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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 11.1931

DOI Heft:
Heft 1 (Januar 1931)
DOI Artikel:
Frantzen, Wilhelm: Unsere Aufgabe und ihre Zukunft
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https://doi.org/10.11588/diglit.28010#0013

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Obslbaum. Arbeit desselben Schülers aus der Sexla nach der Umstellung



Obslbaum. Zeichnung eines Grundschülers
während der Aufnahmeprüfung für die Sexta

Obslbaum. Arbeit desselben Schülers aus der Sexla nach der Umstellung


diesen Jungen — abgesehen von der Lust am Schaf-
fen — von einer Reinheit der Gesinnung und Lei-
stung, wie wir sie noch beim Lernanfänger unbeküm-
mert aller Einflüsse finden, nicht mehr die Rede sein
kann.
Zwingt uns aber diese leidenschaftlich erregende
Erkenntnis nicht, das Steuer der Klasse erst einmal
mit unsern eigenen Händen zu ergreifen, damit wir es
ohne sonderliche Mühe in die ursprüngliche Richtung
zurückwerfen, aus der es verkitschte und schulmei-
sternde Erwachsene gerissen haben, um es dann erst
der Klasse zu überlassen?
Gewißl Es ist nicht leicht, in einem Augenblick be-
rechtigter Empörung Rücksicht zu nehmen auf diese
menschlichen Erziehungsmächte, die den Jungen lie-
ben und uns nicht begreifen. Gewißl Es ist peinlich
und auch nicht immer leicht, sich mit dem Schüler zu
unterhalten, worin der Unsinn besteht, den er sich
unter fremdem Einfluß in seiner Arbeit geleistet hat
und von ihm die plötzliche Umstellung auf eine Art
zu verlangen, die seinem Lebensgefühl und sei-
ner Wachstumsstufe entspricht. Trotzdem! Wir kom-
men an einer solchen „Belehrung" nicht vorbei. Ich
nahm sie während der letzten Aufnahmeprüfung für
die Sextaner etwa folgendermaßen vor.

Auf meine Anregung hin plaudern die Schüler mit
mir über das Wesen und die Ursachen des Stotterns,
des Geschwätzes und der klaren Rede. Wir stellen
fest, daß jeder Mensch von Natur aus eine eigene
Art hat sich auszudrücken. Wir sind alle einer Ansicht,
daß es nichts Lächerlicheres und im Grunde doch
wieder nichts Häßlicheres gibt, ah, wenn ein Mensch
einen andern nachmachen will, es aber nicht kann,
weil er eben dazu die Voraussetzungen nicht in sich
hat. Die Schüler bringen für diese Tatsache eine Menge
von Beispielen, die uns oft erheitern und unsere Kritik-
lust anregen.
So erzählt uns beispielsweise der kleine Müller von
einem Nachbarsjungen, der mal in Köln gewesen sei,
sich damit dicke täte und öfter mit größtem Ernst
rheinländisch sprechen wolle, was er als Heidjer aber
doch gar nicht könne, was man doch auch sofort
merke, und worüber er, der Müller, immer lachen
müsse. So erzählt uns der lange Schulze, wie er in
der Bürgerschule einmal eine Geschichte habe erzäh-
len sollen, und wie er gestottert und gequatscht habe,
weil er die Geschichte nicht gründlich genug durch-
gelesen und sie deshalb auch nicht recht verstanden
hätte. Genug! Ich erlaube mir die Frage, ob man im
Zeichnen denn auch stottern und quatschen könne.

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