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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 4.1910

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Heft V (Mai 1910)
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Dauer der Kunstwerke
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Umschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.34105#0078

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vollständig, aber doch in so weitem Umfange,
dass ein erheblicher Vorteil erzielt werden
würde. Dass dieser Weg gangbar ist, geht
aus der Tatsache hervor, dass die rohe Kohle
wertvoller wird, wenn man sie verkokt. Man
gewinnt hierbei nicht nur Benzol und viele
andere Stoffe, welche die Grundlage unserer
Umschau. Zeiehenkurs in Dresden.
Den „Mitteilungen des Dresdener Zeichen-
lehrervereins“ entnehmen wir nachstehenden
Bericht.
Zu einer bedeutenden Veranstaltung ent-
wickelte sich der von Herrn P. Herrmann
geleitete Kursus für die Zeichenlehrer an
den höheren Schulen Sachsens, der in den
Michaelisferien in Dresden stattfand. Nam-
hafte Gelehrte und Künstler stellten ihre
Kraft in den Dienst der Sache.
Dr. W. Dohrn sprach über: Qualität als
Grundlage der ästhetisch-sittlichen Volks-
bildung. Er gab einen geistvollen Ueberblick
über die Entwicklung des deutschen Idealis-
mus und wies darauf hin, wie diese sich
immer mehr auf das Volkswirtschaftliche,
Künstlerische hinwende. Deshalb bewege
auch nach Jahrzehnten des ödesten Materialis-
mus, der in einen wahren Quantitätsdusel
ausartete, jetzt die Frage der Qualität in
immer grösserem Masse die Herzen. Die
Schulen, die diese Frage beantworten helfen
und das Sehen bilden, gewinnen an Einfluss,
wie die Statistik ausweist. Sie helfen mit,
unsere Industrie auf die Höhe des mittel-
alterlichen Handwerks zu bringen. Im Hin-
blick auf dieses Ziel und auf das Ringen
der Völker auf wirtschaftlichem Gebiete ist
die Behauptung gerechtfertigt, „dass der
Zeichenunterricht an unseren Mittelschulen
kein Fach, keine Nebensache, sondern Volks-
sache sei.“
Dies bekräftigte der Vortrag des Diplom-
ingenieurs Prof. Lewicki über: Rationelles
Gedächtniszeichnen als allgemeines Bildungs-
mittel. Der Vortragende forderte „Uebung
des bewussten Sehens“ und bezeichnete dies
als eine hervorragende Aufgabe des Eltern-
hauses und der Schule, ihre Lösung als eine
scharfe Waffe im Kampf ums Dasein. Ausser-
dem „müsse jeder Gebildete imstand sein,
seine mündlichen und schriftlichen Ausfüh-
rungen durch zeichnerisches Darstellen des
Gesehenen zu verdeutlichen“. Leider wird
auf den humanistischen Gymnasien die zeich-
nerische Ausbildung der Schüler nicht ge-
würdigt. „Es wird deshalb von der modernen
Welt der Technik und des von ihr getragenen
Verkehrs dringend Abhilfe verlangt.“ „Es
wäre geradezu als ein Kulturfortschriit zu
begrüssen, wenn in Zukunft bei den Reife-
prüfungen der Mittelschulen neben dem Auf-
satz in der Muttersprache auch der Nachweis
eines bestimmten Masses von Reife im Sehen
verlangt würde “
Aus der nachfolgenden Aussprache ging
leider hervor, dass Sachsen in bezug auf die
zeichnerische Vorbildung des Studenten am
tiefsten stehe und von Oesterreich weit über-
holt werde.

chemischen Industrie bilden, sondern auch
der kostbare gebundene Stickstoff der Kohle,
der beim gewöhnlichen Verbrennen rücksichts-
los verschwendet wird, kann gewonnen und
der Landwirtschaft, die nach ihm hungert,
zugeführt werden.

Geh. Hofrat Prof. H. Fischer bewies durch
Vortrag und Ausstellung, dass weder Lehrer
noch Studenten der Technischen Hochschule
des zeichnerischen Darstellens entbehren
können, dass dieses zur Erfassung des Wesens
der Gegenstände und zur Darstellung des
Wesentlichen notwendig sei. „Lichtbilder
haben, besonders wenn sie sich häufen, nicht
annähernd den Wert für den Studenten, wie
die zeichnerischen Definitionen, die vor seinen
Augen entstehen.“
Herr Medizinalrat Prof. Dr. Kunz Krause
sprach über: Forderungen für den Zeichen-
unterricht an höheren Schulen. Er beklagte
die Unfähigkeit der jungen Studierenden zu
schneller exakter Auffassung und zur graphi-
schen Darstellung des Beobachteten und be-
tont die Unentbehrlichkeit des struktiyen
Zeichnens auf den Gymnasien.
Diese Wünsche wurden stark unterstrichen
durch Geh. Medizinalrat Prof. Baum (Tier-
ärztl. Hochschule), welcher das Zeichnen als
das „wichtigste Hilfsmittel des Unterrichts
in der Anatomie“ schätzt. Ohne Zeichnen ist
beim Studium der Anatomie einfach nicht
auszukommen.“
Eine ausliegende Dissertation vorwiegend
zeichnerischen Charakters und die Tatsache,
dass an der Tierärztlichen Hochschule eine
Professur für lehranatomisches Zeichnen be-
steht, zeigten deutlich, dass die angeführten
Worte nicht nur Liebenswürdigkeiten und
Höflichkeiten für die Zuhörer bedeuteten.
An der Technischen Hochschule sind 40
v. H, an der Tierärztlichen Hochschule etwa
50 v. H. aller Studierenden auf dem huma-
nistischen Gymnasium vorgebildet. Die Schüler
dieser Anstalten sind nur bis V und IV ge-
zwungenem Zeichenunterrichte teilzunehmen.
Aus all den Klagen, Wünschen und Hoff-
nungen erwuchsen den Zeichenlehrern neue
Ziele und Pflichten, und es ist das hohe Ver-
dienst des Kursusleiters Herrn P. Herrmann,
diese den Teilnehmern in klarer, sachlicher
und lehrreicher Weise bezeichnet zu haben.
Er hat die überschwemmende Fülle neuer
Anregungen und Methoden im Zeichenunter-
richte wieder zurückgedämmt in ein festes,
vorwärtszwingendes Bett, in dem die Be-
wegung sicher und ohne Verzettelung der
Kräfte dem Ziele zufliessen kann. „Der
Zeichenunterricht muss den Schüler anleiten
zu klarer, sachlicher zeichnerischer Sprache,
allerdings in der Weise, dass für den Schüler
die Möglichkeit besteht, Empfindung hin-
einzulegen und — wenn möglich — auch
Künstlertum.“ Der Zeichenunterricht muss
dem deutschen Volke zu dem verhelfen, was
nottut, zu „dem guten Auge, das die Welt
erobert“.
 
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