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lerische Arbeit ist ernste Arbeit. Der Erfolg ist hinter den Schweiss gesetzt. Und
da wir es doch in der Hauptsache mit älteren Schülern zu tun haben, ist ein
ernster Unterrichtsbetrieb der einzig richtige. Das gedankenlos Spielerische hat
keinen Platz. Wir wollen etwas erreichen, wir wollen wirkliche Arbeit leisten.,
In einem meiner Zeichensäle ist als Motto an die Wand geschrieben: „Arbeit ist
des Bürgers Zierde“ usw. Ich möchte für unseren Unterricht ein anderes Wort
Schillers hersetzen: „ . . . . und dazu ward ihm der Verstand, dass er im innern
Herzen spüret, was er erschafft mit seiner Hand.“
In diesem Wort ist alles enthalten, was wir in unserem Unterricht brauchen:
Verstand, Herz und Hand. Der denkende Mensch arbeitet mit Verstand und Herz
und damit erreicht er das, was wir beabsichtigen. Der Künstler bearbeitet irgend-
einen Stoff. Ihn interessiert das Wesen. Hinter das sucht er zu kommen. Er
will das Charakteristische, Wesentliche — den Charakter —• auf die einfachste
Weise wiedergeben, durchdrungen von seiner Eigenart. Je vollendeter ihm dies
gelingt, desto grösser ist der Genuss und der Gewinn für den das Kunstwerk
Geniessenden. Die Gedankenarbeit des Künstlers ist für uns vorbildlich. Arbeiten
wir in der 1. Zeichenklasse an
Schmetterling, bemühen wir
uns in den folgenden Klas-
sen irgendeinen Natur- oder
Kunstgegenstand uns zu
geistigem Eigentum zu ver-
arbeiten, immer werden wir
das Charakteristische darzu-
stellen versuchen. Unsere
Schüler sollen geschult wer-
den, das Nebensächliche,
Zufällige, Unwesentliche aus-
zuscheiden. Dazu brauchen
sie den Verstand und
ihren Willen. Ohne diese gibt
es keinen Erfolg. Gefühl
und guter Geschmack
setzen erst nach der Ge-
einem Geräte, in der nächsten an einem Blatte oder
Fig. s.
dankenarbeit ein Aber sie sind unentbehrlich. Wäre aber allein das Gefühl mass¬
gebend, käme in den allerwenigsten Fällen etwas Gutes heraus. Verstand und Gefühl,
richtig geleitet und entwickelt, führen zum guten Geschmack. Das Gefühl für die ein-
fache, charakteristische Form, für Ordnung und Anordnung muss bei den allermeisten
Schülern erst entwickelt werden. Wir beginnen deshalb schon im ersten Zeichenjahr
mit Uebungen, welche Ordnung, Anordnung usw. zum Zweck haben. Dazu gehört vor
allem auch die Unterschrift und die Anordnung derselben in Grösse, Schriftart und
günstigem Platze auf dem Zeichenblatt. Die Freude und das Verständnis an der ein-
fachen Form und Darstellung ist ein Produkt der denkenden Arbeit, der guten Leitung
durch den Lehrer. Ist ein Schüler so weit gebracht, so ist schon die Hauptsache
gewonnen. Der gute Grund für alles Weitere ist gelegt. Diese Freude und das
Verständnis für die Einfachheit in Form und Darstellung ist bei unserer jetzigen
Generation eine Seltenheit. Sie findet sich nur bei Leuten, die mit Liebe und
Verständnis sich mit den Erzeugnissen der Kunst beschäftigen und künstlerisch
denken gelernt haben. Diese Leute sind auch unter den Kunstliebhabern, oder wie
man so sagt, unter dem „kunstliebenden Publikum“ ausserordentlich rar. Was der
grossen Mehrzahl immer noch ausnehmend gut gefällt, sind bis ins kleinste
Detail ausgeführte Sachen. Kunstwert, Qualität brauchen sie gar keinen zu haben.
Man sehe sich in seinem Bekanntenkreis, in den „Salons“ und „besseren Stuben“
um und wird staunen über die Unmasse ganz inhaltsloser „Kunstsachen“.
