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Bund Deutscher Kunsterzieher [Editor]
Kunst und Jugend — N.F. 11.1931

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Heft 1 (Januar 1931)
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Fiedler, Johannes: Bildende Kunst, Lehrfach der höheren Schule
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Wie sich Schüler über Kunstwerke äußern
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https://doi.org/10.11588/diglit.28010#0032

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In Sachsen wild er durch ministerielle Denkschrift
von 1926 angeregt. Ältere Zeichenlehrer teilen mit,
daß auch sie schon früher die Einführung des neuen
Fachtitels erwogen haben. Einige höhere Schulen ver-
wenden ihn bereits auf Lehrplänen und Zeugnissen,
ohne daß er beanstandet worden wäre.
Immerhin genügt es nicht, diesen Titel zu fordern
und zu führen. Seine Berechtigung muß vor allem be-

wiesen und gegen künftige Angriffe immer besser ge-
schützt werden.
Gründe des Gefühls dafür oder dagegen sind un-
brauchbar.
Einen einzigen Gefühlsgrund möchte der Verfasser
gelten lassen:
Recht oder unrecht, wenn er nur dem Vaterlande
nützt.

WIE SICH SCHULER UBER KUNSTWERKE AUSSERN*

Im Behnhaus. — Dom in Spalato
Von H. B. O II a.
Warum habe ich gerade dieses Bild ausgewählt?
Es fiel mir schon beim ersten Betrachten die Klar-
heit, die Deutlichkeit des ganzen Bildes auf. Mir gefällt
die Sicherheit des Künstlers, mit der er den Turm und
alle einzelnen Teile an seinen richtigen Platz gesetzt
hat, die Unzweideutigkeit, die auf dem Bilde zutage
tritt, die Einfachheit und die dadurch hervorgerufene
Wirkung des Bildes. Denn schon beim ersten Blick
fällt dem Betrachter der Turm ins Auge, der Turm be-
herrscht das Ganze. Und das ist doch das Ziel des
Künstlers gewesen.
Wie ist dies nun Karl Schmidt- Rottluff gelungen?
Zunächst durch den Aufbau, die Anordnung im Raum.
Der Turm befindet sich genau In der Mitte des Bildes
und reicht vom unteren bis zum oberen Rand. Somit
teilt er förmlich das Bild in zwei Teile, und die Häu-
serreihen müssen vor ihm zurücktreten. Sie versuchen
zwar sich wieder durch die Brücke zusammenzuhalten,
aber trotzdem beherrscht sie der Turm, er ragt als
Sieger über sie empor.
Durch die Wahl des Ausschnittes, durch die Anord-
nung des Turmes am Ende eines Straßenzuges hat der
Künstler bewirkt, daß die sonst wagerechten Linien
durch die Perspektive auf die Mitte zu laufen. Dadurch
werden die Blicke besonders auf den Turm gerichtet.
Neben diesen Linien sind nur wenige ausgesprochen
senkrechte Linien vorhanden. Die haben die Aufgabe,
den Turm, der als eine Einheit, als ein Pfeiler sich
gerade und senkrecht emporstreckt, in seinem Empor-
streben zu unterstützen und zu stärken.
Nun zur Farbe. Die helle, leuchtende, sehr auffällige
Farbe des Turmes hebt sich von der dunklen, teilweise
schwarzen Tönung der Häuser ab und bildet einen
scharfen Kontrast. Daß der Künstler die Häuser nur
als Rahmen für den Imin bedachtet, zeigt sich darin,
daß er sie nicht mit Einzelheiten versehen hat, wäh-
rend der Turm deren viele aufweist. Durch die Um-
rahmung des Turmes mit einem dunkelblauen Streifen
tritt dieser fast plastisch hervor. — Daß der Künstler
mit so einfachen Mitteln eine solche Wirkung erzielt
hat, erscheint mir bewunderungswürdig.
„Der Dom in Spalato."
Von D. N. O II.
Das Bild: Hochformat, drei Gebäude; ein Dom und
zwei im Vordergrund des Bildes stehende Häuser. Der
Künstler hat das Bild nicht ganz erfunden, ich meine
nicht in allen seinen Teilen. Er hat es insofern nicht
völlig erfunden, als es den Dom in Spalato gibt. Aber
er hat die Farben für sein Bild neu geschaffen und
vielleicht auch die beiden Häuser. Das Letztere ist ja
nur eine Annahme, da ich leider nicht weiß, wie die
Gegend um den Dom in Spalato herum aussieht. Aber
' Diese Aufsätze verdanken wir unserem Amlsgenossen Hans Pefers,
der am Kalharineum in Lübeck wirkt. Sie sprechen für sich. Leider
konnten wir die dazugehörigen Schülerzolchnungcn nicht wiedergeben.
G. K.

