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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 11.1931

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Heft 3 (März 1931)
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Parnitzke, Erich: Vom "Goldenen Schnitt" und "Geometrischer Progression"
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Schamoni, Albert: Die Beurteilung der Leistungen im Zeichen- und Kunstunterricht
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https://doi.org/10.11588/diglit.28010#0090

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sehen, daß hier Manieren gelehrt werden, ohne daß
die innere Vorstellung sie zu erfüllen vermag. Als
positive Anregung: es sollte zumindest vorausgehen
der Appell an das allgemeinere Vermögen, die Vor-
stellung „Rund" (vorgebaucht und zurückgewölbt)
zu verwirklichen, wobei es denn zunächst sehr andre
primäre Formen geben wird, wobei die Verwirklichung:
gestuft und progressiv gestuft keinesfalls am An-
fang stehen wird, sondern pädagogisch auch als An-
regung eine späte Angelegenheit istl
Noch eine Folgerung aus der Übersicht der Sche-
mata: 8 ist eigentlich schon verfälscht, da die Strek-
ken als gleich-gültige Richtungsstriche gegeben sind.
8c zeigt die Durch-beurteilung ausgedehnt auch auf
die Striche, d h. das Anschwellen der Strichstärkenl-
Hier ist Anlaß, darauf hinzuweisen, daß historisch
in der zeichnerischen Verwirklichung das Beharrungs-
vermögen des gleichgültigen Richtungsstrichs fühl-
bar ist. Das neue Maß spricht sich zuerst aus in den
neuen Abständen, in den neuen Proportionen der Ab-
stände, nicht in der Veränderlichkeit des „Strich-Vor-
trags", Mit andern Worten: der Richtungs- und Grenz-
strich ist etwas Primäres, das sich lange erhält, auch
wenn die Ausdehnungsbeurteilung und die Farbbeur-
teilung schon weiter greift. Die letzte Konsequenz im
ausdehnungsveränderlichen Denken wäre die völlige
Entwertung des Konturs. Interessant ist es zu
sehen, wie gerade d a s in der „klassischen" Malerei
(16. Jahrhundert) förmlich vermieden wird, wie das
Problem der farbigen Durchbeurteilung zurücktritt,
nachdem die Proportionalität zum beherrschenden
Problem wird. Dazu noch 4 im Vergleich zu 3. Die
archaische Gliederung ist der Wechsel, Wechsel-der-
Farbe im Gleichmaß der Reihe. Es kommt dabei auch
zu einer reichlichen Verfeinerung der farbigen Glie-
derung. Man kann sagen: die höchste Ver-Iebendigung
der Urform 2 (Punktreihe usw.) durch koloristische
Farbgebung i s t erreicht worden; auch innerhalb die-
ser Phase (die das „Gleichmaß" nicht eigentlich ver-
läßt), konnte eine sozusagen „malerische" Kultur er-
blühen.
3, ebenso wie 10 soll nur deutlich machen, daß die
Veränderlichkeit der Proportionen, der Flächendimen-
sionen, zu einem neuen Wert werden kann, der für
sich spricht, der eine ausgesprochene farbige Wei-
terbeurteilung beinahe fürchten muß. So lange das
A-Gemeinte mit diesem Proportionen-Erlebnis ver-
knüpft ist, tritt die Farbe zurück, bis dahin, wo sie nur
koloriert, wo sie färbelt, ohne der Sprache der
Grenzverhältnisse hinderlich zu sein, wo sie diese
unterstreichen hilft! Wir finden in der klassischen

