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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 11.1931

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Heft 8 (August 1931)
DOI Artikel:
Lorenz, Ernst: Fotographie und Kunstunterricht
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Zacharias, Alfred: Ewige Formen
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https://doi.org/10.11588/diglit.28010#0224

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men ist. Besonders vor kunstgeschichtlichen Baudenk-
mälern und Plastiken ist dieser Hinweis angebracht
und notwendig; denn die Richtungstendenz der ein-
zelnen Kunststile differiert, und die Wahl des Stand-
ortes wirkt stark bestimmend auf die gültige Ansicht.
Ich verweise hier auf einen Aufsatz von Wertheimer
„Zur Ästhetik photographischer Aufnahmen von Bau-
denkmälern durch Lehrer und Schüler" in der aus-
gezeichneten Zeitschrift „Die Schulphotographie"
(Verlag Weidmannsche Buchhandlung), die jedem
Kunsterzieher, der die Photographie in seinen Stoff
einzubeziehen gedenkt, empfohlen werden kann.
Bei der Durchnahme der Gesetze der konstruktiven
Fluchtpunktperspektive empfiehlt sich die Erwähnung
der photographischen Kamera als künstliches Auge.
Hier können Photographien mit unwahrscheinlicher
Tiefenwirkung zur Illustration der Wahl eines falschen
Standunktes herangezogen werden. Andererseits die-
nen die Gesetze des perspektivischen Sehens zur
Einführung in das Raumproblem, wie überhaupt zwi-
schen den Gesetzen der Perspektive und den opti-
schen Vorgängen bei der Photographie Verwandt-
schaft besteht.
In Verbindung mit dem praktischen Zeichnen tritt
die Photographie dort, wo es sich um das rein dar-
stellende Zeichnen handelt, wie wir es im Kunstunter-
richte als Vorbereitung für das Studium einzelner Be-
rufszweige (Medizin, Naturwissenschaften betreiben
müssen. (Das letzte Mitteilungsblatt unseres Verban-
des brachte eine kurze Erwähnung dieses Stoffgebie-
tes.) Hier kann sowohl die Photographie als Grund-
lage und Vorbild für ein zu zeichnendes Schema ver-

wandt werden, wie auch einer Zeichnung ergänzend
zur Seite treten. Anleitung zu derartigen photogra-
phischen Arbeiten enthält die obenerwähnte Zeit-
schrift in mehreren Aufsätzen, besonders verweise
Ich auf eine Einführung in das Photographieren mit
unsichtbaren Strahlen in Heft 6.
Mit der Anfertigung solcher Aufnahmen könnten die
Schüler betraut werden, die sich schon mit der Photo-
graphie beschäftigt haben. Sie werden so auf neue
Gebiete lichtbildnerischer Betätigung hingewiesen
und der Kunsterzieher vermag an Hand von Arbeiten
in der Schülerschaft vorhandene Begabungen zu er-:
kennen und ihnen besondere Aufmerksamkeit zu
schenken. Mit in dieses Gebiet gehört die Ergänzung
gezeichneter Grundrißpläne von Bauten, Bauteilen
und Geländeabschnitten durch photographische Auf-
nahmen, in dem Sinne, wie es die Richtlinien in dem
Vorschläge zur Anlage einer Mappe heimatlicher?;
Kunst- und Baudenkmäler darlegen, und wie es der
spätere Erlaß vom 22. Mai 1930 vorschlägt. Seine be-
sondere Aufmerksamkeit hätte der Kunsterzieher den
an der Schule bestehenden Arbeitsgemeinschaften
für Lichtbildnerei zuzuwenden. Die theoretische Ein-
führung in die ästhetischen Probleme der Photogra-S
phie wären seine Aufgaben. Darüber hinaus ist er in
der Lage die praktisch ausübende Schülerschaft in
der Wahl der Objekte zu beraten und auf künstlerisch
wertvolle Motive aufmerksam zu machen.

Nimmt sich so der Kunstunterricht dieses jüngsten'
künstlerischen Gebietes an, so wird es an wechsel-
seitiger Anregung zwischen Altem und Neuem nicht .


