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Bund Deutscher Kunsterzieher [Editor]
Kunst und Jugend — N.F. 11.1931

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Heft 4 (April 1931)
DOI article:
Jacoby, Louis: Kunstpädagogische Arbeitswoche in Frankfurt a. M. vom 26. - 31. Januar 1931
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Binal, Karl: Sachzeichnen
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https://doi.org/10.11588/diglit.28010#0119

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tornisch richtige Zeichnung, Begriffsbild und einheit-
lich gedachtes Grenzbild, kritische Vergleiche zu ein-
zelnen Unterrichtsmethoden und zur Kunstbetrachtung;
schließlich noch Entwicklungsreihen einer Sextanerin
und einer Obersekundanerin.
Dieser hier nur kurz aufgezählte Stoff diente Herrn
Gottschow seinen Zuhörern die alte, ewig lebendige
Idee des Gestaltens in literarischen und bildnerischen
Nachweisen zu verdeutlichen.
Gottschow: „Der Trieb zu schaffen, kommt aus dem
„Unterbewußten" über ein zu „Schaffen-
cf e s"; der heilige Geist zeugt ein und erst dann
„wird es um den Schaffenden licht".
Ein Nachmittag war den schulischen Fragen wie
Jahresplan, Querverbindung, Gemeinschaftsarbeit, Li-
nearzeichnen, Notenfrage, Arbeitsgemeinschaften,
Sammlung von Schülerarbeiten gewidmet.
Der Fachberater betonte in seinen Ausführungen,
daß Schulreform keine Sache des grünen Tisches, son-
dern die Angelegenheit von Menschen sei, die sie
ausführten. Unsere Bemühungen stehen noch im Stu-
dium der Entwicklung, deren Höhepunkt noch lange
nicht erreicht ist. Ein Jahresplan ist für uns wertlos,
wenn er uns stofflich festlegt. Ein bestimmtes bild-
nerisches Prinzip muß durchgeführt werden, wie weit
man kommt, hängt von der Leistung der Kinder ab.
In der Notenfrage kann nicht allein die Begabung
des Schülers maßgebend sein, sondern die Gesamt-
bemühung im Verhältnis zu seiner Begabung und Per-
sönlichkeit. Erfreulicherweise werden die Zeichen-
noten in steigendem Maße gewertet und bei Verset-
zungen und Prüfungen zum Ausgleich einer schlechten
Note in andern Fächern herangezogen.
Der Gedanke der Konzentration und Querverbin-
dung ist nicht im Gegenständlichen zu suchen.
Bastelarbeiten, Bildteppiche können auch als Gemein-
schaftsarbeit von Klassen oder Gruppen ausgeführt
werden.
Arbeitsgemeinschaften sollen nach Möglichkeit ein-
gerichtet werden für Zeichnen sowohl wie für Kunst-
betrachtung.

Künstlerische Jahresarbeiten sind den Schülern nur
anzuraten, wenn ihre Leistung ganz erheblich über
dem Durchschnitt steht. — Der Zeichenlehrer bemühe
sich, eine Sammlung von Schülerarbeiten anzulegen.
Wie er die Schüler zum zeitweiligen Verzicht auf ihre
Arbeit bewegt, ist lediglich eine Taktfrage, denn es gibt
keinen Paragraphen, der eine solche Einrichtung fordert.
Betzler: „Die Teilnehmer können nicht erwarten ein
Rezept oder Leitfaden zu erhalten. Wenn die Teil-
nehmer mit dem Gefühl der inneren Unruhe, weiterer
Klarheit und Erkenntnis nachzustreben, einen Weg
selbst zu suchen, scheiden, so ist der Sinn dieser Ta-
gung erreicht. Wir finden die neue Stellung zu unse-
rer Arbeit nur, wenn wir versuchen, unsern Schulkin-
dern so in die Augen zu schauen, als sähen wir sie
zum ersten Male."
Man kann wohl sagen, daß der beabsichtigte Zweck
der Tagung wirklich erreicht wurde. Die Meinungen
standen oft beharrlich gegeneinander. Es wird sich
aber keiner dem Eindruck haben entziehen können,
daß es hier um wertvollste Einsichten und Fragen der
Kunsterziehung ging; daß man die gezeigten Wege
freilich nur gehen kann, wenn die innerste Einstellung
des Menschen sich völlig dazu bekennt, Kompromisse
mit halben Zugeständnissen führen zu nichts. Die ge-
zeigten Ergebnisse bewiesen eigentlich am besten
die Gültigkeit solcher Behauptung. Die' Woche ver-
langte in der Intensität dieser Behauptung von jedem
eine Stellungnahme und konnte sie auch nicht bei
allen positiv sein, so mußte sie doch wenigstens kri-
tisch sein und in diesem Sinne der eigenen Erkenntnis
dienen.
Herr Natorp dankte Herrn Betzler im Namen der
Teilnehmer für die Veranstaltung dieser Woche und für
die Fülle der Anregung, die wir empfingen. Auch er
bekannte, daß wir in der Theorie von Britsch eine
Grundlage für unser Fach besitzen, wie sie kaum ein
anderes Fach hat. Auf dieser Erkenntnis weiterzu-
bauen, ist die Aufgabe, die unserm Fach einen we-
sentlichen Anteil an der Aufgabe der Menschenbil-
dung in der neuen Schule zuweist.

