Klippenspiele bevorzugt. Die Jungnickel'schen Spiele:
„Himmelsschneider", „Betteichristei", „Das Herz in der
Laterne" geben guten Stoff und regen zu phantasie-
voller Gestaltung in reichem Maße an. Ganz beson-
ders liegen mir Spiele am Herzen, in denen ich große
Massen, ganze Klassen oder womöglich viele Klassen
verwenden kann. Das gemeinschaftfördernde Prinzip
solcher Spiele liegt klar auf der Hand. „Die Entwick-
lung des Volksliedes" (in bewegten Bildern), „Der
Jahrmarkt von Plundersweilern" (Goethe) und ein „Alt-
märkisches Krippenspiel" gaben gute Gelegenheit zur
Bewegung der Massen. Die beiden ersten gingen im
Schulwald in Szene, der 3% Morgen groß ist. Zum
25jährigen Bestehen der Schulanstalt am 29. April
wählte ich die „Gudrun" von Ernst Hardt als Festspiel.
Die vorbereitende Arbeit, im Februar beginnend,
brachte insofern diesmal einige Schwierigkeiten mit
sich, als es sich bei der Ausführung um zwei Ober-
tertiaklassen, A- und B-Klasse, handelte, die, wie in
den meisten Fällen, nicht gerade im allerbesten Ein-
vernehmen miteinander standen. Zum Glück konnte
ich einige Hauptspieier aus beiden Klassen wählen,
obwohl die B-Klasse im allgemeinen die begabtere
war. Die Rolle des „Hartmut" (sehr schwierig) erhielt
ein Mädchen der U II, dessen Reifezeugnis in Frage
stand. Ihr vorzügliches Spiel überzeugte die Lehrer
sehr bald von einer Reife, die jenseits stand von dem,
was man für gewöhnlich mit Schülerreife bezeichnet.
Die Rollen der „Gudrun" und der „Gerlind" waren
in Händen je einer Schülerin der B- und A-Klasse, die
hervorragende Befähigung zeigten. Leider verließ die
„Gerlind" Ostern unvermutet die Schule, und ich mußte
während der Osterferien diese Rolle einer ehemaligen
Schülerin, die sich jetzt in meiner Arbeitsgemeinschaft
befindet, zusprechen.
Als musikalische Untermalung wünschte ich mir alte
Melodien. Da die nordische Musik nicht alt genug
für unser Spiel war, wurde altenglische als die gei
eignetste befunden (da die Normannen aus England
kamen). Der Musiklehrer unserer Anstalt stellte den
musikalischen Teil zusammen. Selbst am Flügel sitzend,
leitete er zugleich ein winziges Orchesterchen.
Die Aufführung kam auf der Bühne eines Gemeinde-
saales zustande, die den modernsten künstlerischen
Anforderungen entsprach, da Saal und Bühnenhaus
eben erst von tüchtigen Architekten fertiggestellt
waren.
Eine halbkreisförmige Bühne, zu der Treppen aus
dem Zuschauerraum hinaufführen, trägt eine Empore,
die abermals durch Treppen mit der Bühne selbst
verbunden ist. Diese Empore ruht auf zehn Pfeilern,
die so weit von der Bühnenrundwand abrücken, daß
sich ein Wandelgang zwischen Wand und eigentlicher
Bühne ergibt. Bühnenwand, Empore, Pfeiler — alles
ist holzgetäfelt, und diese graubraune, feintonige
Holztäfelung gibt den denkbar besten Ton zu allen
Farben, die man auf die Bühne bringt. Wir spielten
vorhanglos — dunkelten beim Szenenwechsel nur ab.
