die Unterrichtsfragen aller Fächer wird öffentlich be-
richtet und gesprochen. An dieser Arbeit, die von
jeher als eine notwendige Aufgabe erkannt worden
ist, nehmen Vertreter aller Gruppen teil, vom ein-
fachen Lehrer angefangen bis zum Universitätsprofes-
sor hinauf. Nur bei uns ist das bis auf einige gerade-
zu aufsehenerregende Ausnahmen nicht der Fall. Ich
vermisse hier selbstverständlich weniger die Profes-
soren, die für die künstlerische Ausbildung der Stu-
dierenden zuständig sind, als diejenigen Hochschul-
lehrer, die die pädagogische Ausbildung
der künftigen Amtsgenossen leiten, denen die Kunst-
erziehung Lebensarbeit bedeutet, die uns auf Grund
ihrer außergewöhnlich bedeutenden und verantwor-
tungsvollen Stellung auch außergewöhnlich Bedeuten-
des müßten sagen können, und denen das doch auch
ein Leichtes sein sollte. Die Breslauer Akademie-Aus-
stellung der Studierenden, die zumeist Zeichenlehrer
werden wollen, war künstlerisch betrachtet eine in-
teressante, wenn auch nicht gerade erquickende
Sache. (Sie zeigte im Gegensatz zu unseren Absich-
ten in der Schule ein krampfhaftes Suchen nach
Stil.) Sie sagte aber bedauerlicherweise — für uns als
Kunsterzieher — nichts über das pädagogische Wollen
der jungen Generation in den Ubungsschulen, deutete
es stellenweise jedoch an und verriet hier, namentlich
in dieser und jener Verbindung mit der Ausstellung
der Breslauer Amtsgenossen, eine Auffassung über
das Wesen und die Ziele des Kunstunterrichts, die im
Sinne neuzeitlicher Pädagogik unmöglich gut zu hei-
ßen sind. Es ist nur zu wünschen, daß unsere Akade-
mieen nicht In den Fehler der Universitäten fallen, die
zuerst den Wissenschaftler und dann erst den Erzieher
ausbilden, den Fehler, dessen ganze Gefahr man heute
in Preußen erkannt hat und beseitigen will. Wir sind
gegenwärtig tatsächlich nur auf uns selbst gestellt,
und was wir leisten, verdanken wir, abgesehen von
den Männern, die nicht gerade Fachleute im engeren
Sinne des Wortes sind, ausschließlich uns und der
lebendigen Verbindung zwischen uns und der Jugend.
Wir wollen diese Gemeinschaft pflegen und durch sie
die Gefühle der Kraft, Befriedigung und Sicherheit
gewinnen, die für die Lösung einer großen Aufgabe
immer erforderlich sind.
Alles In Allem: Unsere Stellung ist, was
die Gesamtheit aller Kunsterzieher an-
belangt, noch lange nicht so vorgerückt,
befestigt und ideal, wie es der Fall sein
könnte. Trotzdem brauchen wir einen Vergleich mit
den übrigen Fächern der Schule nicht zu scheuen. Wir
werden ja sogar von manchem Philologen, der einen
Blick für pädagogische Werte hat, um das starke und
freudige Interesse beneidet, das die Jugend dem
Kunstunterricht entgegenbringt. Und nicht ohne Grund
sehen mancher Germanist und Musiker in unserer
Arbeit ein Ideal, das sie auf ihrem Gebiete gern er-
reichen möchten, das sie aber, gefesselt durch eine
allzu starke Überlieferung und eine allzu schwierige
Technik, leider nicht in dem Maße wie wir erreichen
können.
Zurzeit ist unsere Lage günstig. Wir müssen
aber auch an die Zukunft denken. Einmal
kommt der Tag, an dem man auch die Schulreform von
heute auf ihre Ergebnisse hin prüfen wird, und an dem
gerade die Dinge aufs Korn genommen werden, die 1
irgendwie im Verdacht des Modischen stehen. Bis
dahin müssen wir unsere vom Unkraut gereinigte Ernte,
möglichst durch alle gesichert, in der Scheune haben.
