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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 4.1910

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Heft V (Mai 1910)
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Kolb, Gustav: Der neue württemb. Lehrplan für den Zeichenunterricht der höheren Knabenschule
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Bekanntmachung der Ministerialabteilung für die höheren Schulen, betr. die Einführung eines neuen Lehrplans für das Freihandzeichnen
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https://doi.org/10.11588/diglit.34105#0073

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und manch einer beherzigte gar bald den Spruch: „Das sind die Weisen, die vom
Irrtum zur Wahrheit reisen, das sind die Narren, die im Irrtum beharren.“
Nun steht diejenige Anschauung als Sieger auf dem Platz, für die zuerst nur
ein kleines Häuflein Fachgenossen im heissen Kampfe stritt, ein kleines Häuflein
Fachgenossen, das sich damals gefallen lassen musste, von den eigenen Kollegen
als „radikales“ umstürzlerisches Element bei den Behörden verdächtigt zu werden,
das seine „ideellen und materiellen Interessen in rücksichtslosester Weise zur aus-
schliesslichen Geltung bringen“ wolle.
„Die Weltgeschichte ist das Weltgericht“ — manchmal und zwar im Grossen
wie im Kleinen. Wir erleben es heute,
dass die Ankläger von damals und die
heftigsten Gegner der Reform, die sich
in Verspottung und Verachtung und
Anfeindung der Andersgesinnten nicht
genug tun konnten, heute, nachdem die
Sache sich durchgerungen hat, vor aller
Welt, nicht zuletzt vor den Behörden,
sich als warme Freunde und Förderer
der neuen Ideen aufwerfen. — Wohlan,
es ist gut so: der Sache wird auch s o
gedient und wir wollen durch solche
Betrachtungen unserer Freude über den
neuen Lehrplan keinen Eintrag ge¬
schehen lassen Eine eingehende Be¬
sprechung desselben erfolgt im nächsten
Heft. G. Kolb.
Bekanntmachung der Ministerial-
abteilung für die höheren Schulen,
betr. die Einführung eines neuen
Lehrplans für das Freihand¬
zeichnen.
Vom 31. März 1910. Nr. 3229.
Mit Genehmigung des K. Ministeriums des
Kirchen- und Schulwesens wird mit sofortiger
Wirkung der nachstehende Lehrplan für das
Freihandzeichnen an allen uns unterstellten
höheren Knabenschulen eingefühlt.
Stuttgart, den 31. März 1910.
A b 1 e i t e r.
Lehrplan für das Freihandzeichnen an den
höheren Knabenschulen in Württemberg.

Abbildung 5.


Genehmigt durch Erlass des K. Ministeriums
des Kirchen- und Schulwesens
vom 21. März 1910. Nr. 1988.
I. Lehrziel:
Ausbildung des Beobachtungs-, Auffas-
sungs- und Vorstellungsvermögens; Entwick-
lung des Formen- und Farbensinns; Fähig-
keit,Gesehenes selbständig darzustellen. Pflege
des Sinns für Schönheit der Natur und Kunst.
II. Lehrplan:
A. Unterstufe.
Klasse U L Darstellung vorwiegend flacher
Gegenstände im Umriss und mit einfacher
Farbenangabe.
Klasse IV. Darstellung flacher Gegen-
stände von freieren und schwierigeren For-
men. Naturformen (Blätter und Blüten,
Früchte, Schmetterlinge, Vogelfedern usw.).

Schülerarbeit der Fachklasse für graphische Gewerbe der
Münchner Gewerbeschule (Leiter: Direktor Godron).
Kunstformen (Geräte, Gefässe usw.). Fort-
setzung der Malübungen.
B. Mittelstufe.
Klasse V. Darstellung vorwiegend körper-
licher Gebilde. Einführung in die Perspek-
tive nach der Anschauung. Uebungen in ein-
facher Wiedergabe von Licht und Schatten.
Erweiterung der Uebungen im Malen.
Klasse VI. Ausbau des perspektivischen
Zeichnens. Gebrauchsgegenstände. Natur-
formen (Pflanzen, Muscheln usw.). Einfache
Bauten und Bauteile. Innenräume. Wieder-
gabe der Licht- und Farbenwirkung.
C. Oberstufe.
Klasse VII- IX. Darstellung organischer
Gebilde in ihrer plastischen Erscheinung. Ein-
 
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