K. BINAL-HEIDELBERQ: SACHZEICHNEN

Sachzeichnen", dieser termiens technicus steht im
badischen Lehrplan für „Zeichen- und Kunstunter-
richt" an höheren Schulen vom 30. September 1929.
Absolut abgewandt von dem technisch-mathematisch-
naturwissenschaftlich eingestellten alten Lehrplan,
stellt der neue Plan grundsätzlich in den Mittelpunkt
das „Bildhafte Gestalten", d. h. an Stelle der „tech-
nischen Darstellung" wird die „seelische Gestaltung"
gefordert.
Die Meinungen über Sachzeichnen gehen auseinan-
der. Die einen wollen das in der bisherigen alten
Weise aufgebaute technisch mechanische Sachzeich-
nen, das auf optischem Sehen, naturwissenschaftlichen
und perspektivischen Gesetzen und Regeln sowie auf
geometrischen Begriffen beruht, während die andere
es dem „Bildhaften Gestalten" als „gestaltendes"
Sachzeichnen unterordnen wollen. Deshalb sei hier
einiges ausgeführt.
Zuerst ist zu beachten, daß es sich hier nicht um
Fachschulen, sondern um die Erziehungsschule (Volks-
schule und höhere Schulen) handelt, die dem „wer-
denden" Menschen gehört, also die verschiedensten
Alters- und Entwicklungsstufen vom Kinde an bis zum
selbständigen Menschen umfaßt.
Die Kunstpsychologie zeigt uns, daß der Kunstunter-
richt an das Alter und die seelische Einstellung des
Schülers gebunden ist, daß also jede Entwicklungs-
stufe der Kinder eine verschiedene innere Formauf-

fassung von den Dingen der Wirklichkeit hat, die in
ihren Grundlagen nicht erschüttert werden kann. Dar-
aus ergibt sich die Tatsache, daß es im Entwicklungs-
alter ein objektives und absolutes „Richtig" nicht gibt.
Es kommt eben nicht auf äußere, sondern auf innere
Ähnlichkeit an.
Wer also während diesen Entwicklungsstufen optisch
und photographisch genaue Darstellungen von Ge-
genständen verlangt, will etwas, was dem Wesen des
werdenden Menschen nicht nur widerspricht, sondern
er will auf Fähigkeiten aufbauen, die im Kinde gar
nicht vorhanden sind. Ausnahmen davon machen nur
die paar „künstlerisch" verlangten Schüler, die viel-
leicht auch ohne Unterricht vorwärts kommen, während
die große Masse der Schüler verständnislos sich pas-
siv verhält. Welcher Zeichenlehrer hat diese trüben
Erfahrungen nicht gemacht?
Noch eine andere Tatsache muß beachtet werden.
Die primären Gesichtssinnenreize sind auf allen Al-
tersstufen dieselben. Auf der Netzhaut entsteht so-
wohl beim Kleinkind als auch beim erwachsenen Men-
schen ein genaues photographisches Abbild des Ge-
genstandes der Außenwelt. Daß diese Netzhautphoto-
graphie umgekehrt ist, tut hier nichts zur Sache. Würde
nun dieses Netzhautbild wiedergegeben, vorausge-
setzt, daß es wiedergebbar wäre, müßten die Wieder-
gaben aller Altersstufen, vielleicht abgesehen von
verschiedener manueller Fertigkeit, vollkommen gleich

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