Unser Unterricht wird — das sei noch einmal betont,
und darüber sollten wir uns restlos klar seinl — immer
nur als das gelten, was wir als Gemeinschaft
daraus machen. Wir werden damit schließlich • auch
den Lohn ernten, den wir verdienen.
P, K. SOMMER-BRESLAU:
MÜSSEN SCHMUCKFORMEN IMMER SCHMÜCKEN?
Eine große Anzahl Kollegen vertritt den Standpunkt,
Schmuckformen haben nur Berechtigung, wenn sie
zum Schmücken bestimmt sind- Sie sagen, die Schmuck-
form muß eine Ergänzung der Zweckform sein, oder
eine Art symbolische Zusammenfassung. Sie muß also
dem Charakter des Trägers nicht nur angepaßt sein,
sondern ihn versinnbildlichen durch Linie und Farbe
und auch durch das Material.
Wir widersprechen dieser Auffassung durchaus nicht.
Bis auf einen Punkt stimmen wir völlig zu. Wir unter-
schreiben aber nicht, daß Schmuckformen nur zum
Schmücken da sein müssen, oder deutlicher, daß sie
für einen bestimmten Zweck geschaffen sein müssen.
Vielleicht kommen sich die Gegner näher, wenn das
Wort klarer geprägt wird. Man versteht unter Schmuck-
form alles ornamental Stilisierte, das dem Auge et-
was Wohlgefälliges bietet, das mit Naturdarstellung
nichts zu tun hat. Es soll zugegeben werden, daß alle
diese Formen zum Schmücken da sein sollen, wenn
man sie „Schmuckformen" nennt.
Heutzuiage entspinnt sich ja bekanntlich der meiste
Streit um Worte, und es ist leicht, den andern nicht zu
verstehen, wenn man mit Worten streitet, um Worte
beweist. Also gut, machen wir dem Streit ein Ende:
Schmuckformen sollen schmücken, sonst haben sie
keine Berechtigung.
Prägen wir ein neues Wort, um die Berechtigung
der „Schmuckformen" zu erhalten, vielleicht „Schön-
heitsformen" oder „Rhythmische Formen" oder „Far-
benspiele" oder „Formenspiele" oder „Rhythmisches
Gestalten" oder „Ästhetisches Gestalten" oder „Ge-
schmacksformen". Es könnte darüber abgestimmt wer-
den, weiche Wortform unsere Absicht so treffend
charakterisiert, daß ein „Einhaken" möglichst erschwert
wird.
Auch unsere Gegner wissen sehr wohl, daß wir unter
„Schmuckform" im Sinne der Betätigung in der all-
gemein bildenden höheren Schule nur
das eben Aufgeführte verstehen. Aber nein. Wir nen-
nens ja Schmuckform, und da muß eben geschmückt
werden, und da gehört's in den Welkunterricht.
