UMSCHAU
Vom Vorstand der Reichsverbände akademisch gebil-
deter Zeichenlehrer und Zeichenlehrerinnen.
I. Internationaler Kunsterzieher-Kongreß in Wien 1952.
In den Pfingstferien fand in Wien eine Vorberatung
statt. Die wirtschaftliche Notlage Deutschlands, die
sich auch in unserm Vereinsleben stark spürbar macht,
verbot eine persönliche Teilnahme des Reichsverban-
des an dieser Besprechung. So mußte ich mich, zu-
gleich im Namen des Reichsverbandes akad. geb.
Zeichenlehrerinnen, darauf beschränken, schriftlich un-
sere Meinung zum Ausdruck zu bringen.
Eingehend wurde die Frage beraten: Soll angesichts
der gegenwärtigen Weltlage im allgemeinen und der
schweren finanziellen Nöte Österreichs im beson-
deren der Kongreß 1932 oder später abgehalten wer-
den, und wenn 1932, was kann geschehen, um die
Kosten auf ein erträgliches Maß zu beschränken? Auf
Grund der optimistischen Haltung der österreichischen
Vertreter sowie der Ansicht der Vertreter der inter-
nationalen Vereinigung, wurde beschlossen:
8 Der 7. internationale Kongreß für Kunstunter- g
richt findet statt v. 1.—6. August 1932 in W i e n. |
Mit dem Kongreß ist eine Ausstellung verbun-
den, die nach Gruppen geordnet sein wird; Volks-,
Mittel-, Hoch- und Fachschulen. Sie wird, um die hohe
Miete großer Räumlichkeiten und deren Zurichtung
zu sparen, auf einzelne Museen verteilt werden. Die
ausstellenden Länder sind angehalten, sich auf die
Illustrierung der Kongreßfragen zu beschränken und
von einer allgemeinen Ausstellung abzusehen.
Kongreßprogramm:
I. Eröffnungsvortrag von Univ.-Prof. Hofrat Dr. Strzy-
gowsky.
II. Wesensfragen:
a) Welche Bedeutung hat das Gestalten aus dem
Rohstoffe neben oder an Stelle des Zeichnens?
b) Kann die Farbe über die schmückende Wirkung
zum Ausdruck tiefem seelischen Gehaltes werden?
III. Entwicklungsfragen:
a) Wie ist das Verständnis für das neue Bauen und
Wohnen durch den Z.-Unterricht zu fördern?
b) Wie ist die Gemeinschaftsarbeit durch Schüler-
veranstaltungen (Feste, Theater) zu fördern?
c) Wie wandelt sich das Zeichnen vor und nach
dem Eintritt der geschlechtlichen Reife?
IV. Fragen der Lehrerbildung.
Zu diesen Diskussionsthemen treten noch einzelne
wenige Vorträge führender Kunsterzieher, möglichst
mit Lichtbildern.
Nähere Mitteilungen werden rechtzeitig durch un-
sere Zeitschriften den Mitgliedern zugehen. Der Ge-
neralsekretär für den Kongreß ist unser verehrtes Mit-
glied: Herr Fachinspektor Prof. Oskar Rainer, Wien,
Tuersgasse 2.
II. Der Hauptbericht Uber den i. Internationalen Kon-
greß für Kunsterziehung in Prag 1928
wird in allernächster Zeit im Druck erscheinen. Er ent-
hält alle auf dem Kongreß gehaltenen Vorträge. Das
Buch wird etwa 650 Seiten großen Formats auf her-
vorragendem Illustrationspapier und zahlreiche von
den Autoren gelieferte Illustrationen enthalten.
Bei Vorausbestellungen wird das Werk 9 RM. kosten.
Bestellungen sind umgehend zu richten an: Schul-
inspektor Frant. Mik, Prag-Ill, Karmelitzka 8.
Die Beschaffung des Buches wird unsern Mitgliedern
empfohlen. L. Jacoby. E. Fritz.
Wozu dieser Aufruf?* MW:
Wenn sich jemand mit einem.Aufruf an die Öffent-
lichkeit wendet, kann man annehmen, daß er von einer
Idee getrieben wird, derer in gutem Glauben die Kraft
zuschreibt, andere zu entflammen und zu einem guten
Ziel zu wenden. Und die wirkliche innere Überzeu-
gung wird man immer spüren, auch wenn man den
Folgerungen seine Zustimmung verweigern muß.
