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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 11.1931

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Heft 7 (Juli 1931)
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Wiedermann, Fritz: Was der alte Burgwall erzählt
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https://doi.org/10.11588/diglit.28010#0197

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FRITZ WIEDERMANN, ARCHITEKT:
WAS DER ALTE BURGWALL ERZÄHLT

Wie reich ist unser deutsches Vaterland an Zeugen
aus vergangener Zeit. Die schönen Bürgerhäuser,
die stolzen Dome, die hochragenden Burgen und die ma-
lerischen Türme sind Zeichen einer bewegten wech-
selreichen Geschichte. Aber auch in die Vorzeit, von
der keine geschriebenen Urkunden zu berichten wis-
sen, führt uns die Heimat mit ihren Bauten und Land-
schaftsbildern. Überall im Lande verstreut finden wir
die Burg- oder Ringwälle, deren Bedeutung
noch immer so wenig bekannt ist. Schweden- oder
Tartarenschanzen heißen sie im Volksmunde oderauch
Burghübel oder Raubschlössel. Gruslige Märchen
knüpfen sich um ihr Schicksal und manches Bäuerlein
schlägt ein Kreuz, ehe es an der Stelle vorübergeht.
Die einen wissen eine Geschichte vom gehenkten
Reiter zu erzählen oder vom Pfarrherren, den die Dra-
goner nach langen Martern erschlugen. Des Nachts
sollen seltsame Lichter über den Hang huschen und
ein klagender Ton schreckt Menschen und Tiere.
Ach, die Kleingläubigen, die hinter allem, was sie
nicht deuten können, einen geheimnisvollen Spuk
wittern. Nicht Gespenster sind es, die hier zu uns
sprechen, nicht die Greueltaten des Dreißigjährigen
Krieges, die nach'Sühne rufen, sondern die ewig le-
bendige Geschichte unseres Landes ist es, die uns
hier entgegentritt. Die Kraft unserer Vorfahren schuf
diesen Wall und ein langer Abschnitt aus ihrem Leben
zieht bei seinem Anblick an uns vorüber. Viele hun-
dert solcher Burgwälle gab es früher im Lande und
wenn der Feind nahte, da zogen die Landesbewohner
mit ihrer Familie und ihrer Habe hinter den schützen-
den Wall. Da mögen einfache Hütten entstanden sein,
aus Astwerk und Matten und während oben die Män-
ner mit anstürmenden Kriegerscharen kämpften, bar-
gen sich Kinderköpfe im Schoße ihrer zärtlichen Müt-
ter. War der Feind geschlagen und die Heimat wieder
frei, dann kehrten die Bauern wieder zu ihren Sied-
lungen zurück. Zu friedlicher Tätigkeit und zu ge-
wohntem Leben.
Diese Ringwälle waren nicht planlos verstreut im
Lande, sondern sie gehörten einem fein ausgeklügel-
ten Systeme an. Man unterschied deutlich die star-
ken geräumigen Landesburgen oder Kastel-
lan e i e n von den kleineren, aber sehr festen Grenz-
burgen und von den allerkleinsten Zufluchtswällen,
die innerhalb des Landes gebaut wurden. Die Kastelle
waren die Sammelplätze für die Heerscharen, Gerichts-
sitze für den Vertreter des Königs und die Verwal-
tungsplätze für die Beamten. Hier saß der Burggraf,
der die Steuern eintrieb und für Ordnung und Sicher-
heit sorgte. Meist sind diese Landesburgen an bevor-
zugten Stellen angelegt, an Pässen und Flußübergän-
gen, darum sind sie auch heute noch als Hauptstädte-
oder Verwaltungssitze bedeutend. Mit klugem Blick
hatten unsere Vorfahren bereits die Wichtigkeit die-
ser Punkte erkannt. Die Grenzburgen dienten nur
militärischen Zwecken und wurden dauernd von Kriegs-
mannschaften besetzt. Sie schützten die Landesgren-
zen und bewachten die wenigen Straßen, die in der
Vorzeit bekannt und gangbar waren. Auch ihre Stät-
ten sind heute noch zu finden. Denn in mittelalter-
licher Zeit entstanden an diesen Plätzen die Burgen,
die heute, oft nur noch als Ruinen, weit übers. Land
schauen. Die Fliehburgen, die kleinsten der Wälle,
wurden nur im Falle der Gefahr und nur zeitweilig
bestezt. Sie sind zum größten Teile heute verfallen
und der Pflug geht über ihre Plätze hinweg. Nur
manchmal erinnern aufgefundene Gefäße oder Kno-
chenreste, ein paar Waffenteile oder zerbrochene
Werkzeuge an ihre einstige Bedeutung, im Gestrüpp

