommt eine Möbelfabrik und macht danach die Möbel. Alles
wird mit der Maschine gemacht. Es sind auch Menschen in der Fabrik, aber sie „bedienen“
Fig. 17


nur die Maschinen oder überstreichen die Tannenmöbel mit Eichenmaserung. Dann werden
die Möbel eingepackt und verschickt, wer weiss, wohin. Fertig ist die Kiste. Ja, die Kiste!
Tannenholz mit Eichenmaserung in Lehmgelb, obendrauf ein Muschelaufsatz oder ein Jugend-
stilornament, so sehen vielfach die heutigen Möbel aus : langweilig, unsolide, gemütlos.
Fassen wir nun zusammen: Was ist der Unterschied zwischen den alten und neuen
Möbeln? Die alten Möbel sind etwas Gewordenes. Ein Teil ist durch den anderen bedingt,
einer aus dem anderen hervorgegangen. Auch der Schmuck hängt mit dem Ganzen orga-
nisch zusammen. Sie sind gleichsam gewachsen wie die Blumen und Bäume. Sie sind ge-
wachsen unter den Händen eines Mannes, der mit ganzer Seele dabei war. Und so hat das
Stück Hausgerät selbst gleichsam eine Seele bekommen. Jedes Stück hat sein eigenes
Gepräge und darum ist es so wertvoll.
Die Fabrikmöbel dagegen sind etwas Gemachtes. Die einzelnen Teile hängen nur
äusserlich zusammen, dieselben Teile könnten auch zu einem anderen Schrank oder Tisch
 
Annotationen