Wir sind der Meinung, durch ein Abschieben dieses
für die Kunsterziehung so bedeutenden Gebietes aus
dem Zeichensaal berauben wir uns wertvollen Mate-
rials; denn dieses Formen- und Farbenspiel erstreckt
sich in seiner Auswirkung nicht allein auf Kisten- und
Kastenschmuck, nicht bloß auf Zierleisten und Buch-
einbände, nicht allein auf Broschen und Schnallen,
sondern auf die gesamte ästhetische Erziehung. Und
es ist fast nicht zu verstehen, wenn neuzeitlich ein-
gestellte Kollegen diesen Zweig der Kunsterziehung
ablehnen. Aber es blieb der Nachkriegszeit Vorbehal-
ten, festzustellen, daß die bisherigen Anschauungen
über Kunst irrig waren, daß die Menschen an etwas ihre
Freude hatten, was eigentlich Kitsch war, und daß es
eben ein Zeichen von bemitleidenswerter Verbildung
und Verdorbenheit jeden guten Geschmacks sei, wenn
es noch Menschen gibt, die sich entsetzt von Kandins-
kischen Gemälden und Aquarellen abwenden und auf-
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richtet und gesprochen. An dieser Arbeit, die von
jeher als eine notwendige Aufgabe erkannt worden
ist, nehmen Vertreter aller Gruppen teil, vom ein-
fachen Lehrer angefangen bis zum Universitätsprofes-
sor hinauf. Nur bei uns ist das bis auf einige gerade-
zu aufsehenerregende Ausnahmen nicht der Fall. Ich
vermisse hier selbstverständlich weniger die Profes-
soren, die für die künstlerische Ausbildung der Stu-
dierenden zuständig sind, als diejenigen Hochschul-
lehrer, die die pädagogische Ausbildung
der künftigen Amtsgenossen leiten, denen die Kunst-
erziehung Lebensarbeit bedeutet, die uns auf Grund
ihrer außergewöhnlich bedeutenden und verantwor-
tungsvollen Stellung auch außergewöhnlich Bedeuten-
des müßten sagen können, und denen das doch auch
ein Leichtes sein sollte. Die Breslauer Akademie-Aus-
stellung der Studierenden, die zumeist Zeichenlehrer
werden wollen, war künstlerisch betrachtet eine in-
teressante, wenn auch nicht gerade erquickende
Sache. (Sie zeigte im Gegensatz zu unseren Absich-
ten in der Schule ein krampfhaftes Suchen nach
Stil.) Sie sagte aber bedauerlicherweise — für uns als
Kunsterzieher — nichts über das pädagogische Wollen
der jungen Generation in den Ubungsschulen, deutete
es stellenweise jedoch an und verriet hier, namentlich
in dieser und jener Verbindung mit der Ausstellung
der Breslauer Amtsgenossen, eine Auffassung über
das Wesen und die Ziele des Kunstunterrichts, die im
Sinne neuzeitlicher Pädagogik unmöglich gut zu hei-
ßen sind. Es ist nur zu wünschen, daß unsere Akade-
mieen nicht In den Fehler der Universitäten fallen, die
zuerst den Wissenschaftler und dann erst den Erzieher
ausbilden, den Fehler, dessen ganze Gefahr man heute
in Preußen erkannt hat und beseitigen will. Wir sind
gegenwärtig tatsächlich nur auf uns selbst gestellt,
und was wir leisten, verdanken wir, abgesehen von
den Männern, die nicht gerade Fachleute im engeren
Sinne des Wortes sind, ausschließlich uns und der
lebendigen Verbindung zwischen uns und der Jugend.
Wir wollen diese Gemeinschaft pflegen und durch sie
die Gefühle der Kraft, Befriedigung und Sicherheit
gewinnen, die für die Lösung einer großen Aufgabe
immer erforderlich sind.
Alles In Allem: Unsere Stellung ist, was
die Gesamtheit aller Kunsterzieher an-
belangt, noch lange nicht so vorgerückt,
befestigt und ideal, wie es der Fall sein
könnte. Trotzdem brauchen wir einen Vergleich mit
den übrigen Fächern der Schule nicht zu scheuen. Wir
werden ja sogar von manchem Philologen, der einen
Blick für pädagogische Werte hat, um das starke und
freudige Interesse beneidet, das die Jugend dem
Kunstunterricht entgegenbringt. Und nicht ohne Grund
sehen mancher Germanist und Musiker in unserer
Arbeit ein Ideal, das sie auf ihrem Gebiete gern er-
reichen möchten, das sie aber, gefesselt durch eine
allzu starke Überlieferung und eine allzu schwierige
Technik, leider nicht in dem Maße wie wir erreichen
können.
Zurzeit ist unsere Lage günstig. Wir müssen
aber auch an die Zukunft denken. Einmal
kommt der Tag, an dem man auch die Schulreform von
heute auf ihre Ergebnisse hin prüfen wird, und an dem
gerade die Dinge aufs Korn genommen werden, die 1
irgendwie im Verdacht des Modischen stehen. Bis
dahin müssen wir unsere vom Unkraut gereinigte Ernte,
möglichst durch alle gesichert, in der Scheune haben.