Man mag sich vorstellen, daß die farbigen Massen
auf dieser einfachen, nur durch die Schlichtheit ihrer
vornehmen Architektur wirkenden Bühne, sich klar
und geschlossen plastisch abhoben. Die Frauen der
Gudrun waren eine einheitliche Masse in abgetöntem
Grün — das Gegenspiel dieser Masse, die Frauen
um Gerlind, in gelbroten Tönen. Wir ließen nicht nur
die ganze Architektur des Bühnenhauses mitsprechen
(das wir beim Szenenwechsel abwechselnd mit von
der Empore hängenden Teppichen oder von Pfeiler
zu Pfeiler sich ziehenden Tannenguirlanden schmück-
ten) — wir bezogen allen Raum, der uns zur Ver-
fügung stand, in unser Spiel mit ein: Die Stimmen der
Hegelingenwächter schallten in das Präludium von
der seitlichen Längsempore des Saales. Frute rief von
der dem Bühnenhaus gegenüberliegenden hinteren
Schmalwandempore. Seine und Wates Stimmen be-
gegneten sich über den 500 Köpfen der Zuschauenden
mitten im Saal. Auch die Schreie der Normannenwäch-
ter zuckten durchdringend und aufreizend von der
Saalempore aus zur Bühne hinüber, das Spiel der auf-
geregten Frauen dort drüben zu immer größerer Wild-
heit entzündend. Große Züge, wie z. B. der der trau-
ernden entführten Frauen, gingen stets mitten durch
den Saal bei Fackelbeleuchtung. Außer diesen Fak-
keln, einigen Lanzen, ein paar Spinnrädern, einer
alten Truhe und einem Königsstuhl hatten wir keine
Requisiten für dieses Spiel. Immer mehr, leiste ich
Verzicht auf derlei Äußerlichkeiten. Daß Lanzen, Fak-
keln, Kettenhauben selbst hergestellt wurden und die-
Kleider und Röcke von den Mädchen selbst genäht
wurden, bedarf eigentlich keiner besonderen- Er-
wähnung.
Der Haupterfolg wirkte sich bei dieser Aufführung
auf pädagogischem Gebiete aus: die beiden Klassen
wurden in den wenigen Wochen, die uns zur Ein-
übung zur Verfügung standen, so miteinander durch
das gemeinsame Erleben verbunden, daß sie Ostern
als gute Kameraden zu einer Klasse vereinigt werden
konnten.
ZUR MALEREI DER ANTIKE: BERICHT DES PLINIUS
Ich denke mir, daß die folgenden Zitate aus dem Buch
„Von der Malerei" des Plinius (25—79n.Chr.j-überseßung:
Frankfurter Verlags-Anstalt A.-G., 1925 — allgemeiner Be-
achtung werf sein dürften. Zusammengestellt habe ich die
verhältnismäßig wenigen Stellen, die eine Geschichte der
Formgestaltung im griechisch-römischen Kulturkreis spie-
geln — allerdings in der Sprache eines „Naturalisten"l Die
kargen Bemerkungen — scheinbar nur wert, als Kuriositäten
ftüchtig übergangen zu werden — dürfen auch demjenigen
zu denken geben, der die Nachgesänge der großen antiken
Malerei im Nationalmuseum zu Neapel und in Pompeji nicht
kennt. Fast alle Reproduktionen bringen nur den photo-
graphisch faßbaren Gesamtgegenstand, nicht aber das bild-
nerische Gesdiehen, insbesondere die reiche Farbigkeit.
Hier wäre eine Stelle, wo auch die Gymnasien „lebensnahe
Antike" im Bild aufsuchen könnten. — Allerdings hieße
das mit neuen Augen für die Bildwerte überhaupt erst die
„eigentlichen“ Bilder in Reproduktionen zugänglich machen-
de Historiker haben überreichlich nur nach „Illustrationen"
gesucht und damit das Gesicht jener Malerei lebhaft ver-
fälscht. Erich Parnißke.
Einige Griechen schreiben die Erfindung der Ma-
lerei den Sicyonern, andere den Korinthern zu,
alle aber sagen, man habe anfangs nur den Schatten
eines Menschen mit Linien umzogen. Der zweite Schritt
sei dadurch geschehen, daß man jedesmal nur eine
Farbe angewandt habe. Dies Verfahren sei, nachdem
es weiter ausgebildet wurde, die Monochromatik ge-
nannt worden, ein Kunstzweig, der noch bis auf den
heutigen Tag besteht. Die Linienmalerei soll von dem
Ägypter Philocles oder dem Korinther Cleanthes er-
funden sein. Sie wurde zuerst von dem Korinther Ari-
dices und dem Sicyoner Telephanes ausgeübt, aber
noch ohne Farben, obgleich sie schon im Innern des
Bildes Schattierungen durch Linien darstellten.
Als sich die Kunst freigemacht und Schatten und
Licht erfunden hatte, wurde auch eine Farbe durch
die andre gehoben. Später kam zu dem Licht noch
ein weiterer Effekt, der wegen seiner Stellung zwi-
schen Licht und Schatten den Namen Ton erhielt,
während mit dem Namen Harmoge (Fuge) die Ver-
knüpfung der Farben untereinander und der Übergang
von einer Farbe zur andern bezeichnet wurde.
