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1. Was sollten clie Künstler?
a) Die Dibeibilder sollen zunächst den Schülern das Lesenlernen
erleichtern. Wir haben oben gesehen, warum dies so dringend nötig geworden
ist. Zum Glück sind wir nicht wie die meisten andern Fibeln dabei stehen ge-
blieben. Im Fibelbild kommt das Kind zum erstenmal offiziell in Berührung mit
der bildenden Kunst. Dies ist ein grosser Moment im Leben der Werdenden
oder sollte es sein. Verpassen wir ihn nicht! Wir alle wissen, wie unauslöschlich
tief die gefühlsstarken Vorstellungen in der Kinderseele haften, so dass wir uns
in späteren Jahren noch manche Vorstellungsbilder bis in die Einzelheiten hinaus
ins Gedächtnis zurückrufen können; wir wissen auch, dass die Gefühle eine Macht
sind, die durch ihre Aktivität zur Willenstat uns treibt. Der Verstand zeigt Ziel
und Weg, das Gefühl gibt Lust und Kraft zum Wollen. Damit ist dem einseitigen
Verstandes- und Gedächtniskult der Lehr- und Lernschule das Urteil gesprochen.
Nicht Lesenlernen um .jeden Preis mit allen möglichen und unmöglichen Mitteln,
in möglichst kurzer Zeit, sondern Gefühlswerte zu schaffen, ist das Ziel des modernen
Fibelunterrichts. Deshalb ist die
Fibel gewissermassen das erste
literarische Lesebuch von der
ersten Seite ab (die mechanischen
Leseübungen werden an die Lese-
maschine verlegt), deshalb muss
sie auch ein ästhetisch wertvolles
Bilderbuch sein. Massgebend für
Anlage und Aufbau sind aller-
dings psychologisch-methodische
Gesichtspunkte und dadurch un-
terscheidet sich die Fibel vom ge-
wöhnlichen Bilderbuch; aber die
Kunst ist nicht nur die Dienende,
sie hat im ersten Schulbuch auch
Selbstzweck:
b) Die Fibelbilder sollen den Kunstsinn im Kinde wecken und
pflegen.
Das Kind will aber nicht nur, vielleicht nicht in erster Linie ästhetisch ge-
niessen, es will sich auch künstlerisch betätigen. Viele der kleinen Künstler haben
eine wunderbare Gestaltungskraft, einige sogar einen hochentwickelten Formen- und
Farbensinn; manche allerdings sind phantasiearm, ihre Kunstsprache ist einsilbig
und eintönig — und bei manchen Lehrern ist’s ebenso. Und doch ist eben die
Märchenzeit der ersten Schuljahre mit ihrer freisprudelnden Lebenslust und tech-
nischen Zwanglosigkeit für die Persönlichkeitsprägung im allgemeinen und für die
planmässige Schulung von Auge und Hand im späteren Zeichenunterricht im be-
sonderen von unschätzbarem Wert. Nicht beengt von Lehr- und Stundenplan und
Prüfung können sich Lehrer und Schüler in freier Weise künstlerisch betätigen,
völlig dem inneren Drange folgend. Aber die Kleinen und Schwachen und Unselb-
ständigen, die zaghaft bekennen: Ich kann und weiss nichts? Die nimmt die Fibel
bei der Hand und sagt: Schau her, so wird’s gemacht (vergl. Fibel S. 87. Wie
man ein Kätzchen zeichnet); ’s ist ganz einfach, probier’s einmal.
c) Die Fibelbilder sollen zur Produktivität reizen und das tech-
nische Können fördern.
Wir sehen, dass die Aufgabe der Fibelkünstler sehr kompliziert war, dass
sie sich in ihrem künstlerischen Schaffen gar manchmal durch die Zweckgrenzen
beengt gefühlt haben mögen. Doppelt hemmend war aber die ungenügende mate-
rielle Grundlage (eine Volksfibel muss eine obere Preisgrenze haben), wodurch
die Produktions- und Beproduktionsmittel sehr beschränkt wurden. All diese
Gesichtspunkte sind bei einer gerechten Beurteilung zu beachten.