ich könnte mir denken, daß die Häuser wirklich erfun-
densind. Ich glaube: Ein Künstler darf zu dem, was er
in einem Bilde wiedergeben will, Neues hinzusetzen,
andere Farbtönungen geben, aber er soll den Charak-
ter der Sache treffen. Und das ist Schmidt-Rottluff
sehr gut gelungen. Das Thema: „Der Dom in Spalato."
Es ist ein Dom, der mit seinem reinen Glanze alles
überstrahlt. Wie ein großer Mahner und Wächter er-
hebt er sich hinter den zwei mächtigen dunklen Häu-
sern (wahrscheinlich Geschäftshäusern). Der Künstler
gibt dem Dom eine weiße, schimmernde Farbe, den
Häusern eine tief dunkelgrüne, oft fast schwarze Farbe.
Ein großer Kontrast. Aber herrlich für dieses Bild. Es
sind zwei Welten: eine dunkle, beängstigende und
eine reine, glückliche.
Warum mir dieses Bild gefällt? Warum ich gerade
dieses vor allen Bildern gewählt habe? Im Behnhaus
kam ich zuerst in das Zimmer, in dem das betreffende
Bild hing und es machte auf mich sofort einen beson-
deren Eindruck. Das Bild Ist In seinem Aufbau ge-
schlossen, die Gebäude sind fast wie aus einem Stück
gehauen. Obgleich wuchtig, sind Dom und Häuser
hoch, fast schlank. Ich könnte sie vielleicht mit einem
großen starken Nordländer vergleichen. Das Bild hat
wirklich einen wundervoll gegliederten Aufbau. Und
es liegt eine große Ruhe und Kraft über dem Ganzen.
Eine Harmonie. Es hat für mich etwas faßbares, klares.
Ich kann lange davorstehen und es betrachten. Es
schreit mich nicht an wie manch anderes Bild, vor dem
ich einen Augenblick stehe, den Kopf schüttele und
und dann weiter wandere. Ein wenig Feuer und Wild-
heit ist mir nicht zuwider, aber dieses Feuer, diese
Wildheit, darf nicht nur in Dissonanzen aufgehen.
Kubin: Schlachter!
Von E. G. Oll a.
Im zweiten Stock dos Bohnhausos, duicliuus unuul
fällig, in kleinem Format, zwischen vielen anderen
Zeichnungen, Lithographien, Radierungen, guten und
schlechten, hängt er: „Schlachter", Lithographie von
Kubin. Auf den ersten Blick: abstoßend. „Igittigitt"
wie die Damen sagen. Es scheint auch nur ein Versuch
zu sein, eine Studie, hingeworfen in einer schlechten
Stunde des berühmten Künstlers. Was sucht der hier?
Neben dem mächtigen „Mutter"-Bilde der Kollwitz.
Aber ich fühlte mich plötzlich bewogen, etwas näher
hinzusehen. Was mich bewog? Ich weiß es wirklich
nicht. Was mich bewog, mich besonders zum Zwecke
des Zeichenaufsatzes mit dem Bilde zu beschäftigen,
recht oft hierher zu gehen, um dieses glatzköpfige,
aufgeschwemmte Untier kennenzulernen? Ich weiß es
nicht. Ich weiß, daß ich etwas gemerkt habe während
dieser Zeit, etwas, das ich hätte gleich merken sol-
len, denn es stand sogar drunter, ich habe nämlich
gemerkt, daß diese Gestalt, die da so breit den Rah-
men füllt, ein Schlachter ist. Es stand zwar auch drun-
ter, aber ich wollte doch gern wissen, ob's stimmte.
Es war „Schlachter". Denn „ein" Schlachter ist falsch.
Es war nicht Schlachter K. aus der Y-Straße oder
Schlachter U. aus der W.-Straße, es war „Schlachter".

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