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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 4.1910

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Heft VII (Juli 1910)
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Pudor, Heinrich: Mosaik-Malerei und Monumentalkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.34105#0101

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reformieren. Die Grundlagen der Kultur, die Menschen selbst müssen andere werden, müssen
erneuert werden. Erst aus einem neuen echten, religiösen (ethisch-religiösen) Leben können
der Kunst wieder solche Aufgaben erwachsen, dass sie wieder monumentalen Stil erhält.
Freilich darf man es beklagen, dass uns auch die Technik der monumentalen Künste
zum Teil verloren gegangen ist, vor allem die Technik der Fresko - Malerei. Und es liegt
durchaus nicht nur an unserem Klima, dass Freiluft-Wandmalereien nicht halten und dass
man schon längst nicht einmal den Versuch mehr wagt, sie auszuführen. Die Gründe liegen
vor allem darin, dass uns nicht nur der monumentale Stil, sondern auch das Handwerk in
der Malerei zu einem beträchtlichen Teile verloren gegangen ist, während die grossen
Fresko-Maler der italienischen Renaissance nicht nur Monumentalkünstler und Architekten
grossen Stiles waren, sondern
auch das rein Handwerkliche
ihrer Kunst von Grund aus
gelernt hatten und weiter
pflegten — man denke an
Lionardo und Michelangelo.
In der Tatist heute ebenso not-
wendig, dass das Handwerk im
allgemeinen wieder zu Ehren
kommt und das Handwerkliche
wieder fleissig gepflegt wird*),
wie dass wir wieder monu-
mentalen Stil bekommen und
zusammenzufassen lernen.
Vieles von dem im vor-
stehenden Gesagten gilt nun
auch von der Mosaikmalerei,
über die der Maler Professor
M. Seliger, Direktor der Aka-
demie für graphische Künste
in Leipzig im Dezember 1909
im Leipziger Kunstgewerbe¬
verein einen Vortrag hielt.
Er unterschied dabei das
klare Würfel- und Reihenbild
von dem Fugeribild, jenachdem
also mehr die farbige Fläche
oder die sich aus den Fugen
zusammensetzende Linie zur
Wirkung kommen soll. Das
Wesentliche und Charakte¬
ristische ist wohl offenbar das
auf die farbige Fläche den
Nachdruck legende Bild. Un¬
seres Erachtens traf aber Herr
Prof. Seliger hierbei nicht den
Kern der Sache. Die An¬
wendung der Mosaikmalerei
dürfte zwei Entstehungs¬
gründe haben, einmal nämlich
den, dass an den in Betracht
kommenden Räumen und
Flächen die Wandmalei ei
nicht hält, zweitens aber den,
dass in den hohen und schlecht beleuchteten, in der Tat immer im Dämmerlicht oder Halb-
dunkel liegenden Kircheninterieurs die Wandmalerei nicht zur Geltung kommen kann, während
die leuchtenden, glühenden Farbenflächen der Mosaikmalerei gerade in diesem Halblicht
zur Wirkung kommen. Man machte also bei der Anwendung der Mosaikmalerei aus der Not
eine Tugend, indem man auf den feuchten, im Halbdunkel liegenden Kuppelwänden in Mosaik
statt in flüssigen Farben malte**). Und etwas ähnlich liegt die Sache da, wo man das Mosaik
aussen an den Kuppeln anwendet, also namentlich in Russland (vergl. hierzu „Russische
Architektur“ vom Verfasser in Zeitschrift für die deutsche Bauindustrie, 23. Oktober 1903).
Die Haltbarkeit der Farben als Entstehungsursache spielt ja übrigens auch bei der Glasmalerei
und Opaleszentglasmalerei eine wesentliche Rolle.
Als Beispiele moderner Mosaikmalerei wurden u. a. erwähnt die Kapelle der Kaiser-
Wilhelm-Gedächtnis-Kirche in Berlin und das Musikzimmer im Deutschen Hause der Welt-

Abbildung 1.


*) Einige schätzenswerte Artikel über die Technik der Wandmalerei veröffentlichten die „Technischen
Mitteilungen für Malerei“ (Herausgeber: A. W. Keim in Grünwald bei München).
**) Dazu kommt, dass hier in den Kuppelwänden die scharfen Eugen der Mosaiken die Farben gleichsam
Zusammenhalten, während sie bei der Malerei in derartig gewölbten Flächen ineinanderfliessen.
 
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