Was soll man aber dazu sagen, wenn ein Mensch
ohne zwingenden Grund und ohne innere Berech-
tigung einen „Aufruf zur Reform des Kunst- und Zei-
chenunterrichts" erläßt! Studienrat Capeller ver-«
schickte kürzlich an viele Zeichenlehrer ein kleines
Heft, in dem er zur Gründung von Ortsgruppen eines
„Deutschen Bundes für Kunsterziehung" auffordert.
Man kann sein Beginnen, auch wenn man mit allen
persönlichen und menschlichen Vorwürfen zurückhält,
nur tief bedauern, da es die ohnehin große Verwirrung
in der Kunsterziehung nur zu vermehren imstande ist.;
Wollte man den treibenden Gedanken aus der sech-
zehn Seiten starken Schrift herausschälen, so geriete
man in Verlegenheit: selbst wenn man den Inhalt auf
seine knappste Form brächte, fände man keinen ein-
heitlichen Sinn. Nirgends nur die Spur einer wirklichen
fördernden Erkenntnis in der merkwürdigen Zusammen-
ballung endloser Zitate mit wahllos zusammengelese-
nen Stellen bekannter Herkunft und Gemeinplätzen
von beschämender Oberflächlichkeit.
Wir verzichten darauf, das Einzelne zu besprechen
und müssen nur dies kurze Wort über die Angelegen-
heit verlieren, weil Herr Capeller so tut, als stünde
hinter ihm bereits eine umfangreiche Organisation.'^
Vor allem sei darauf hingewiesen, daß er in der bayri-
schen Amtsgenossenschaft onne nennenswerten An<»
hang ist. Hans Herrmann
Kunst eine Lebensnotwendigkeit?
Der preußische Kultusminister Grimme hat jüngst
an eine Reihe nahestehender Behörden ein Schreiben
gerichtet. Er wies auf das Elend in Künstlerkreisenä
hin und gab die Anregung, es möchten bei allen ein- :
schlägigen Arbeiten, die von Behörden zu vergeben
sind, Bildhauer und Maler nach Kräften herangezogen
werden, namentlich auch bei öffentlichen Bauten.
Was wird der moderne Kunstzweifel zu diesem
Vorgehen des Ministers sagen? — Aha, da haben
wir die berühmte „Kunstpflege", wird er sagen. Flick-
arbeit, die nichts nützt. Herumpflastern an Oberflä-
chenerscheinungen, Quacksalberei, die ganz bestimmt
nicht zu den tiefen, starken Gründen der Kunstfeind-
schaft vordringen wird.
Und doch führt gerade dieser Schritt einer deut-
schen Behörde auf einen Punkt, der sehr wichtig ist||
nämlich auf die Frage, wie es denn nun jenseits aller
geistigen Schwierigkeiten, die die Kunst befallen ha-
ben, mit ihrer Einordnung in die größeren Kulturzu-
sammenhänge steht, wie es mit dem Interesse steht,
welches das Ganze des Volkslebens an der Kunst
hat und welches auf einmal klarstellt, was alles auf
dem Spiele steht, wenn die Kunst ernstlich in Gefahr
kommt.
Von diesem Zusammenhang, in dem die Kunst inner-
halb einer Volkskultur steht, ist nichts Geringeres zu
sagen, als daß er den vollen, schweren Ernst eines
biologischen Zusammenhanges hat.
Jedes einzelne Kunstwerk, jede einzelne Theater-
aufführung mag entbehrlich scheinen. Das Gegenteil
nachzuweisen, ist so gut wie unmöglich. Man kann
nicht einmal beweisen, daß die Menschheit ohne
Grünewald, ohne Rembrandt, Lionardo oder Shake-
speare nicht hätte leben können. Unbestreitbar ist es
* Wer schon im Jahr 1927 Leser von Kunst und Jugend war, weiß
über diese Bemühungen des Herrn Capeller Bescheid und wird sie
entsprechend werten. Die Schriftleitung
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Vom Vorstand der Reichsverbände akademisch gebil-
deter Zeichenlehrer und Zeichenlehrerinnen.
