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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 4.1910

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Heft I (Januar 1910)
DOI Artikel:
Kling, G.: Bilderschrift und Fibelbilder, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.34105#0012

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Bilderschrift und Fibelbilder.
Von G. Kling- Mitteltal.
Schon längst habe ich mich gewundert, dass in „Kunst und Jugend“ sich so
wenig Volksschullehrer zum Wort melden, dass selbst die Fibelbilder keine päda-
gogische Würdigung gefunden haben. Mit der „Jugend“ haben wir doch sozusagen
auch ein wenig Fühlung, und die „Kunst“ pocht gewaltig an die Pforten der Lehrer-
bildung und stellt uns vor neue, hohe Aufgaben. Es ist nachgerade Zeit, dass
auch wir Lehrer des vorigen Jahrhunderts uns einmal gründlich mit Kunstfragen
beschäftigen, dass wir in Kunstverständnis und Kunstübung über die nächsten
Bedürfnisse hinauswachsen, für welche in freiwilligen Zeichenkursen allerorten
notdürftig gesorgt wurde. Nicht mit einer gewissen technischen Routine und einigen
Abbildung 4.


Kunstphrasen dürfen wir uns begnügen — damit können wir nur geistig taglöhnern,
nicht bilden — wir müssen selbst schöpfen und trinken vom Strom, der zu allen
Zeiten den grossen Schöpfern und Bildnern aus der Seele geflossen ist; vertiefen
müssen wir uns in die Meisterwerke der bildenden Kunst und ihre Sprache ver-
stehen, dann können wir zum Kinde treten und seinen Hunger nach Form und Farbe
und Gestaltung stillen. Los von Handwerkskniffen und Methödlein, los auch von engen,
starren Formeln und Bücherwissen, denn „grün ist des Lebens goldner Baum!“

Anmerkung der S c h r i f 11 e i t u n g. Die evangelische Bilderfibel erregte das Interesse der Lehrer-
schaft in hohem Masse, teilweise fand sie auch scharfe Gegnerschaft. Vielfach machten die Kritiker den Fehler,
dass sie sich von vornherein auf die Auffassungsweise Ludwig Richters festlegten. Genau so, und in keinem
Punkt anders, hätten die Bilder sein müssen, das war der Ton, auf den diese Kritiken im allgemeinen
gestimmt waren. Dagegen ist zunächst zu sagen, dass die Richtersche Kunst als Kinderkunst heute
keineswegs als einwandfrei gilt (vergl. auch das Urteil von G. Pauli in der Besprechung über „Deutsche
Kunsterziehung“, das im nächsten Heft erscheint). Der grösste Fehler, der von vielen Kritikern gemacht wurde,
ist aber der, dass man die Bilder von seinem Standpunkt aus und dazu oft recht kleinlich beurteilte, ohne die-
jenigen darüber zu befragen, für die die Bilder bestimmt sind, nämlich die Kinder selbst. Diesem Fehler ist der
Verfasser dieser Abhandlung glücklich entgangen: er fasst seine Aufgabe tiefer und gründlicher auf als die
meisten Fibelkritiker, die ihre Stimme da und dort erhoben haben.
 
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