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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 4.1910

DOI Heft:
Heft IX (September 1910)
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Bender, E.: Genie oder Fleiss
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https://doi.org/10.11588/diglit.34105#0132

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118

I

sich nicht viel von

Fig. 3.

gefallen. Mehrere
oft offenbarte sich
Ringen nach dem
Ausdruck. Wer

Die Figuren
„Landschulmädchen“
Fig. 2.

sehen, noch nicht der 10. Teil alles dessen sei, was das Mädchen in den letzten
2 Jahren gefertigt habe. Dazu ganze Skizzenbücher voll Zeichnungen.
8, 9 und 10 „Der kleine Maler“, „Stadtschulmädchen“ und
sind dem Skizzenbuch der damals 12jährigen Schülerin
entnommen. Beim Durchsehen dieser vielen Arbeiten
wurde mir ganz klar: Mühelos ist dieses grosse Können
dem Kinde nicht
Sachen wurden 5,

in den Schoss
6mal probiert;
ein zähes
richtigen
zählt die vielen misslungenen,
verschnittenen Arbeiten, die
in den Papierkorb und in den
Ofen wanderten'? Das Talent,
das diesem Mädchen ein gütiges
Geschick gegeben, das war
eine gute Beobachtungsgabe
— eine Gabe, die vielen ge¬
worden. Dass diese Gabe zu
solcher Entwicklung gelangen
konnte, dass die Hand ein so
sicheres und zuverlässiges Rüst-
zeug des Auges wurde, das
war allein Sache des Fleisses.
Die allerersten Arbeiten dieses Mädchens unterscheiden
guten Gedächtniszeichnungen anderer Kinder. Was ist der Lohn für solchen
Fleiss ? Ehrlicher Fleiss, wo er sich äussert, hat stets einen guten Einfluss auf
die Charakterentwicklung. Ich glaube aber, dass gerade diese Art von Fleiss, der
ohne Führung und Anspornung von Eltern und Lehrer auf ein bestimmtes Ziel in
reinster Freiwilligkeit und Selbständigkeit sich zeigt, eine ganz besondere Bedeu-
tung hat. Ich erinnere an die Worte des bekannten Jugendkenners Olfert Ricard *:
„Alles ist bei uns geordnet und geregelt, soweit die Schule in Betracht kommt.
Unsere Arbeit ist nach Stunden ein-
geteilt und wird aufs genaueste beauf-
B sichtigt. Der Lehrer ist gleich bei der
Hand, wenn wir Zurückbleiben wollen,
und der Vater versteht auch keinen
■r Spass, wenn etwas nicht in Ordnung
ist. Aber wer denkt daran, uns in
Beziehung auf unsere freie Zeit zu be-
^B9H|^B lehren? Und doch lässt sich nicht
leugnen, dass das Wichtigste in uns,
das eigentliche Vorwärtstreiben und
B Durchbrechen in unserer Entwicklung,
das was unsere ganze Sinnesart und
Lebensrichtung bestimmt und färbt, in
den Mussestunden vor sich geht, nicht
B auf der Schulbank. Und gerade da
^V^B sind wir eigentlich uns selbst iiber-
lassen. Die Art, wie wir als Knaben
unsere freie Zeit zubrachten, ist oft
entscheidend dafür, ob wir Männer
werden mit innerem Halt oder Rohre im Wind, die, weil innerlich hohl und
leer, von Anregung zu Anregung, von Genuss zu Genuss fliegen und die trotz
alledem ein freudeleeres Dasein führen.“ Vielleicht kommt noch die Zeit, in der



Jugendkraft" von O. Ricard.
 
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