Die nächsten Arbeiten, die der Schüler betrachtet,
sind die der Nachbarn und der Klasse. Er
erweitert auf diese, aus dem Gemeinschaftsleben her-
aus erfolgende Weise seinen Gesichtskreis, beob-
achtet die anders gearteten Gestaltungen seiner Ka-
meraden, erkennt darin ähnliche oder andere Züge
und schult so sein Gefühl und Urteil im Wechsel-
gespräch mit der Klasse, ohne sich angesichts der
vorliegenden und ihm innerlich gemäßen Arbeiten in
verstiegenen und nebelhaften Phrasen verlieren zu
können.
Ergebnisse aus den verschiedenen Klassen werden
der Reihenfolge nach wechselnd an den Wänden
ausgestellt und von den übrigen Klassen betrachtet
und, falls irgendwelche Anknüpfungspunkte mit den
eigenen Arbeiten vorhanden sind, näher behandelt.
Von ihren eigenen Gestaltungen aus richten die
Schüler dann ihr Augenmerk auf ähnlich geartete
Werke, die andere Menschen unter anderen Umstän-
den geschaffen haben, und die inzwischen von den
Schülern z. T. selbst (aus Zeitschriften, Bildbeilagen
guter Zeitungen) gesammelt, mitgebracht und aus-
gestellt worden sind. In erster Linie kommen hierfür
die Arbeiten der Primitiven in Betracht.
Unter ihnen sollen immer wieder Beispiele aus der
deutschen Volkskunst und zwar möglichst
aus der engeren Heimat. (Umgebung Hannovers
und des Landheims) den breitesten Raum einnehmen.
Von dieser schmalen, aber festgebauten Ebene aus
sollen dann die Schüler, namentlich die der Mittel-
und Oberstufe, ihren Blick auf die Leistungen der
hohen Kunst richten, in denen die bekannten und
um Grundsätzliches kreisenden Fragen, die nur in
einer kühneren und weitläufigeren Weise gestellt
sind, wiederkehren. Die Formen und Entwicklung der
Schrift sind in diesem Zusammenhänge mit zu be-
handeln.
Als gelegentliche Lesestoffe kommen die Aufzeich-
nungen, Briefe und Lebensgeschichten der Künstler,
die in den Mittelpunkt der schöpferischen Arbeit hin-
einführen, in Betracht.
Kulturkundliche Betrachtungen treten im Kunstunter-
richt vor der Betrachtung des Zeitlos-Gesetz-
lichen in der Kunst zurück. Das schließt aber
die gelegentliche Aufdeckung geschichtlicher
Hintergründe nicht aus.
Auf Grund dieser gegebenen Voraussetzungen, die
sich vom Gestalten aus von Fall zu Fall ergeben, er-
weist sich die Aufstellung eines Stoffplanes ohne
weiteres als hinfällig.
Bei der Behandlung der bildenden Kunst mit Ein-
schluß des Handwerks soll der Schüler auch seine
darstellerischen Fähigkeiten möglichst oft anwenden.
Was schon bei der Besprechung des Darstellens in
bezug auf die Konzentration gesagt worden
ist, gilt auch für die Kunstbetrachtung. Der Schüler
soll sein im Kunstunterricht erworbenes Urteilsver-
mögen in all den'Fächern anwenden, wo künstlerische
Dinge von irgend einem Gesichtspunkt aus unter-
sucht werden.
Schluß
Die Aufstellung von Lehrstoffen zum Zwecke ganz
bestimmter und unter einem Leitgedanken stehender
Querverbindungen auf der Oberstufe, gehört in die
Jahreslehrpläne. Sie wechselt von Fall zu Fall.
Der Zeichen- und Kunstunterricht bildet mit den
übrigen Ausdrucksfächern, mit der Musik, den Leibes-
übungen und im gewissen Sinne auch mit dem
Deutschunterricht eine Einheit. Deren Aufgabe liegt
darin, zu der reinen Verstandesbildung der wissen-
schaftlichen Fächer ein kräftiges Gegengewicht
zu schaffen, damit das allem übergeordnete Ziel, die
Erziehung des ganzen Menschen, erreicht werden
kann.
