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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 11.1931

DOI Heft:
Heft 12 (Dezember 1931)
DOI Artikel:
Exner, F. K.: Deutsche Weihnacht
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https://doi.org/10.11588/diglit.28010#0322

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Zu dem Bericht:
Deutsche Weihnacht von F, K, Exner


F.K.EXNER, SCHLEUSINGEN (THÜRINGEN): DEUTSCHE WEIHNACHT

Man erschrecke nicht — was dort aufleuchtete in
der Kirche einmal in Uberglut an Farben und
Licht und dann geradezu erschütternd ernst wie unter
schwerstem Leid, das könnte man bei oberflächlichem
Betrachten fast als Passionsbühne ansprechen. Und
dennoch ist dies Spiel nichts anderes, als die Offen-
barung der Liebe in der Geburt eines Menschenkin-
des, das zugleich Gottes Sohn ist. Uber seinem Leben
aber liegt schon beim Beginn das ernste Schicksal,
der schwere und doch so schöne Weg des Menschen,
der aus Liebe handelt, nicht aus Eigennutz und der
darum oft, nur zu oft falsch verstanden und zuletzt
von denen, welchen er Gutes tat, gekreuzigt wird.
Es ist gar nichts Besonderes, daß um die Weih-
nachtszeit Krippenspiele gespielt werden, Texte, gute
und schlechte gibt es übergenug, es mangelt auch
nicht an Spielern, die aus Hingabe an die Idee oder
aus Eitelkeit gern eine Rolle spielen. Was gerade uns
als Schulgemeinde zu diesem Spiel trieb, war nicht
Gefühlsduselei, sondern der Wunsch, unsere Lernarbeit
schöpferisch und als Gemeinschaftsarbeit im wahrsten
Sinne des Wortes zu gestalten und zum andern, uns
mit unserer Schularbeit in den Dienst der Umwelt zu
stellen und denen eine Weihnachtsfreude zu bieten,
welchen die Armut nicht einmal zum Fest ein ein-
faches Lichtlein gestattet.
Schönstes Schenken ist Uberraschenl Der Gedanke
fiel bei allen Schülern und Schülerinnen immer auf
fruchtbaren Boden; und nun fingen sie von sich aus
an zu arbeiten.
Wir erleben das „Gig-gag" — Luthers Geburtstags-
fest, in jedem Jahr im Laternenzug der Kinder durch
die Straßen der Stadt. — Nur das Sonnenlicht hinter
Glasfenstern läßt noch stärker Farben funkeln, als dies
Gewimmel von Licht hinter buntem Papier.
Größtes Licht brauchen wir: Wir bauen eine große
Laterne, eine Spielfläche aus lauter leuchtendem Glasl
Wer bezahlt's? Ist das praktisch?? Nun, dann aus Pa-
pier, — aber das reißtl Dann wird es eben stark ge-
macht und mit Vorsicht behandeltl Gut, aber groß,
riesengroß muß es seinl Und was soll darauf? Drei,
vier Ideen sind sofort da, andere grübeln.
Wettbewerb! Zwei Stunden stille Arbeit, dann ge-
meinsame Kritik,„vier Entwürfe in die engere Wahl,
neue Durcharbeitung, wieder gemeinsame Kritik. Der
Würfel fällt, das erste Konkretum ist da. Nun Einteilen

in Arbeitsgruppen: Zusammenstellung alles erreich-
baren farbigen Seidenpapiers, Vergrößern des Entwur-
fes, heranschaffen von Schablonenpapier, von Leisten,
Werkzeug (wir haben keins, Handfertigkeitsunterricht
gibt es noch nicht bei unsl). Hie Zeichner, hie Zim-
merer. Detailentwürfe, denn nur die großen Formen,
die Grundzüge sind da. Ein Gewimmel und Gehaste,
fast scheint die gewohnte Ordnung und Ruhe in die
Brüche zu gehen — und doch verläuft alles planvoll —
Unterprima und Oberprima kombiniert in jeder Woche
ganze 45 Minutenil! Wir sind Gymnasium. Wir arbeiten
V/j: Jahre, Woche für Woche 45 Minuten und manch
unbeachtete Überstunde dazu. Es ist nicht immer
leicht, alle bei der Stange zu halten, Jugend will Ab-
wechslung, will schnelle Erfolge sehen. Und doch, —
sie muß Zähigkeit lernen, Treue im Durchhalten, Opfer
bringen, sich einfügen, Ordnung halten, gehorchen,
sonst bricht sie zusammen, v/enn die Belastungsprobe
kommt — und die kommt heute so schwer und so
gewiß, wie selten zuvor.
Stück für Stück entsteht, wird probeweise zusam-
mengesetzt und wandert in den Abstellraum. VI und
V bauen derweilen Laternen, der Schulchor und das
Orchester stellt sich auf das Spiel ein, der Kirchen-
chor wird dazu geworben, und aus allen Klassen der
Schule erwächst eine freiwillige Spielschar. Niemand
sieht die fertige Bühne ganz, wir alle wollen uns auch
selbst beschenken lassen durch den Erfolg unserer
Arbeit. Selbst die kecksten Lästermäuler schweigen,
wenn das Gespräch auf unser Spiel kommt; alle, ohne
Ausnahme sind in seinem Bann. Einzelproben, Grup-
penproben, Spaziergänge und Debatten über die sich
ergebenden Probleme innerlicher und äußerer Art.
Es kostet Zeit, Zeit, Zeitl
Schnee fällt. Abend vor dem 3. Advent 1930. Aus
allen Dörfern der Umgegend kommen die Landschulen.
Ganz dunkel ist es in der Kirche, nur der Chruzifixus
glüht tief gelb-rot und zwei Adventskränze spenden
mit ihren Kerzen nötigstes Dämmerlicht. Es wimmelt
von Kindern und es kommen immer noch mehr. —
Da — ganz leise die Orgel, — alles verstummt. Tie-
fen Sinn hat es, als der Verkündigungsengel das himm-
lische Licht, das er bringt, auf den Altar stellt und dann
seine Gefährten es weiter tragen, die Altarlichter
entzünden — die verlöschen, wenn Christus, das Licht
der Welt, geboren ist —• und dann das Licht der Ge-

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