I. Internationaler Kunsterzieher-Kongreß in Wien 1952.
In den Pfingstferien fand in Wien eine Vorberatung
statt. Die wirtschaftliche Notlage Deutschlands, die
sich auch in unserm Vereinsleben stark spürbar macht,
verbot eine persönliche Teilnahme des Reichsverban-
des an dieser Besprechung. So mußte ich mich, zu-
gleich im Namen des Reichsverbandes akad. geb.
Zeichenlehrerinnen, darauf beschränken, schriftlich un-
sere Meinung zum Ausdruck zu bringen.
Eingehend wurde die Frage beraten: Soll angesichts
der gegenwärtigen Weltlage im allgemeinen und der
schweren finanziellen Nöte Österreichs im beson-
deren der Kongreß 1932 oder später abgehalten wer-
den, und wenn 1932, was kann geschehen, um die
Kosten auf ein erträgliches Maß zu beschränken? Auf
Grund der optimistischen Haltung der österreichischen
Vertreter sowie der Ansicht der Vertreter der inter-
nationalen Vereinigung, wurde beschlossen:
8 Der 7. internationale Kongreß für Kunstunter- g
richt findet statt v. 1.—6. August 1932 in W i e n. |
Mit dem Kongreß ist eine Ausstellung verbun-
den, die nach Gruppen geordnet sein wird; Volks-,
Mittel-, Hoch- und Fachschulen. Sie wird, um die hohe
Miete großer Räumlichkeiten und deren Zurichtung
zu sparen, auf einzelne Museen verteilt werden. Die
ausstellenden Länder sind angehalten, sich auf die
Illustrierung der Kongreßfragen zu beschränken und
von einer allgemeinen Ausstellung abzusehen.
Kongreßprogramm:
I. Eröffnungsvortrag von Univ.-Prof. Hofrat Dr. Strzy-
gowsky.
II. Wesensfragen:
a) Welche Bedeutung hat das Gestalten aus dem
Rohstoffe neben oder an Stelle des Zeichnens?
b) Kann die Farbe über die schmückende Wirkung
zum Ausdruck tiefem seelischen Gehaltes werden?
III. Entwicklungsfragen:
a) Wie ist das Verständnis für das neue Bauen und
Wohnen durch den Z.-Unterricht zu fördern?
b) Wie ist die Gemeinschaftsarbeit durch Schüler-
veranstaltungen (Feste, Theater) zu fördern?
c) Wie wandelt sich das Zeichnen vor und nach
dem Eintritt der geschlechtlichen Reife?
IV. Fragen der Lehrerbildung.
Zu diesen Diskussionsthemen treten noch einzelne
wenige Vorträge führender Kunsterzieher, möglichst
mit Lichtbildern.
Nähere Mitteilungen werden rechtzeitig durch un-
sere Zeitschriften den Mitgliedern zugehen. Der Ge-
neralsekretär für den Kongreß ist unser verehrtes Mit-
glied: Herr Fachinspektor Prof. Oskar Rainer, Wien,
Tuersgasse 2.
II. Der Hauptbericht Uber den i. Internationalen Kon-
greß für Kunsterziehung in Prag 1928
wird in allernächster Zeit im Druck erscheinen. Er ent-
hält alle auf dem Kongreß gehaltenen Vorträge. Das
Buch wird etwa 650 Seiten großen Formats auf her-
vorragendem Illustrationspapier und zahlreiche von
den Autoren gelieferte Illustrationen enthalten.
Bei Vorausbestellungen wird das Werk 9 RM. kosten.
Bestellungen sind umgehend zu richten an: Schul-
inspektor Frant. Mik, Prag-Ill, Karmelitzka 8.
Die Beschaffung des Buches wird unsern Mitgliedern
empfohlen. L. Jacoby. E. Fritz.
Wozu dieser Aufruf?* MW:
Wenn sich jemand mit einem.Aufruf an die Öffent-
lichkeit wendet, kann man annehmen, daß er von einer
Idee getrieben wird, derer in gutem Glauben die Kraft
zuschreibt, andere zu entflammen und zu einem guten
Ziel zu wenden. Und die wirkliche innere Überzeu-
gung wird man immer spüren, auch wenn man den
Folgerungen seine Zustimmung verweigern muß.