Malerei infolgedessen, wenn wir von den Primitiven
kommen, jene Verhaltenheit in der Farbe, jenes „maß-
volle" Umgehen damit, das auch einmal von dieser
Seite angesehen werden muß. Immer erst, wenn das
Proportionsproblem wieder zurücktritt (wie im 17. und
auch am Ende des 19. Jahrhunderts), wenn die Fragen
der statischen Komposition nicht mehr reizen, wird
die Farbe eigentlich frei. Im 17. Jahrhundert ist es
vorwiegend das Helldunkelproblem, das über den
„Bau" hinwegwolkt, im 19. das der „absoluten" Farbe.
26 zeigt das Schema einer Bildteilung in Form von
mehrfachen Streifen, Friesen. 25 berührt die eigen-
tümliche Staffelung, wie sie zuerst ausgesprochen
nach „Plänen" (Vorder-, Mittel-, Hintergrund) auftrilt,
wobei, was bei 26 gleichgültige Bodenstriche
b I e I b e n , bei 32 zum Mittelplan — proportional
zwischen Vorn und Hinten — führt, bei 25 schließlich
zu den progressiven Verkürzungen fortschreitet, die
Leonardo so deutlich beschreibt (Merkstellen fürs Auge
am „fliehenden" Boden in bestimmten Intervallen --
das noch grenzhafte Er-messen der „Tiefe"). Es soll
hier nicht weiter auf diese Dinge eingegangen wer-
den. Es sei genug, wenn der Zusammenhang ersehen
wird, der schon im frühen Stadium innerhalb der (ge-
genüber dem primitiven Denken) neuen Proportionie-
rung besteht. Tatsächlich gibt es zunächst nur eine
beschränkte Anzahl von „Plänen" (wenigstens im Sü-
den; der Norden verfährt zunächst anders), mit der
Tendenz, Grenzhaftigkeit zu wahren. Infolgedessen
wird zum „Gegenstand der Darstellung" mit Vorliebe
gewählt, was begrenzt bleibt: Der Mensch im archi-
tektonischen Raum! — Sobald die Gliederung durch-
gebildet wird über das Drei-pläne-problem hinaus zur
kontinuierlichen Progression (was 25 bereits andeutet),
verlieren die Grenzen ihren Sinn (praktisch lassen sich
eben nicht Striche und Flecke immer kleiner — bis
ins Unendliche — machen), d. h. es tritt die Licht-
färbe die Führung an. — Eine Aufgabe, etwa die in
die „Tiefe führende Allee" grenzhaft zeichne-
risch zu lösen, wie sie immer wieder in Leitfäden
neuaufgewärmt wird, ist und bleibt ein Nonsens, ein
Zeichen von Unkenntnis der Sache. Gewiß hat es
„Fluchtpunkte" in der Renaissance gegebenl Niemand
aber ist es eingefallen, b i s zum „Fluchtpunkt" hin zu
marschieren mit „Gegenständen". Die bildnerische
Disziplin liegt bei der Wahrung der „Pläne". So lange
das nicht eingesehen wird, gibt es wahrscheinlich die
Eisenbahnschienen und Alleen immer wieder a I s
bildnerische Monstra und mathematische Spe-
kulationen, die eben am Bild-bilden vorbeiführenl
Diese Fragen verdienen indes eine besondere ein-
gehende Betrachtung.

ALBERT SCHAMONI, STUDIENREFERENDAR, DORTMUND:"
DIE BEURTEILUNG DER LEISTUNGEN IM ZEICHEN- UND KUNSTUNTERRICHT

„Eine ganze junge Welt in Blüte seßt Früchte an.'1
Jean Paul „über Glück und Wert der Jünglinge jeßiger Zeit."
Das Beobachtungsvermögen auszubilden,
wurde früher als die Aufgabe unsers Unterrichts be-
trachtet. Ordnung und Sauberkeit, Fleiß und Aufmerk-
samkeit waren Früchte, die dabei noch fürs Leben ab-
fielen; und nicht zu vergessen, „der gute Geschmack".
Durch die Psychologie wurde eine Änderung her-
beigeführt. Gewissenhafte Statistiker traten auf den
Plan, mit reichem Material versehen. Man unterschei-
* Man kann im Zweifel sein, ob wir in K. u. J. auch Referendare zu
Wort kommen lassen sollen/,Idi möchte das für einen solchen Einzel-
fall, wie es hier vorliegf, bejahen Es ist gewiß auch für den erfahrenen
Kunstiehrer recht aufschlußreich, wie ein angehender Kunsflehrer
über die überaus schwierige und bedeutungsvolle Frage der Beur-

det zwischen Beobachtung und Vorstellung; „die
Gesichtssinnesvorstellungen ausbilden" lautete die
neue Parole, das Gedächtniszeichnen wurde Trumpf.
Das praktische Leben erhob seine Forderungen, und
das technische Fach erfüllte sie, so gut es ging. Jeder
Lehrer machte in Psychologie und suchte möglichst
schnell zwar, aber psychologisch gewandt seine
Schüler die Stufenleiter hinaufzuführen, welche die
Statistiker zurechtgezimmert hatten. Die Zusammen-
fassung und zugleich Erledigung aller früheren Ver-
suche, die Entwicklung der Darstellungsformen zu be-
teilung der Schülerarbeifen denkt. Zum Mindestens regen solche Be-
mühungen zum Nachdenken darüber an, was richtig gesehen ist und
was allenfalls noch übersehen isl. Der Verfasser weiß auch sehr wohl,
daß er heule noch nichts Abschließendes sagen kann. G. K.

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