Mit Hilfe von nur vier Farben, der melischen unter
den weißen, der attischen und den gelben, der
sinopischen unter den roten und dem Atrament un-
274
„Himmelsschneider", „Betteichristei", „Das Herz in der
Laterne" geben guten Stoff und regen zu phantasie-
voller Gestaltung in reichem Maße an. Ganz beson-
ders liegen mir Spiele am Herzen, in denen ich große
Massen, ganze Klassen oder womöglich viele Klassen
verwenden kann. Das gemeinschaftfördernde Prinzip
solcher Spiele liegt klar auf der Hand. „Die Entwick-
lung des Volksliedes" (in bewegten Bildern), „Der
Jahrmarkt von Plundersweilern" (Goethe) und ein „Alt-
märkisches Krippenspiel" gaben gute Gelegenheit zur
Bewegung der Massen. Die beiden ersten gingen im
Schulwald in Szene, der 3% Morgen groß ist. Zum
25jährigen Bestehen der Schulanstalt am 29. April
wählte ich die „Gudrun" von Ernst Hardt als Festspiel.
Die vorbereitende Arbeit, im Februar beginnend,
brachte insofern diesmal einige Schwierigkeiten mit
sich, als es sich bei der Ausführung um zwei Ober-
tertiaklassen, A- und B-Klasse, handelte, die, wie in
den meisten Fällen, nicht gerade im allerbesten Ein-
vernehmen miteinander standen. Zum Glück konnte
ich einige Hauptspieier aus beiden Klassen wählen,
obwohl die B-Klasse im allgemeinen die begabtere
war. Die Rolle des „Hartmut" (sehr schwierig) erhielt
ein Mädchen der U II, dessen Reifezeugnis in Frage
stand. Ihr vorzügliches Spiel überzeugte die Lehrer
sehr bald von einer Reife, die jenseits stand von dem,
was man für gewöhnlich mit Schülerreife bezeichnet.
Die Rollen der „Gudrun" und der „Gerlind" waren
in Händen je einer Schülerin der B- und A-Klasse, die
hervorragende Befähigung zeigten. Leider verließ die
„Gerlind" Ostern unvermutet die Schule, und ich mußte
während der Osterferien diese Rolle einer ehemaligen
Schülerin, die sich jetzt in meiner Arbeitsgemeinschaft
befindet, zusprechen.
Als musikalische Untermalung wünschte ich mir alte
Melodien. Da die nordische Musik nicht alt genug
für unser Spiel war, wurde altenglische als die gei
eignetste befunden (da die Normannen aus England
kamen). Der Musiklehrer unserer Anstalt stellte den
musikalischen Teil zusammen. Selbst am Flügel sitzend,
leitete er zugleich ein winziges Orchesterchen.
Die Aufführung kam auf der Bühne eines Gemeinde-
saales zustande, die den modernsten künstlerischen
Anforderungen entsprach, da Saal und Bühnenhaus
eben erst von tüchtigen Architekten fertiggestellt
waren.
Eine halbkreisförmige Bühne, zu der Treppen aus
dem Zuschauerraum hinaufführen, trägt eine Empore,
die abermals durch Treppen mit der Bühne selbst
verbunden ist. Diese Empore ruht auf zehn Pfeilern,
die so weit von der Bühnenrundwand abrücken, daß
sich ein Wandelgang zwischen Wand und eigentlicher
Bühne ergibt. Bühnenwand, Empore, Pfeiler — alles
ist holzgetäfelt, und diese graubraune, feintonige
Holztäfelung gibt den denkbar besten Ton zu allen
Farben, die man auf die Bühne bringt. Wir spielten
vorhanglos — dunkelten beim Szenenwechsel nur ab.