Es liegt uns deshalb sehr viel daran — und das ist ein Zweck unserer ganzen
Arbeit — der Jugend das Auge für Qualität zu stärken. Wir wollen ihre
lerische Arbeit ist ernste Arbeit. Der Erfolg ist hinter den Schweiss gesetzt. Und
da wir es doch in der Hauptsache mit älteren Schülern zu tun haben, ist ein
ernster Unterrichtsbetrieb der einzig richtige. Das gedankenlos Spielerische hat
keinen Platz. Wir wollen etwas erreichen, wir wollen wirkliche Arbeit leisten.,
In einem meiner Zeichensäle ist als Motto an die Wand geschrieben: „Arbeit ist
des Bürgers Zierde“ usw. Ich möchte für unseren Unterricht ein anderes Wort
Schillers hersetzen: „ . . . . und dazu ward ihm der Verstand, dass er im innern
Herzen spüret, was er erschafft mit seiner Hand.“
In diesem Wort ist alles enthalten, was wir in unserem Unterricht brauchen:
Verstand, Herz und Hand. Der denkende Mensch arbeitet mit Verstand und Herz
und damit erreicht er das, was wir beabsichtigen. Der Künstler bearbeitet irgend-
einen Stoff. Ihn interessiert das Wesen. Hinter das sucht er zu kommen. Er
will das Charakteristische, Wesentliche — den Charakter —• auf die einfachste
Weise wiedergeben, durchdrungen von seiner Eigenart. Je vollendeter ihm dies
gelingt, desto grösser ist der Genuss und der Gewinn für den das Kunstwerk
Geniessenden. Die Gedankenarbeit des Künstlers ist für uns vorbildlich. Arbeiten
wir in der 1. Zeichenklasse an
Schmetterling, bemühen wir
uns in den folgenden Klas-
sen irgendeinen Natur- oder
Kunstgegenstand uns zu
geistigem Eigentum zu ver-
arbeiten, immer werden wir
das Charakteristische darzu-
stellen versuchen. Unsere
Schüler sollen geschult wer-
den, das Nebensächliche,
Zufällige, Unwesentliche aus-
zuscheiden. Dazu brauchen
sie den Verstand und
ihren Willen. Ohne diese gibt
es keinen Erfolg. Gefühl
und guter Geschmack
setzen erst nach der Ge-
einem Geräte, in der nächsten an einem Blatte oder
Fig. s.
dankenarbeit ein Aber sie sind unentbehrlich. Wäre aber allein das Gefühl mass¬
gebend, käme in den allerwenigsten Fällen etwas Gutes heraus. Verstand und Gefühl,
richtig geleitet und entwickelt, führen zum guten Geschmack. Das Gefühl für die ein-
fache, charakteristische Form, für Ordnung und Anordnung muss bei den allermeisten
Schülern erst entwickelt werden. Wir beginnen deshalb schon im ersten Zeichenjahr
mit Uebungen, welche Ordnung, Anordnung usw. zum Zweck haben. Dazu gehört vor
allem auch die Unterschrift und die Anordnung derselben in Grösse, Schriftart und
günstigem Platze auf dem Zeichenblatt. Die Freude und das Verständnis an der ein-
fachen Form und Darstellung ist ein Produkt der denkenden Arbeit, der guten Leitung
durch den Lehrer. Ist ein Schüler so weit gebracht, so ist schon die Hauptsache
gewonnen. Der gute Grund für alles Weitere ist gelegt. Diese Freude und das
Verständnis für die Einfachheit in Form und Darstellung ist bei unserer jetzigen
Generation eine Seltenheit. Sie findet sich nur bei Leuten, die mit Liebe und
Verständnis sich mit den Erzeugnissen der Kunst beschäftigen und künstlerisch
denken gelernt haben. Diese Leute sind auch unter den Kunstliebhabern, oder wie
man so sagt, unter dem „kunstliebenden Publikum“ ausserordentlich rar. Was der
grossen Mehrzahl immer noch ausnehmend gut gefällt, sind bis ins kleinste
Detail ausgeführte Sachen. Kunstwert, Qualität brauchen sie gar keinen zu haben.
Man sehe sich in seinem Bekanntenkreis, in den „Salons“ und „besseren Stuben“
um und wird staunen über die Unmasse ganz inhaltsloser „Kunstsachen“.
Es liegt uns deshalb sehr viel daran — und das ist ein Zweck unserer ganzen
Arbeit — der Jugend das Auge für Qualität zu stärken. Wir wollen ihre