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Bund Deutscher Kunsterzieher [Editor]
Kunst und Jugend — N.F. 11.1931

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Heft 1 (Januar 1931)
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Zum Nachdenken: von der Seligkeit des Schauens
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Sprechsaal / Buchbesprechungen / Schreibe in Angelegenheit
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https://doi.org/10.11588/diglit.28010#0035

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Eifer in die Botanik, Zoologie oder Astronomie ver-
führte! Die aus sich selber leuchtende Wolke — von
den Alten „Nimbus“ genannt —, welche die Bilder
der Welt sänftigend und verklärend umschleiert für
den Erotiker, verdampft und zergeht am ätzenden
Stoff des Verstandes vor den Neugierblicken des
Forschers. Um zu finden und festzuhalten, was
allein zu finden und zu befestigen ist, den harten und
abgesonderten Kern, hat der Geist schon hinwegge-
wischt das niemals fassende: den lösenden und ver-
schmelzenden Flor, der nur dem Mitternachtsauge der
Seele leuchtet.
Aus Ludwig Klages: „Der Geist als Widersacher der Seele." (Bei
Job. Ambrosius Barth, Leipzig.)
Zur Symbolforschung Bachofens.
Die Fähigkeit zur Bildempfängnis fällt in das Bereich
des Wahrnehmens, den die Tiere mit dem Menschen
teilen, in dem sie ihm sogar, was Sinnesschärfe an-
belangt, weit überlegen sind. Aber kein Tier hat eine
Witteiung für das, was ein Symbol ist. Beim Men-
schen findet in dem tierischen Vermögen des Wahrneh-
mens etwas höchst Außertierisches statt, insofern der
Vorgang des Hörens, Riechens, Tastens oder Schmek-
kens mit der Fähigkeit sich verbindet, dieser erleben-
den Aneignung durch die Sinne einen Sinn einzuver-
leiben. Das sinnenfällige Bild wird daher in einer
triebhaften Schicht des Erlebens, die mit der Vor-
stellungstätigkeit des Verstandes nicht das mindeste
zu tun hat, von einem Sinn erfüllt, wird zum Sinnbild,
zum Symbol. Dadurch erlebt der primitive vorstellungs-
lose Mensch seine Umwelt in einer Bedeutung, die
dem Tiere völlig fremd ist, weil es Im Sehen, Wittern,
Hören und Tasten nur wahrnimmt, aber nicht sinnbild-
lich erschaut. Es handelt sich dabei nicht um einen
entfernt selbständigen, gedanklich abgezogenen Sinn,
sondern eben nur um den Sinn, den das Bild besitzt,
in dem Augenblick und so lange es angeschaut oder
sonst irgendwie gespürt wird. Der Vergleich deckt
sich vollkommen: das Sinnbild ist der Bildsinn und der
Bildsinn ist das Sinnbild. Das Symbol ist vollständig
abgetrennt von der Ausübung des Verstandes und
dessen Fähigkeit zur Bildung von Vorstellungen und
Begriffen. Diese Fähigkeit zur Bildempfängnis mitten in
einem rein vegetativ gearteten Dasein, so daß das Para-
doxon gelten mag, je ungebildeter, desto bildempfäng-
licher, hat Bachofen für das menschliche Seelenleben
entdeckt. Es bedurfte seines kombiniert historisch-ethno-
logischen Gefühls, um der bisherigen verflachenden
Verkennung des Symbols durch die Ästhetik ein Ende zu
bereiten, wonach das Symbol nur eben wie ein an-
genehmer Blumen- oder gar Bratenduft über den Din-
gen der Tat und der Arbeit schwebte, als eine un-
verdient sonntägliche Zugabe und jedenfalls eine
letzte Verschönerung — ein Dank des Lebens viel-
leicht, aber keine seiner Notwendigkeiten. Im Gegen-
teil, ruft Bachofen aus: das Symbol ist das überhaupt
Erste, in einem Leben, das der Mensch in seiner Eigen-
schaft als Nicht-mehr-Tier besonders führt. Und so
weiß denn Bachofen etwas wesentliches, was auch
Goethe so noch nicht weiß: im Anfang war nicht das
Wort und nicht die Kraft und nicht die Tat, wie die
Bibel und Faust wollen: im Anfang war das Bild.
Etwas war längst in der Seele Bild, ehe es im Ver-
stände Begriff war, auf dem tiefsten Wesensgrunde
der Menschenseele ruht das Symbol. Diesem Beweis
dankt Bachofen seinen Eintritt aus den Vorhöfen der
Fachgelehrten in den Saal der Philosophie.
Seine Symbolpsychologie weist hin auf den neuen
Weg, der zur menschlichen Seele, zur Nur-Seele, zum
nicht denkenden, nicht messenden, nicht wollenden,
vielmehr zum nur schauenden, zum reinen Gefühls-
leben führt. Symbole sind Haftpunkte und
Sammelstellen für Gefühle, die auf diese
Weise daran verhindert werden, uferlos zu verströmen.
34