der Wüstungen, im sumpfigen Flußlande, haben sich
die Wälle besser und unmittelbarer erhalten als im
Ackerlande. Darum werden auch heute noch manch-
mal wertvolle Schätze gehoben, die manches Licht
ins Dunkel der Vorzeit bringen.
Diese Wälle sind, wie ihr Name andeutet, meist
kreisrund. Oft paßt sich ihre Form ein wenig den
Eigenheiten der Umgebung an, darum geht sie vom
Kreise ins Oval über. Die Größe schwankt ebenso
wie die Höhe der Wälle. Hinter einem flachen Gra-
ben, manchmal mit Wasser gefüllt, steigt der Wall mit
steilen Hängen auf. Mauerwerk und hochragende
Türme waren noch nicht bekannt. Aber Holz wurde
zu kunstvollen Bauten verwendet. Da wurden Kästen
aus Baumstämmen gebaut und mit Erde und Steinen
gefüllt als hölzerne Mauern aufgestellt. Der Lehm-
bestrich sicherte sie vor Brandpfeilen und vor dem
Verfaulen. Aus Ästen und stachlichen Zweigen wur-
den Verhaue gepflochten, die zur Sicherung der Tore
dienten. Auf der Wallkrone, im Schutze der Pallisaden-
wände standen die Verteidiger, die mit Pfeil und
Bogen, mit Lanze und Schwert den Angriff abwehrten.
Oft sanken diese Wallbauten in Schutt und Asche
und der Sturmschritt fremder Eroberer ging über die
Wälle hin. Aber immer wieder erstanden sie neu auf'
den alten Schichten, die immer die Spuren der Ver-
gangenheit unter sich begruben.
Es fehlt auch nicht an kunstvollen Bauten, die be-
reits eine hochstehende Technik des Burgenbaues
verraten. Mehrfache Wälle, jeder durch einen Graben
gesichert, Abschnittswälle, die die Tore schützten und
in späterer Zeit gab es bereits hölzerne Türme, Zug-
brücken und Zwingermauern. Die hochstehende Kul-
tur unserer Vorfahren zeigte auch im Burgenbau ihre
Überlegenheit. Die Anlage der Wohnhütten ist recht
verschieden. Man unterschied zwischen Behelfsbauten,
die nur für kurze Zeit standen und den festen Häusern
für die Besatzung. Überall finden wir die Spuren ihrer
Tätigkeit. Waffen und Werkzeuge, Töpfe und Gewand-
reste. Aber auch Knochen, manchmal sogar abge-
schlagene Glieder oder zerschmetterte Schädel.
Diese Funde geben auch einen Aufschluß über die
Erbauer der Wälle und ihre zeitweiligen Bewohner.
Die Frage der Herkunft ist in vielen Fällen damit ge-
klärt worden. Hier finden sich bronzezeitliche Scher-
ben, dort die Werkzeuge germanischer Völker. Hier
sind slawische Funde nachweisbar und dort die Spu-
ren der Kelten. Oft liegen mehrere Kulturschichten
übereinander und unserer Phantasie bleibt es Vor-
behalten, ein Bild vom Kampfe der verschiedenen
Völker um den Burgwall auszumalen. Viele Stämme
und manche Völkerscharen kämpften um diesen Wall,
so wurde er zur untrüglichen Urkunde und zum Ge-
schichtswerk von aufschlußreicher Bedeutung.
Als man im vorigen Jahrhundert die Wälle wieder
entdeckte und ihre Geschichte planmäßig zu erfor-
schen begann, entbrannte unter den Gelehrten ein
heißer Streit um die Bedeutung dieser Wälle. Heute
ist ihre Rolle klar erkannt und die Burgwallforschung
nimmt einen breiten Raum in der Vorgeschichte ein.
Kultur und Kriegszüge, Wanderungen und Gottes-
dienst sahen diese Wälle inmitten ihrer Dämme, ihr
Schoß barg manche Zeugen von aufschlußreichem
Werte. Es ist ein eigenes Gefühl, hier an dieser Stelle
zu stehen und übers weite Heimatland zu schauen.
Etwas von jener eigenen Kraft des heimatlichen Lan-
des steigt in uns auf und erinnert uns an die vielen,
die Blut und Leben für die Scholle und für ihr Vater-
haus geopfert haben. Seit Jahrtausenden entbrennt
der männermordende Kampf immer wieder neu und

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