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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 4.1910

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Heft V (Mai 1910)
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Bekanntmachung der Ministerialabteilung für die höheren Schulen, betr. die Einführung eines neuen Lehrplans für das Freihandzeichnen
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Kolb, Gustav: Für einfache Schulverhältnisse
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https://doi.org/10.11588/diglit.34105#0074

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gellenderes Studium der Einflüsse der Luft,
des Lichtes und der Umgebung auf die Farbe
der Gegenstände. Stilleben. Figuren. Land-
schaften.
Wahlfreier Kurs für Klasse III—IX.
Der Lehrstoff entspricht demjenigen des
Pflichtunterrichts. Es kann hier auch Ge-
legenheit zum Modellieren und zu anderer
künstlerischer Betätigung geboten werden.
III. Erläuterungen.
1. Der Unterrichtsgang ist streng syste-
matisch, fortschreitend vom Leichteren zum
Schwereren, aufzubauen; dabei ist zu beach-
ten, dass der stufenmässige Fortschritt nicht
allein in der Stoffauswahl liegt, sondern auch
vornehmlich in den Anforderungen, die an
Auffassung und Darstellung gestellt werden.
2. Der Unterricht auf der Unterstufe ist
in der Hauptsache Massenunterricht, auf
diesen folgt Gruppen- und Einzelunterricht.
3. Auf allen Stufen ist von der Anschau-
ung des wirklichen vor die Schüler gestellten
Gegenstandes, nicht von Abbildungen auszu-
gehen. Auch die perspektivischen Gesetze
sind aus der Anschauung ab zuleiten.
Beim Massen- und Gruppenunterricht zeigt
der Lehrer, wenn nötig, den Weg der Lösung
einer Aufgabe in einer vor den Augen der
Schüler zu entwickelnden Wandtafelzeich-
nung. Als Vorbild für die Schüler soll jedoch
nicht diese Zeichnung, sondern der Gegen-
stand selbst dienen.
4. Auf allen Stufen ist auf die Gesetz-
mässigkeit und Zweckmässigkeit der Erschei-
nungen hinzuweisen.
5. Auf allen Stufen kommen neben den
Hauptaufgaben noch Uebungen im Gedächt-
niszeichnen und Skizzieren in Betracht.
Das Gedächtniszeichnen muss in enger
organischer Beziehung zum Unterricht stehen
Es hat hauptsächlich den Zweck, die während
und ausserhalb des Unterrichts gewonnenen
Vorstellungen zu klären und zu befestigen.
Das Skizzieren hat die Aufgabe, an schnelles
Erfassen und Darstellen des Charakteristischen
unter Verzicht auf Nebensächliches zu ge-
wöhnen. Der Weckung und Entwicklung der
erfinderischen und gestaltenden Phantasie ist
auf allen Stufen Beachtung zu schenken.
6. Begabte Schüler sind durch Erweiterung
der allgemeinen Klassenaufgabe und durch

Zwischenaufgaben zu fördern. Grosse Auf-
gaben, bei denen der Zeitaufwand nicht dem
zeichnerischen Gewinn entspricht, sind zu
vermeiden, ebenso Aufgaben, die über die
Fähigkeit der Schüler hinausgehen. In den
oberen Klassen kann innerhalb des vorge-
schriebenen Pensums die persönliche Neigung
der Schüler für irgend eine Technik oder
Aufgabenart berücksichtigt werden.
7. Zur Beurteilung des selbständigen
Könnens der Schüler sind von Zeit zu Zeit
Prüfungsarbeiten ohne jeden Einfluss
des Lehrers und in bestimmt festgesetzter
Zeit anfertigen zu lassen. Dieselben sind
vom Lehrer eingehend durchzusehen und auf
Grund seiner Aufzeichnungen und Korrek-
turen in der folgenden Stunde mit der Klasse
zu besprechen.
Zur freien zeichnerischen Betätigung ist
den Schülern die Führung von Skizzen-
büehern zu empfehlen. Da sie wertvolle
Anregungen für den Unterricht und reiche
Gelegenheit zu individueller Förderung bieten
können, hat ihnen der Lehrer die nötige Be-
achtung zu schenken.
Die Ziele des Zeichenunterrichts können
nur dann voll erreicht werden, wenn auch
in den wissenschaftlichen Fächern nament-
lich in der Mathematik und Naturkunde bei
allen sich bietenden Gelegenheiten das Z ei eb-
nen als AusdrucksmittelVerwendung
findet.
8. Die Benützung von Hilfsmitteln und
Apparaten, welche zu mechanischen Arbeiten
führen, muss ausgeschlossen bleiben.
9. Um Anschauungsmaterial für
Zwecke des Unterrichts, zur Einführung in
Stilkunde und die Kenntnis der wichtigsten
namentlich auch vaterländischen Kunstdenk-
mäler zu gewinnen, ist das Anlegen einer
Bildersammlung empfehlenswert. Das In-
teresse für Kunst und der Sinn für Natur-
schönheiten ist bei sich bietenden Gelegen-
heiten, namentlich bei Ausmärschen und Aus-
flügen, durch Besichtigung von Denkmälern
und Besuch von Sammlungen zu wecken und
lebendig zu erhalten.
10. Der obige Lehrplan iat in erster Linie
für realistische Vollanstalten berechnet; in
sinngemässer Anwendung gilt er auch für die
anderen höheren Schulen.

Für einfache Schulverhältnisse.
(Hiezu die Abbildungen am Schluss des Heftes.)
Vor einiger Zeit brachte mir ein Kollege von der Volksschule ein Blatt mit Schüler-
arbeiten, Silhouetten, nach Gefässen mit schwarzer Farbe gezeichnet.. Sämtliche Gefässe
waren wie Beispiel 1 unserer Abbildung gezeichnet, also genau so wie. eine geometrische
Projektion ohne irgendwelche perspektivischen Merkmale. Es erhob sich nun die Frage,
ob es richtig sei, Umdrehungskörper auf diese Weise im Freihandzeichnen darstellen
zu lassen.
Meine Antwort lautete: Ja und Nein, je nachdem.
Zunächst: wenn der Lehrer beabsichtigt, eine Masszeichnung eines derartigen Gegen-
standes anfertigen zu lassen — und das ist auch im Freihandzeichnen nicht ausgeschlossen .—
so wird er dabei selbstverständlich die projektive Darstellung anwenden. Aber auch beim
perspektivischen Zeichnen, bei dem er nichts anderes verfolgt, als den . Gegenstand so
wiedergeben zu lassen, wie er von einem Punkt aus erscheint, können sich solche Bilder
wie Beispiel 1 ergeben.
 
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