Von Gedanken über die Natur sind die durch sio er-
regten Gefühle zu unterscheiden. Dann aber gilt:
Naturgefühle sind von s y m b o I f ö r m i g e r
Beschaffenheit und treten gar nicht an-
ders auf als gestaltet.
Kein Gedanke oder Begriff erfüllt die Seele des
Primitiven.
Die Urreligion als solche verläuft gedankenlos. Sie
wird erfüllt vom Gefühl des Schicksals. Dieses Erleben
des Schicksals spielte sich nicht vorstellungsmäßig ab,
sondern als ein Innewerden von Bildern, die im irdi-
schen Schauplatz auftraten und in diesem Zusammen-
hänge nichts mehr noch weniger als eine kosmische
Mission erfüllten. Das ungeheuer Anschauliche primi-
tiven Erlebens, durch nichts Rationales verdünnt noch
verkleinert, leitete und übertrug den Fluß planeta-
rischen Geschehens auf Menschenseelen.
Zu arm ist die menschliche Sprache, um die Fülle
und Ahnungen, die der Wechsel von Tod und Leben
wachruft, und jene höheren Hoffnungen, die der Ein-
geweihte besitzt, in Worte zu kleiden. Nur das Sym-
bol und der sich ihm anschließende Mythus können
diesem edlen Bedürfnis genügen. Das Symbol eiweckt
Ahnung, die Sprache kann nur erklären. Das Symbol
schlägt alle Saiten des menschlichen Geistes zugleich
an, die Sprache ist genötigt, sich immer nur einem
einzigen Gedanken hinzugeben. Bis in die geheimsten
Tiefen der Seele treibt das Symbol seine Wurzel» die
Sprache berührt wie ein leiser Windhauch die Ober-
fläche des Verständnisses. Jenes ist nach innen, diese
nach außen gerichtet. Nur dem Symbol gelingt es,
das Verschiedenste zu einem einheitlichen Gesamt-
eindruck zu verbinden. Die Sprache reiht einzelnes
aneinander und bringt immer nur stückweise zürn Be-
wußtsein, was, um allgewaltig zu ergreifen, notwendig
mit einem Blicke der Seele vorgeführt werden muß.
Worte machen das Unendliche endlich, Symbole ent-
führen den Geist über die Grenzen der werdenden
Welt in das Reich der unendlichen Welt. Sie erregen
Ahnungen, sind Zeichen des Unsagbaren, unerschöpf-
lich wie dieses, mysteriös, wie notwendig und ihrem
Wesen nach jede Religion, eine stumme Rede, unzu-
gänglich dem Spotte und Zweifel, den unreifen Früch-
ten der Weisheit.
Entnommen dem Werk: „Johann Jakob Bachofen und das Nalui-
symbol", ein Würdigungsversuch von Karl Albiechl Bemoulli (veilegl
bei Benno Schwabe & Co., Basel).

SPRECHSAAL
Nochmals: „Kunsterziehung und Nalursludium im
Zeichenunterricht"
Zur Anmerkung der Schriftleitung auf Seite 302, 1930.
Meine Ausführungen in dem Aufsatz „Kunsterziehung
und Naturstudiüm im Zeichenunterricht" machen offen-
bar eine Ergänzung notwendig. Sonst wäre es wohl
nicht möglich, daß ich so bald schon mißverstanden
werden konnte. Gleich im 3. Abschnitt, der dem Auf-
satz folgenden Nachschrift von Prof. Kolb tritt das
Mißverständnis offen zu Tage. Hier scheint er der
Meinung zu sein, ich wolle „ohne Bedenken“ das
naturgestaltende Kunstwollen des Erwachsenen auf
das Kind und den Jugendlichen übertragen. Das ist
ein 'Irrtum. Ich glaube gerade an dem Unterrichts-
beispiel vom Beil gezeigt zu haben, daß das nicht so
ist. Aber werden etwa irgendwo in der Erwachsenen-
kunsterziehung in dieser Art Beile gezeichnet? —- Die
Beobachtung, die ich immer wieder machte, daß das
Kind von sichaus die Natur gestalten
will, ist der Ausgangspunkt meiner Gedankengänge.
Für den „psychologisch eingestellten Erzieher" scheint
mir diese Erkenntnis wichtig genug. Es ist allerdings
eine Beobachtung, die jeder andere normale Mensch
 
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