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müssen dafür sorgen, dass sie an solchen Einzeleindrücken sich erfreuen lernen.
Der Maler Schultze-Naumburg übertreibt, wenn er in seiner ,,Häuslichen Kunst-
pflege“ schreibt: „Das Auge ist für unsern Durchschnittsgebildeten nur noch ein
Organ zur geistigen Vermittlung von Gedrucktem und zur Verhütung des Anstossens
an Laternenpfähle auf der Strasse.“ Hinter den humoristischen Worten steht aber
doch die ernste Frage: Wieviel Menschen wissen ihre Augen so zu gebrauchen,
dass sie Freude, Genuss empfinden ? Wieviel glückliche Stunden könnten wir
haben, wenn wir die Kinderaugen, die Wunder schauen, uns erhalten hätten.
Wenige Fragen zu Beginn oder am Ende jeder Zeichenstunde genügen, um unsere
Schüler zum Sehen anzuregen. Wer hat gestern abend den Sonnenuntergang
gesehen? Im Stadtgarten steht an Stelle X eine sehr schöne Blumengruppe, wer
Abbildung 3.
hat sie schon gesehen? In der Strasse N, gleich neben der Schule, hängt über
die Mauer ein dichtes Geschling von Banken der wilden Bebe; seht euch einmal an,
wie schön das prächtige Bot zu dem Grau der Mauer und dem dunkeln Grün der
Tannen dahinter steht. Vielleicht kann uns der eine oder andere von euch das
nächstemal auch auf etwas besonders Schönes aufmerksam machen. — Nur wenige
Minuten für solche Anregungen, aber konsequent durchgeführt jede Woche — der
Erfolg wird nicht ausbleiben. Man kann einwenden: „Die Zeit für den Zeichen-
unterricht ist knapp bemessen, namentlich bei grossen Klassen kann man nicht
einmal wenige Minuten entbehren.“ Die „verlorene“ kurze Zeit kommt dem
systematischen Zeichenunterricht mit Zinseszins wieder zugute. Fast mühelos
erwirbt man sich durch solche Anregungen drei mächtige Heller: lebhaftes Inter-
esse bei den Schülern, Anteilnahme der Eltern und eine reiche Auswahl von
Naturobjekten, welche die Schüler jede Woche in den Zeichensaal bringen. Ich will
müssen dafür sorgen, dass sie an solchen Einzeleindrücken sich erfreuen lernen.
Der Maler Schultze-Naumburg übertreibt, wenn er in seiner ,,Häuslichen Kunst-
pflege“ schreibt: „Das Auge ist für unsern Durchschnittsgebildeten nur noch ein
Organ zur geistigen Vermittlung von Gedrucktem und zur Verhütung des Anstossens
an Laternenpfähle auf der Strasse.“ Hinter den humoristischen Worten steht aber
doch die ernste Frage: Wieviel Menschen wissen ihre Augen so zu gebrauchen,
dass sie Freude, Genuss empfinden ? Wieviel glückliche Stunden könnten wir
haben, wenn wir die Kinderaugen, die Wunder schauen, uns erhalten hätten.
Wenige Fragen zu Beginn oder am Ende jeder Zeichenstunde genügen, um unsere
Schüler zum Sehen anzuregen. Wer hat gestern abend den Sonnenuntergang
gesehen? Im Stadtgarten steht an Stelle X eine sehr schöne Blumengruppe, wer
Abbildung 3.
hat sie schon gesehen? In der Strasse N, gleich neben der Schule, hängt über
die Mauer ein dichtes Geschling von Banken der wilden Bebe; seht euch einmal an,
wie schön das prächtige Bot zu dem Grau der Mauer und dem dunkeln Grün der
Tannen dahinter steht. Vielleicht kann uns der eine oder andere von euch das
nächstemal auch auf etwas besonders Schönes aufmerksam machen. — Nur wenige
Minuten für solche Anregungen, aber konsequent durchgeführt jede Woche — der
Erfolg wird nicht ausbleiben. Man kann einwenden: „Die Zeit für den Zeichen-
unterricht ist knapp bemessen, namentlich bei grossen Klassen kann man nicht
einmal wenige Minuten entbehren.“ Die „verlorene“ kurze Zeit kommt dem
systematischen Zeichenunterricht mit Zinseszins wieder zugute. Fast mühelos
erwirbt man sich durch solche Anregungen drei mächtige Heller: lebhaftes Inter-
esse bei den Schülern, Anteilnahme der Eltern und eine reiche Auswahl von
Naturobjekten, welche die Schüler jede Woche in den Zeichensaal bringen. Ich will