Was soll man aber dazu sagen, wenn ein Mensch
ohne zwingenden Grund und ohne innere Berech-
tigung einen „Aufruf zur Reform des Kunst- und Zei-
chenunterrichts" erläßt! Studienrat Capeller ver-«
schickte kürzlich an viele Zeichenlehrer ein kleines
Heft, in dem er zur Gründung von Ortsgruppen eines
„Deutschen Bundes für Kunsterziehung" auffordert.
Man kann sein Beginnen, auch wenn man mit allen
persönlichen und menschlichen Vorwürfen zurückhält,
nur tief bedauern, da es die ohnehin große Verwirrung
in der Kunsterziehung nur zu vermehren imstande ist.;
Wollte man den treibenden Gedanken aus der sech-
zehn Seiten starken Schrift herausschälen, so geriete
man in Verlegenheit: selbst wenn man den Inhalt auf
seine knappste Form brächte, fände man keinen ein-
heitlichen Sinn. Nirgends nur die Spur einer wirklichen
fördernden Erkenntnis in der merkwürdigen Zusammen-
ballung endloser Zitate mit wahllos zusammengelese-
nen Stellen bekannter Herkunft und Gemeinplätzen
von beschämender Oberflächlichkeit.
Wir verzichten darauf, das Einzelne zu besprechen
und müssen nur dies kurze Wort über die Angelegen-
heit verlieren, weil Herr Capeller so tut, als stünde
hinter ihm bereits eine umfangreiche Organisation.'^
Vor allem sei darauf hingewiesen, daß er in der bayri-
schen Amtsgenossenschaft onne nennenswerten An<»
hang ist. Hans Herrmann
Kunst eine Lebensnotwendigkeit?
Der preußische Kultusminister Grimme hat jüngst
an eine Reihe nahestehender Behörden ein Schreiben
gerichtet. Er wies auf das Elend in Künstlerkreisenä
hin und gab die Anregung, es möchten bei allen ein- :
schlägigen Arbeiten, die von Behörden zu vergeben
sind, Bildhauer und Maler nach Kräften herangezogen
werden, namentlich auch bei öffentlichen Bauten.
Was wird der moderne Kunstzweifel zu diesem
Vorgehen des Ministers sagen? — Aha, da haben
wir die berühmte „Kunstpflege", wird er sagen. Flick-
arbeit, die nichts nützt. Herumpflastern an Oberflä-
chenerscheinungen, Quacksalberei, die ganz bestimmt
nicht zu den tiefen, starken Gründen der Kunstfeind-
schaft vordringen wird.
Und doch führt gerade dieser Schritt einer deut-
schen Behörde auf einen Punkt, der sehr wichtig ist||
nämlich auf die Frage, wie es denn nun jenseits aller
geistigen Schwierigkeiten, die die Kunst befallen ha-
ben, mit ihrer Einordnung in die größeren Kulturzu-
sammenhänge steht, wie es mit dem Interesse steht,
welches das Ganze des Volkslebens an der Kunst
hat und welches auf einmal klarstellt, was alles auf
dem Spiele steht, wenn die Kunst ernstlich in Gefahr
kommt.
Von diesem Zusammenhang, in dem die Kunst inner-
halb einer Volkskultur steht, ist nichts Geringeres zu
sagen, als daß er den vollen, schweren Ernst eines
biologischen Zusammenhanges hat.
Jedes einzelne Kunstwerk, jede einzelne Theater-
aufführung mag entbehrlich scheinen. Das Gegenteil
nachzuweisen, ist so gut wie unmöglich. Man kann
nicht einmal beweisen, daß die Menschheit ohne
Grünewald, ohne Rembrandt, Lionardo oder Shake-
speare nicht hätte leben können. Unbestreitbar ist es
* Wer schon im Jahr 1927 Leser von Kunst und Jugend war, weiß
über diese Bemühungen des Herrn Capeller Bescheid und wird sie
entsprechend werten. Die Schriftleitung
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