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Bund Deutscher Kunsterzieher [Editor]
Kunst und Jugend — 4.1910

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Heft VIII (August 1910)
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Wolfer, Emil: Der Baum
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Pudor, Heinrich: Festkarten und Zierkarten
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https://doi.org/10.11588/diglit.34105#0120

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derselbe ein Gesuch an den Gemeinderat, den grossen Kastanienbaum fällen zu
dürfen. Derselbe werfe zu viel Schatten in den untern Raum seines Hauses, welcher
als Werkstatt dienen soll. — Viele Wege jedoch führen zum Ziel und solange nicht
alle Wege versucht worden sind, ein solches Naturdenkmal der Gesamtheit zu er-
halten, kann nicht behauptet werden, seine Vernichtung sei zu entschuldigen. —
Unterdessen wurde das Gesuch des Schreinermeisters genehmigt und im Bericht
über die betr. Gemeinderatssitzung kommt dieser Beschluss in der Zeitung. Aber
die Leute rührten sich nicht. Das ist ja nicht so wichtig, ob da ein Baum steht,
oder auch keiner. Was geht das überhaupt uns an? — Doch einzelne dachten
anders. Ein junger Kunstschüler zum Beispiel, der bot seine ganze Kraft auf. Er
stellte in glühenden Farben die Pracht der Heimatstadt dar. Er wollte hinweisen
auf die Schönheit des lebendig Gewordenen und darauf aufmerksam machen, dass
es dieses Erbe nun auch zu erhalten gelte. Er befestigte dieses sein Bild an einer
Telegraphenstange in der Nähe unseres ehrwürdigen Baumes und schrieb darunter:
„Bürger! Eure Stadt wird einer ihrer Schönheiten beraubt, nebenstehender Baum
soll umgehauen werden. Wehrt Euch!“ — Die Augen der Vorübergehenden wollte
er zwingen, aufzusehen. Aber es wird ibn nichts nützen. Es wollen nicht alle wachen.
Es ist ihnen unbequem, gerüttelt zu werden, und vollends von so einem „jungen
Schwärmer“. Es bleibt nur die eine Hoffnung, dass der Bund für Natur- und
Heimatschutz in solchen Fällen künftig sein Wort mitredet und einfach erklärt:
„Solche Naturdenkmäler dürfen nicht zerstört werden, und diese geschändeten,
kahlrasierten Flussufer sind wieder neu mit Bäumen zu bepflanzen.“ Oder: „Wie
fein wäre es z. B., wenn auf Euren Kinderspielplätzen und Schulhöfen hier und da
auch Nussbäume stünden, edle Früchte tragend.“ Wenn die Mitglieder eines Ge-
meinderats in derartigen Fällen dann so freidenkend sind, die Ideen und Gründe
unserer grossen Vorkämpfer für Heimatschutz, Lichtwark, Schultze-Naumburg usw.,
nachzuprüfen und ihren eigenen Entschluss event. wieder zu ändern, so dienen sie
damit dem allgemeinen Wohl besser als durch Beharren auf einer momentanen
Entschliessung. — Es wäre dies nicht der erste Fall, dass Gemeinderatsbeschlüsse
abgeändert werden. Der Dürerbund z. B. hat sich schon mehr als einmal mit
bestem Erfolg an Gemeindeverwaltungen gewendet und überall bereitwillige Mit-
arbeiter gefunden. Sicherlich kann durch ein derartiges Zusammenarbeiten viel
Gutes geschaffen werden.
Wir Zeichenlehrer aber, die wir berufene Vertreter der Schönheit sein sollten,
nicht nur auf dem Papier, sondern in Wahrheit und Wirklichkeit, in der Kunst und im
Leben — wir sollten unsere Augen offenhalten, um derartige Fälle wie mit unserem
Kastanienbaum in Zukunft unmöglich zu machen. Wir sollten durch Wort und
Beispiel einer solch gedankenlosen Verarmung des Lebens vorzubeugen suchen und,
wenn einmal Not an Mann geht, dafür sorgen, dass das ganze Gewicht des Bundes
für Natur- und Heimatschutz eintritt für die berechtigten Interessen der Gesamtheit.
Es mag sein, dass dies vielen unbequem wäre. Allen denen, welche glauben,
die ganze Welt nur für ihre egoistischen Zwecke ausschlachten zu dürfen. Doch
das tut nichts zur Sache. Wir müssen es trotz allem fertig bringen, unsere Auf-
gabe zu erfüllen, eine Aufgabe, deren wir innerlich ganz gewiss sind, ohne uns
um die persönlichen Folgen zu kümmern. Emil Wolfer.

Festkarten und Zierkarten.
Von Dr. Heinrich Piidor.
Im Berliner „Kaufhaus des Westens“ fand vor einiger Zeit eine sehr reichhaltige Ausstellung
künstlerischer Festkarten und Besuchskarten statt, die auch historisch viel des Interessanten
bot. In positiver Hinsicht liess sie klar erkennen, dass der Farbenholzschnitt für diese
typographischen Arbeiten, und zwar von der Einsteckkarte, Klappkarte, Hebezugkarte (auf
diesem Gebiete wurde um 1800- 1820 sehr Erfreuliches geleistet), Tischkarte, Tanzkarte,
Gratulationskarte bis zur Festkarte das geeignete Reproduktionsverfahren ist, dessen Pflege
wir uns heute mehr als üblich liingeben sollten, während für Gedenkblätter und Besuchs-
karten der einfache künstlerische Satz am geeignetsten ist. In negativer Hinsicht aber
zeigte die Ausstellung durchgehends, dass der häufigste und gröbste Fehler darin liegt, dass
 
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