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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 4.1910

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Heft V (Mai 1910)
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Kolb, Gustav: Für einfache Schulverhältnisse
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Dauer der Kunstwerke
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https://doi.org/10.11588/diglit.34105#0075

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— G7 —

Gesetzt den Fall, ich stelle die Flasche auf einen erhöhten Platz vor die Schüler als
Klassenmodell auf, so werden die perspektivischen Verschiebungen um so weniger dem Auge
bemerkbar sein, je weiter der einzelne Schüler vom Gegenstand entfernt ist. Unser Beispiel ist
von der vierten Bankreihe aus gezeichnet und ist eine vollständig richtige Wiedergabe des
Gesehenen. Diese Erscheinung tritt selbstverständlich um so häufiger auf, je kleiner der
Gegenstand ist. Das lehrt uns Beispiel 3. Der Eimer ist ebenfalls von der vierten Bank-
reihe aus gezeichnet, zeigt aber die perspektivische Krümmung des oberen Kreises noch
ganz genau; die Kreise der Bodenfläche zeigen sich als wagrechte Linien deshalb, weil sie
in Augenhöhe des Schülers sich befanden.
Ganz dieselbe Erfahrung wie bei dem Eimer machen wir beim Zeichnen des Kruges,
während die Flasche in der zweiten Reihe wieder so klein ist, dass die perspektivischen Er-
scheinungen für den Schüler nicht mehr bemerkbar waren.
Unsere Abbildung enthält nun immer auch eine Zeichnung derselben Gegenstände,
wie sie dem Schüler erscheinen, wenn sie unmittelbar vor ihn auf den Tisch (als Einzel-
modell) gestellt werden. Hier ist er den Gegenständen so nahe, dass ihm die perspekti-
vischen Erschei-

nungen sehr
starkbemerkbar

Abbildung 6.

werden ; sein
Auge ist stets
über den Ge-
genständen , es
entstehen des-
halb perspekti-
vische Bilder,
die wir als
Draufsichten
bezeichnen.
Die Sache,
um die es sich
hier handelt, ist
also höchst ein-
fach und doch
scheint in vielen
Schulen ver-
kehrt gearbeitet
zu werden. Das
kommt daher:
Viele Lehrer
kommen von der
Vorlage nicht
weg und holen
sich Anregung
aus Leitfäden
mit Stoffsamm-
lungen, die
selbst die kras-
sesten Fehler
aufweisen, Aus¬


serordentlich
bedauerlich ist,
dass gerade die

Schiilerarbeit der Fachklasse für graphische Gewerbe der Münchner Gewerbeschule
(Leiter: Direktor Godron).

schlechtesten Leitfäden, wie z. B. der Luckow, den die Union vertreibt, sehr verbreitet
sind, nicht zuletzt deshalb, weil sie in amtlichen Schulblättern empfohlen wurden.

Merke dir aber: der Stoff an sich ist im neueren Zeichenunterricht Nebensache, denn
wir unterrichten nicht in neuen Stoffen, sondern in neuen Grundsätzen. Wichtig ist
auch nicht in erster Linie das äussere Ergebnis des Unterrichts, also die Zeichn ung, sondern
vor allem das selbständige Können, das der Schüler sich erwirbt. Ein lebensvoller Unter-
richt lässt sich also niemals allein nach den Zeichnungen beurteilen, die in der Mappe des
Schülers liegen, sondern vor allem nach dem, was der Lehrer an produktiver Kraft im Schüler
geweckt hat. Das zu erfahren, ist allerdings nur dem Visitator möglich, der einen tiefen Ein-
blick nicht nur in das Schulleben überhaupt, sondern insbesondere in die Psyche des Kindes
gewonnen hat. G. Kolb.

Dauer der Kunstwerke. Die alarmieren-
den Nachrichten über den bedenklichen Zu-
stand, in dem sich, wie die Prüfung einer
Kommission ergeben, das Gestein des Kölner
Domes befindet, haben die allgemeine Auf-

merksamkeit wieder auf die rasche Zer-
störung der Kunstwerke in moderner Zeit
gerichtet. Die Ausführungen des Chemikers
Wilhelm Ostwald dürften daher von Interesse
sein:
 
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