ALFRED ZACHARIAS-MÜNCHEN: EWIGE
Unter dem Titel „Ewige Formen" veranstaltete die
Neue Sammlung, München, im Winter 1930/31 eine
Ausstellung von Gebrauchsgegenständen aus den
verschiedensten Zeiten und Völkern der Erde. Das
Gemeinsame, die Verwandtschaft der Formen, die
diese ihrem Ursprung nach so verschiedenen Gegen-
stände verbindet, zeugt von Formgesetzen, die zu
allen Zeiten, bei allen Völkern lebendig wirksam sind.
So liegt den Gefäßformen, die hier hauptsächlich ge-
zeigt werden, durchaus künstlerisch Einheitliches zu-
grunde, Krüge und Töpfe der jüngeren Steinzeit, 3000
Jahre vor Christus, Römische, etwa 100 nach Christus,
Chinesische 9. bis 11. Jahrh. nach Christus, Persien um
1200, Deutsch, 17. Jahrh., Afrika, Südsee, Deutschland
neuzeitlich usw. zeigen formale Übereinstimmungen,
die nicht Original und Nachahmung ausdrücken, son-
dern Beweise für die ewige Gesetzmäßigkeit künst-
lerischer Formen liefern.
Was wir hier als ewige Formen bezeichnen, sind
die elementaren, immer wiederkehrenden Formen,
die nicht durch Zeit oder Nationalstil bedingt sind,
sind nicht die Formen, die hohe künstlerische Kulturen
als Endleistungen hervorgebracht haben und einmalig
in der Kunstgeschichte dastehen; sie können aber
von durchaus hoher künstlerischer Qualität sein, und
uns vorzüglich für die Erkenntnis guter und schlechter
Formen schulen. Ein anderer Gedanke, daß es eben
in der Natur und im Gebrauchswert der allgemeinen
Gegenstände, deren wir uns bedienen, wie Krüge,
Schalen, Schüsseln, Gläser, Messer, Löffel, Tassen
usw. liege, daß sie ihrer Zweckmäßigkeit wegen ähn-
liche Formen haben, ist für unsere Betrachtung der
geistig künstlerischen Einheit, die sich offenbart, von
keiner Bedeutung, da es in allen diesen Dingen For-
men gleichgültiger und auch häßlicher, unerfreulicher
Art gibt. (Siehe nachgeahmte Renaissancevasen, Ju-

FORMEN

gendstil und moderne Kunstkeramik.) Gerade das
moderne Kunstgewerbe bietet Beispiele der guten
ewigen Formen und kranker Originalitätssucht genü-
gend. Wir haben also durch diese Ausstellung gelernt
und vor Augen geführt bekommen: Alle Völker und
alle Zeiten umschließt eine Gesetzmäßigkeit künst-
lerischer Formen, die am reinsten bei der Schöpfung
der Dinge des täglichen Gebrauchs zum Ausdruck
kommt.
Nun suchen wir, angeregt durch diese Ausstellung,
nach weiteren Aufgaben des künstlerischen Schaffens,
dem solche ewige Formen zugrunde liegen. Dabei
wollen wir nicht an Aufgaben besonderer Art, wie
sie einzelnen Zeiten und Völkern besonders nahe-
liegen herangehen, sondern gemeinsame, immer blei®
bende, zu finden versuchen. Hat uns die Ausstellung
mit den Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens
vertraut gemacht, so wollen wir nun seines Gehäuses
gedenken, der Aufgaben der Architektur. Die Archi-
tektur stellt in allen ihren Aufgaben: Wohnbau, Re-
präsentationsbau, Kirchenbau, technischer Zweckbau,
Anforderungen, die immer die Gleichen bleiben. Wir
sehen hier ganz von den bautechnischen Aufgaben
ab, wir gedenken nur der optisch-ästhetischen For-
derungen. Hier haben wir zu nennen, die augenmäßige
Beurteilung, die Gliederung der Baumasse, Symme-
trie oder Assymmetrie, Rhythmus, Reihung, Ordnung
der einzelnen Bauglieder zu einem künstlerischen
Ganzen. Innerhalb der Baumassen, die Gliederung
der Fassaden, die Anordnung und Formen der Fenster,
Türen, Säulen, Gesimse, usw. Sehen wir von allen
Eigentümlichkeiten der einzelnen Stile ab, und das
dürfen wir hier, innerhalb unserer gegenwärtigen Be-
trachtung, und greifen wir zwei der allgemeinsten
Beispiele heraus: Türe und Fenster. Die Anordnung
der Fenster in der Baufront, ihre Proportionen, wird

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