Der Zeichen- und Kunstunterricht soll
sich davor hüten, das bewußte Ver-
stehen- und Erklären-Wollen der Kunst
zu Überspannen, damit all das Leben-
dige und Schöne, das er im Innern des
jungen Menschen entzündet und geför-
dert hat, nicht wieder vernichtet wird.
AUSBAU*
G. STIEHLER-LEIPZIG: ZUM INNEREN
Daß Leben in unseren Kreisen, in unserem Fache
herrscht, sei mit Genugtuung und Freude fest-
gestelltl —
Wir haben uns im heißen Bemühen um die gra-
phische Entwicklung der Jugend wieder selbst ge-
funden. Unser weites und schönes Arbeitsgebiet sucht
die schaubaren Kräfte der Jugend zu
freier Entfaltung zu bringen.
Nennen wir es Bildhaftes Gestalten oder folge man
Britsch-Kornmann, oder sprechen wir vom freien Schaf-
fen, vom Wachsenlassen des jugendlichen Zeichen-
ausdrucks, vom Schöpferischen im Kinde: Jeder sucht
in seiner Weise der hohen Aufgabe der Entbindung
kindlicher Kräfte im Bild gerecht zu werden.
Auf keinem Bildungsgebiet der modernen Schule
ist mehr Leben als auf dem des Zeichen- und Kunst-
unterrichts. Und das lassen wir uns nicht wieder neh-
men! — Wir stellen bei den meisten Zeichenlehrern
Deutschlands einen Enthusiasmus für ihre Aufgabe
fest, eine Aufopferung vor allem bei denjenigen, die
durch eine ungerechte Bewertung ihrer Arbeit durch
die Behörde unter starkem, seelischen Druck verant-
wortungsvolle Erzieherarbeit leisten, — der be-
schwingte Enthusiasmus darf aber nicht zum F a-
natismus umschlagen, der in dogmatischer Un-
' Auf Wunsch werden die Ausführungen der Herren Stiehler und Kolb
über den Punkt der T.O. in Marburg: Welche Aufgaben erwachsen dem
R.V. in der Zukunft für den inneren Ausbau! hier ausführlich wieder-
gegeben. Der Vorstand: E. Frilj
duldsamkeit alle andersgeartete Arbeit herabsetzt,
der die Lebensarbeit und -einstellung anderer gering
wertet, der bei der Verteidigung der eigenen Auf-
fassung maßlos und unsachlich den gegnerischen
Standpunkt bekämpft und nicht vor Verdächtigung
und Verunglimpfung halt macht. Gegen solche An-
maßung und Unduldsamkeit müssen wir im Interesse
unseres Verbandes nachdrücklich Front machen. Das
wirkt sonst zerstörend. Schon heute spricht man von
zwei Lagern in der Zeichenlehrerschaft. Die Rück-
sichtslosigkeit, die starre Betonung von dem „allein
richtigen Weg", hat viele Kollegen verärgert, mutlos
gemacht, ja verschüchtert; so daß sie nicht mehr
wagen in Versammlungen oder in Kunst und Jugend
ihre begründete Meinung zu äußern.
Ein solcher innerer Zwiespalt in unseren
Reihen schwächt die Kampffront, die wir gegen die
Feinde unserer gemeinsamen Sache wenden müßten.
Gewiß, Kampf muß sein, um der Sache willen,
nicht aber um der „Rechthaberei" willen.