Unser Unterricht wird — das sei noch einmal betont,
und darüber sollten wir uns restlos klar seinl — immer
nur als das gelten, was wir als Gemeinschaft
daraus machen. Wir werden damit schließlich • auch
den Lohn ernten, den wir verdienen.
P, K. SOMMER-BRESLAU:
MÜSSEN SCHMUCKFORMEN IMMER SCHMÜCKEN?
Eine große Anzahl Kollegen vertritt den Standpunkt,
Schmuckformen haben nur Berechtigung, wenn sie
zum Schmücken bestimmt sind- Sie sagen, die Schmuck-
form muß eine Ergänzung der Zweckform sein, oder
eine Art symbolische Zusammenfassung. Sie muß also
dem Charakter des Trägers nicht nur angepaßt sein,
sondern ihn versinnbildlichen durch Linie und Farbe
und auch durch das Material.
Wir widersprechen dieser Auffassung durchaus nicht.
Bis auf einen Punkt stimmen wir völlig zu. Wir unter-
schreiben aber nicht, daß Schmuckformen nur zum
Schmücken da sein müssen, oder deutlicher, daß sie
für einen bestimmten Zweck geschaffen sein müssen.
Vielleicht kommen sich die Gegner näher, wenn das
Wort klarer geprägt wird. Man versteht unter Schmuck-
form alles ornamental Stilisierte, das dem Auge et-
was Wohlgefälliges bietet, das mit Naturdarstellung
nichts zu tun hat. Es soll zugegeben werden, daß alle
diese Formen zum Schmücken da sein sollen, wenn
man sie „Schmuckformen" nennt.
Heutzuiage entspinnt sich ja bekanntlich der meiste
Streit um Worte, und es ist leicht, den andern nicht zu
verstehen, wenn man mit Worten streitet, um Worte
beweist. Also gut, machen wir dem Streit ein Ende:
Schmuckformen sollen schmücken, sonst haben sie
keine Berechtigung.
Prägen wir ein neues Wort, um die Berechtigung
der „Schmuckformen" zu erhalten, vielleicht „Schön-
heitsformen" oder „Rhythmische Formen" oder „Far-
benspiele" oder „Formenspiele" oder „Rhythmisches
Gestalten" oder „Ästhetisches Gestalten" oder „Ge-
schmacksformen". Es könnte darüber abgestimmt wer-
den, weiche Wortform unsere Absicht so treffend
charakterisiert, daß ein „Einhaken" möglichst erschwert
wird.
Auch unsere Gegner wissen sehr wohl, daß wir unter
„Schmuckform" im Sinne der Betätigung in der all-
gemein bildenden höheren Schule nur
das eben Aufgeführte verstehen. Aber nein. Wir nen-
nens ja Schmuckform, und da muß eben geschmückt
werden, und da gehört's in den Welkunterricht.
Wir sind der Meinung, durch ein Abschieben dieses
für die Kunsterziehung so bedeutenden Gebietes aus
dem Zeichensaal berauben wir uns wertvollen Mate-
rials; denn dieses Formen- und Farbenspiel erstreckt
sich in seiner Auswirkung nicht allein auf Kisten- und
Kastenschmuck, nicht bloß auf Zierleisten und Buch-
einbände, nicht allein auf Broschen und Schnallen,
sondern auf die gesamte ästhetische Erziehung. Und
es ist fast nicht zu verstehen, wenn neuzeitlich ein-
gestellte Kollegen diesen Zweig der Kunsterziehung
ablehnen. Aber es blieb der Nachkriegszeit Vorbehal-
ten, festzustellen, daß die bisherigen Anschauungen
über Kunst irrig waren, daß die Menschen an etwas ihre
Freude hatten, was eigentlich Kitsch war, und daß es
eben ein Zeichen von bemitleidenswerter Verbildung
und Verdorbenheit jeden guten Geschmacks sei, wenn
es noch Menschen gibt, die sich entsetzt von Kandins-
kischen Gemälden und Aquarellen abwenden und auf-
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