1. Was sollten clie Künstler?
a) Die Dibeibilder sollen zunächst den Schülern das Lesenlernen
erleichtern. Wir haben oben gesehen, warum dies so dringend nötig geworden
ist. Zum Glück sind wir nicht wie die meisten andern Fibeln dabei stehen ge-
blieben. Im Fibelbild kommt das Kind zum erstenmal offiziell in Berührung mit
der bildenden Kunst. Dies ist ein grosser Moment im Leben der Werdenden
oder sollte es sein. Verpassen wir ihn nicht! Wir alle wissen, wie unauslöschlich
tief die gefühlsstarken Vorstellungen in der Kinderseele haften, so dass wir uns
in späteren Jahren noch manche Vorstellungsbilder bis in die Einzelheiten hinaus
ins Gedächtnis zurückrufen können; wir wissen auch, dass die Gefühle eine Macht
sind, die durch ihre Aktivität zur Willenstat uns treibt. Der Verstand zeigt Ziel
und Weg, das Gefühl gibt Lust und Kraft zum Wollen. Damit ist dem einseitigen
Verstandes- und Gedächtniskult der Lehr- und Lernschule das Urteil gesprochen.
Nicht Lesenlernen um .jeden Preis mit allen möglichen und unmöglichen Mitteln,
in möglichst kurzer Zeit, sondern Gefühlswerte zu schaffen, ist das Ziel des modernen
Fibelunterrichts. Deshalb ist die
Fibel gewissermassen das erste
literarische Lesebuch von der
ersten Seite ab (die mechanischen
Leseübungen werden an die Lese-
maschine verlegt), deshalb muss
sie auch ein ästhetisch wertvolles
Bilderbuch sein. Massgebend für
Anlage und Aufbau sind aller-
dings psychologisch-methodische
Gesichtspunkte und dadurch un-
terscheidet sich die Fibel vom ge-
wöhnlichen Bilderbuch; aber die
Kunst ist nicht nur die Dienende,
sie hat im ersten Schulbuch auch
Selbstzweck:
b) Die Fibelbilder sollen den Kunstsinn im Kinde wecken und
pflegen.
Das Kind will aber nicht nur, vielleicht nicht in erster Linie ästhetisch ge-
niessen, es will sich auch künstlerisch betätigen. Viele der kleinen Künstler haben
eine wunderbare Gestaltungskraft, einige sogar einen hochentwickelten Formen- und
Farbensinn; manche allerdings sind phantasiearm, ihre Kunstsprache ist einsilbig
und eintönig — und bei manchen Lehrern ist’s ebenso. Und doch ist eben die
Märchenzeit der ersten Schuljahre mit ihrer freisprudelnden Lebenslust und tech-
nischen Zwanglosigkeit für die Persönlichkeitsprägung im allgemeinen und für die
planmässige Schulung von Auge und Hand im späteren Zeichenunterricht im be-
sonderen von unschätzbarem Wert. Nicht beengt von Lehr- und Stundenplan und
Prüfung können sich Lehrer und Schüler in freier Weise künstlerisch betätigen,
völlig dem inneren Drange folgend. Aber die Kleinen und Schwachen und Unselb-
ständigen, die zaghaft bekennen: Ich kann und weiss nichts? Die nimmt die Fibel
bei der Hand und sagt: Schau her, so wird’s gemacht (vergl. Fibel S. 87. Wie
man ein Kätzchen zeichnet); ’s ist ganz einfach, probier’s einmal.
c) Die Fibelbilder sollen zur Produktivität reizen und das tech-
nische Können fördern.
Wir sehen, dass die Aufgabe der Fibelkünstler sehr kompliziert war, dass
sie sich in ihrem künstlerischen Schaffen gar manchmal durch die Zweckgrenzen
beengt gefühlt haben mögen. Doppelt hemmend war aber die ungenügende mate-
rielle Grundlage (eine Volksfibel muss eine obere Preisgrenze haben), wodurch
die Produktions- und Beproduktionsmittel sehr beschränkt wurden. All diese
Gesichtspunkte sind bei einer gerechten Beurteilung zu beachten.