Kampf muß sein; offen, ehrlich; nicht aber darf der
Kampf um die gemeinsame Sache in die „Drecklinie"
gezogen werden. Bekämpfen wir also den Fanatis-
mus, die Dogmenseligkeit und Überheblichkeit in un-
seren Reihen, bewahren wir uns aber den Enthusias-
mus für unsere Sache und bewahren wir im Kampfe
die Anständigkeit! —
Einig aber sind wir alle in der besonderen
Aufgabe unseres Zeichen- und Kunstunterricht, die
181
sind die der Nachbarn und der Klasse. Er
erweitert auf diese, aus dem Gemeinschaftsleben her-
aus erfolgende Weise seinen Gesichtskreis, beob-
achtet die anders gearteten Gestaltungen seiner Ka-
meraden, erkennt darin ähnliche oder andere Züge
und schult so sein Gefühl und Urteil im Wechsel-
gespräch mit der Klasse, ohne sich angesichts der
vorliegenden und ihm innerlich gemäßen Arbeiten in
verstiegenen und nebelhaften Phrasen verlieren zu
können.
Ergebnisse aus den verschiedenen Klassen werden
der Reihenfolge nach wechselnd an den Wänden
ausgestellt und von den übrigen Klassen betrachtet
und, falls irgendwelche Anknüpfungspunkte mit den
eigenen Arbeiten vorhanden sind, näher behandelt.
Von ihren eigenen Gestaltungen aus richten die
Schüler dann ihr Augenmerk auf ähnlich geartete
Werke, die andere Menschen unter anderen Umstän-
den geschaffen haben, und die inzwischen von den
Schülern z. T. selbst (aus Zeitschriften, Bildbeilagen
guter Zeitungen) gesammelt, mitgebracht und aus-
gestellt worden sind. In erster Linie kommen hierfür
die Arbeiten der Primitiven in Betracht.
Unter ihnen sollen immer wieder Beispiele aus der
deutschen Volkskunst und zwar möglichst
aus der engeren Heimat. (Umgebung Hannovers
und des Landheims) den breitesten Raum einnehmen.
Von dieser schmalen, aber festgebauten Ebene aus
sollen dann die Schüler, namentlich die der Mittel-
und Oberstufe, ihren Blick auf die Leistungen der
hohen Kunst richten, in denen die bekannten und
um Grundsätzliches kreisenden Fragen, die nur in
einer kühneren und weitläufigeren Weise gestellt
sind, wiederkehren. Die Formen und Entwicklung der
Schrift sind in diesem Zusammenhänge mit zu be-
handeln.
Als gelegentliche Lesestoffe kommen die Aufzeich-
nungen, Briefe und Lebensgeschichten der Künstler,
die in den Mittelpunkt der schöpferischen Arbeit hin-
einführen, in Betracht.
Kulturkundliche Betrachtungen treten im Kunstunter-
richt vor der Betrachtung des Zeitlos-Gesetz-
lichen in der Kunst zurück. Das schließt aber
die gelegentliche Aufdeckung geschichtlicher
Hintergründe nicht aus.
Auf Grund dieser gegebenen Voraussetzungen, die
sich vom Gestalten aus von Fall zu Fall ergeben, er-
weist sich die Aufstellung eines Stoffplanes ohne
weiteres als hinfällig.
Bei der Behandlung der bildenden Kunst mit Ein-
schluß des Handwerks soll der Schüler auch seine
darstellerischen Fähigkeiten möglichst oft anwenden.
Was schon bei der Besprechung des Darstellens in
bezug auf die Konzentration gesagt worden
ist, gilt auch für die Kunstbetrachtung. Der Schüler
soll sein im Kunstunterricht erworbenes Urteilsver-
mögen in all den'Fächern anwenden, wo künstlerische
Dinge von irgend einem Gesichtspunkt aus unter-
sucht werden.
Schluß
Die Aufstellung von Lehrstoffen zum Zwecke ganz
bestimmter und unter einem Leitgedanken stehender
Querverbindungen auf der Oberstufe, gehört in die
Jahreslehrpläne. Sie wechselt von Fall zu Fall.
Der Zeichen- und Kunstunterricht bildet mit den
übrigen Ausdrucksfächern, mit der Musik, den Leibes-
übungen und im gewissen Sinne auch mit dem
Deutschunterricht eine Einheit. Deren Aufgabe liegt
darin, zu der reinen Verstandesbildung der wissen-
schaftlichen Fächer ein kräftiges Gegengewicht
zu schaffen, damit das allem übergeordnete Ziel, die
Erziehung des ganzen Menschen, erreicht werden
kann.