Man mag sich vorstellen, daß die farbigen Massen
auf dieser einfachen, nur durch die Schlichtheit ihrer
vornehmen Architektur wirkenden Bühne, sich klar
und geschlossen plastisch abhoben. Die Frauen der
Gudrun waren eine einheitliche Masse in abgetöntem
Grün — das Gegenspiel dieser Masse, die Frauen
um Gerlind, in gelbroten Tönen. Wir ließen nicht nur
die ganze Architektur des Bühnenhauses mitsprechen
(das wir beim Szenenwechsel abwechselnd mit von
der Empore hängenden Teppichen oder von Pfeiler
zu Pfeiler sich ziehenden Tannenguirlanden schmück-
ten) — wir bezogen allen Raum, der uns zur Ver-
fügung stand, in unser Spiel mit ein: Die Stimmen der
Hegelingenwächter schallten in das Präludium von
der seitlichen Längsempore des Saales. Frute rief von
der dem Bühnenhaus gegenüberliegenden hinteren
Schmalwandempore. Seine und Wates Stimmen be-
gegneten sich über den 500 Köpfen der Zuschauenden
mitten im Saal. Auch die Schreie der Normannenwäch-
ter zuckten durchdringend und aufreizend von der
Saalempore aus zur Bühne hinüber, das Spiel der auf-
geregten Frauen dort drüben zu immer größerer Wild-
heit entzündend. Große Züge, wie z. B. der der trau-
ernden entführten Frauen, gingen stets mitten durch
den Saal bei Fackelbeleuchtung. Außer diesen Fak-
keln, einigen Lanzen, ein paar Spinnrädern, einer
alten Truhe und einem Königsstuhl hatten wir keine
Requisiten für dieses Spiel. Immer mehr, leiste ich
Verzicht auf derlei Äußerlichkeiten. Daß Lanzen, Fak-
keln, Kettenhauben selbst hergestellt wurden und die-
Kleider und Röcke von den Mädchen selbst genäht
wurden, bedarf eigentlich keiner besonderen- Er-
wähnung.
Der Haupterfolg wirkte sich bei dieser Aufführung
auf pädagogischem Gebiete aus: die beiden Klassen
wurden in den wenigen Wochen, die uns zur Ein-
übung zur Verfügung standen, so miteinander durch
das gemeinsame Erleben verbunden, daß sie Ostern
als gute Kameraden zu einer Klasse vereinigt werden
konnten.
ZUR MALEREI DER ANTIKE: BERICHT DES PLINIUS
Ich denke mir, daß die folgenden Zitate aus dem Buch
„Von der Malerei" des Plinius (25—79n.Chr.j-überseßung:
Frankfurter Verlags-Anstalt A.-G., 1925 — allgemeiner Be-
achtung werf sein dürften. Zusammengestellt habe ich die
verhältnismäßig wenigen Stellen, die eine Geschichte der
Formgestaltung im griechisch-römischen Kulturkreis spie-
geln — allerdings in der Sprache eines „Naturalisten"l Die
kargen Bemerkungen — scheinbar nur wert, als Kuriositäten
ftüchtig übergangen zu werden — dürfen auch demjenigen
zu denken geben, der die Nachgesänge der großen antiken
Malerei im Nationalmuseum zu Neapel und in Pompeji nicht
kennt. Fast alle Reproduktionen bringen nur den photo-
graphisch faßbaren Gesamtgegenstand, nicht aber das bild-
nerische Gesdiehen, insbesondere die reiche Farbigkeit.
Hier wäre eine Stelle, wo auch die Gymnasien „lebensnahe
Antike" im Bild aufsuchen könnten. — Allerdings hieße
das mit neuen Augen für die Bildwerte überhaupt erst die
„eigentlichen“ Bilder in Reproduktionen zugänglich machen-
de Historiker haben überreichlich nur nach „Illustrationen"
gesucht und damit das Gesicht jener Malerei lebhaft ver-
fälscht. Erich Parnißke.
Einige Griechen schreiben die Erfindung der Ma-
lerei den Sicyonern, andere den Korinthern zu,
alle aber sagen, man habe anfangs nur den Schatten
eines Menschen mit Linien umzogen. Der zweite Schritt
sei dadurch geschehen, daß man jedesmal nur eine
Farbe angewandt habe. Dies Verfahren sei, nachdem
es weiter ausgebildet wurde, die Monochromatik ge-
nannt worden, ein Kunstzweig, der noch bis auf den
heutigen Tag besteht. Die Linienmalerei soll von dem
Ägypter Philocles oder dem Korinther Cleanthes er-
funden sein. Sie wurde zuerst von dem Korinther Ari-
dices und dem Sicyoner Telephanes ausgeübt, aber
noch ohne Farben, obgleich sie schon im Innern des
Bildes Schattierungen durch Linien darstellten.
Als sich die Kunst freigemacht und Schatten und
Licht erfunden hatte, wurde auch eine Farbe durch
die andre gehoben. Später kam zu dem Licht noch
ein weiterer Effekt, der wegen seiner Stellung zwi-
schen Licht und Schatten den Namen Ton erhielt,
während mit dem Namen Harmoge (Fuge) die Ver-
knüpfung der Farben untereinander und der Übergang
von einer Farbe zur andern bezeichnet wurde.
Mit Hilfe von nur vier Farben, der melischen unter
den weißen, der attischen und den gelben, der
sinopischen unter den roten und dem Atrament un-
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