Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend
— 4.1910
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https://doi.org/10.11588/diglit.34105#0089
DOI Heft:
Heft VI (Juni 1910)
DOI Artikel:Henrici, Karl: Ueber die Pflege des Heimatlichen im ländlichen und städtischen Bauwesen, 2
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der auf der andern Seite springt zurück, weil die neue Fluchtlinie das so vorschreibt.
Und da, wo sich die neue Fluchtlinie mit der alten deckt, musste das Treppchen
eingezogen und der gemütliche Sitzplatz vor der Haustür beseitigt werden. Das
wurde nötig, weil die neuen Strassenfluchten doch genau parallel angelegt und
sauber abgehobelt werden mussten. Das ist ein modernes Gesetz, ein Gesetz der
Gewohnheit, welches sich zwar in keinem Gesetzbuch gedruckt findet, das aber
trotzdem mit grösster Liebe und Gewissenhaftigkeit befolgt wird. Es gründet sich
darauf, dass jetzt alles, was ins Baufach fällt, ganz genau vorher gezeichnet und
berechnet werden muss. Wer aber nur eine Ahnung vom technischen Zeichnen
Abbildung 4.
Schülerarbeiten der Fachklasse für Ziselieren der Münchner Gewcrbeschule^tLehrer: Job. Vierthaler).
und Berechnungswesen hat, der weiss, dass gerade und parallele Linien sich am
Reissbrett mit der Reissschiene am bequemsten ziehen lassen, und dass die Berech-
nungen um so leichter anzustellen sind, je regelmässiger die Figuren und Körper-
gebilde sind, um deren Inhaltsbestimmung es sich handelt. Bei Befolgung des
Gesetzes der geraden Linie ist man auch aller weiteren mühsamen Gedankenarbeit
überhoben. Sie ist der kürzeste Weg zwischen zwei Punkten, und das genügt,
denn es leuchtet doch ein, dass jeder Mensch verrückt ist, der nicht stets den
kürzesten Weg sucht, um von einer Stelle zur andern zu gelangen!
Dieser Gesichtspunkt verlangt, noch etwas ausführlicher behandelt zu werden.
der auf der andern Seite springt zurück, weil die neue Fluchtlinie das so vorschreibt.
Und da, wo sich die neue Fluchtlinie mit der alten deckt, musste das Treppchen
eingezogen und der gemütliche Sitzplatz vor der Haustür beseitigt werden. Das
wurde nötig, weil die neuen Strassenfluchten doch genau parallel angelegt und
sauber abgehobelt werden mussten. Das ist ein modernes Gesetz, ein Gesetz der
Gewohnheit, welches sich zwar in keinem Gesetzbuch gedruckt findet, das aber
trotzdem mit grösster Liebe und Gewissenhaftigkeit befolgt wird. Es gründet sich
darauf, dass jetzt alles, was ins Baufach fällt, ganz genau vorher gezeichnet und
berechnet werden muss. Wer aber nur eine Ahnung vom technischen Zeichnen
Abbildung 4.
Schülerarbeiten der Fachklasse für Ziselieren der Münchner Gewcrbeschule^tLehrer: Job. Vierthaler).
und Berechnungswesen hat, der weiss, dass gerade und parallele Linien sich am
Reissbrett mit der Reissschiene am bequemsten ziehen lassen, und dass die Berech-
nungen um so leichter anzustellen sind, je regelmässiger die Figuren und Körper-
gebilde sind, um deren Inhaltsbestimmung es sich handelt. Bei Befolgung des
Gesetzes der geraden Linie ist man auch aller weiteren mühsamen Gedankenarbeit
überhoben. Sie ist der kürzeste Weg zwischen zwei Punkten, und das genügt,
denn es leuchtet doch ein, dass jeder Mensch verrückt ist, der nicht stets den
kürzesten Weg sucht, um von einer Stelle zur andern zu gelangen!
Dieser Gesichtspunkt verlangt, noch etwas ausführlicher behandelt zu werden.