Der Zeichen- und Kunstunterricht soll
sich davor hüten, das bewußte Ver-
stehen- und Erklären-Wollen der Kunst
zu Überspannen, damit all das Leben-
dige und Schöne, das er im Innern des
jungen Menschen entzündet und geför-
dert hat, nicht wieder vernichtet wird.
AUSBAU*
G. STIEHLER-LEIPZIG: ZUM INNEREN
Daß Leben in unseren Kreisen, in unserem Fache
herrscht, sei mit Genugtuung und Freude fest-
gestelltl —
Wir haben uns im heißen Bemühen um die gra-
phische Entwicklung der Jugend wieder selbst ge-
funden. Unser weites und schönes Arbeitsgebiet sucht
die schaubaren Kräfte der Jugend zu
freier Entfaltung zu bringen.
Nennen wir es Bildhaftes Gestalten oder folge man
Britsch-Kornmann, oder sprechen wir vom freien Schaf-
fen, vom Wachsenlassen des jugendlichen Zeichen-
ausdrucks, vom Schöpferischen im Kinde: Jeder sucht
in seiner Weise der hohen Aufgabe der Entbindung
kindlicher Kräfte im Bild gerecht zu werden.
Auf keinem Bildungsgebiet der modernen Schule
ist mehr Leben als auf dem des Zeichen- und Kunst-
unterrichts. Und das lassen wir uns nicht wieder neh-
men! — Wir stellen bei den meisten Zeichenlehrern
Deutschlands einen Enthusiasmus für ihre Aufgabe
fest, eine Aufopferung vor allem bei denjenigen, die
durch eine ungerechte Bewertung ihrer Arbeit durch
die Behörde unter starkem, seelischen Druck verant-
wortungsvolle Erzieherarbeit leisten, — der be-
schwingte Enthusiasmus darf aber nicht zum F a-
natismus umschlagen, der in dogmatischer Un-
' Auf Wunsch werden die Ausführungen der Herren Stiehler und Kolb
über den Punkt der T.O. in Marburg: Welche Aufgaben erwachsen dem
R.V. in der Zukunft für den inneren Ausbau! hier ausführlich wieder-
gegeben. Der Vorstand: E. Frilj
duldsamkeit alle andersgeartete Arbeit herabsetzt,
der die Lebensarbeit und -einstellung anderer gering
wertet, der bei der Verteidigung der eigenen Auf-
fassung maßlos und unsachlich den gegnerischen
Standpunkt bekämpft und nicht vor Verdächtigung
und Verunglimpfung halt macht. Gegen solche An-
maßung und Unduldsamkeit müssen wir im Interesse
unseres Verbandes nachdrücklich Front machen. Das
wirkt sonst zerstörend. Schon heute spricht man von
zwei Lagern in der Zeichenlehrerschaft. Die Rück-
sichtslosigkeit, die starre Betonung von dem „allein
richtigen Weg", hat viele Kollegen verärgert, mutlos
gemacht, ja verschüchtert; so daß sie nicht mehr
wagen in Versammlungen oder in Kunst und Jugend
ihre begründete Meinung zu äußern.
Ein solcher innerer Zwiespalt in unseren
Reihen schwächt die Kampffront, die wir gegen die
Feinde unserer gemeinsamen Sache wenden müßten.
Gewiß, Kampf muß sein, um der Sache willen,
nicht aber um der „Rechthaberei" willen.
Kampf muß sein; offen, ehrlich; nicht aber darf der
Kampf um die gemeinsame Sache in die „Drecklinie"
gezogen werden. Bekämpfen wir also den Fanatis-
mus, die Dogmenseligkeit und Überheblichkeit in un-
seren Reihen, bewahren wir uns aber den Enthusias-
mus für unsere Sache und bewahren wir im Kampfe
die Anständigkeit! —
Einig aber sind wir alle in der besonderen
Aufgabe unseres Zeichen- und Kunstunterricht, die
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