Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 11.1931

DOI Heft:
Heft 8 (August 1931)
DOI Artikel:
Wiedermann, Fritz: Die farbige Stadt
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.28010#0226

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
ARCHITEKT FRITZ WIEDER MANN-BRESLAU:
DIE FARBIGE STADT

Die Umwelt wirkt im stärksten Maße auf die Kinder-
seelen ein. Es sind nicht nur allein die Vorgänge
des Lebens, die ihre Spuren hinterlassen, auch der
Rahmen dafür, das Stadtbild, ist nicht ohne Einfluß
auf das Gemütsleben empfänglicher Seelen. Das Bild
unserer Städte hat sich im Laufe der letzten Jahre
sehr stark gewandelt. Man kann nicht mehr an ihrer
Architektur vorübergehen oder sie als reizlos und un-
künstlerisch abtun. Straßenbilder und Räume, Platz-
wände und Reklamezeichen sind stärker und sinnfäl-
liger als früher geworden, ihre Gestaltung ist oft pro-
blematischer Natur, die zu Fragen und Eindrücken her-
ausfordert. Es wäre unklug, die künstlerischen Mög-
lichkeiten ungenutzt vorbeiziehen zu lassen.
Der Sieg der Farbe im Stadtbild lenkt immer mehr
die Aufmerksamkeit auf sich. Es geht heute nicht mehr
um technische Einzelheiten oder um ästhetische Pro-
bleme, sondern um die bildhaft-farbige Gestaltung
des ganzen Stadtbildes. Für den Kunstunterricht er-
geben sich mit einem Schlage unzählige neue Auf-
gaben, die umso reizvoller sind, als erste Künstler sich
mit dem Bilde der farbigen Stadt beschäftigt haben
und weil eine Fülle kultureller und ästhetischer Strö-
mungen sich in diesem Punkte schneiden. Im Rahmen
der farbigen Behandlung ergeben sich drei Möglich-
keiten, die nicht untereinander zu werten sind, son-
dern die nebeneinander bestehen und nichts gemein-
sam haben als den endgültigen Zweck, die schlecht-
hin künstlerische Wirkung. Die erste Art ist die streng
historische. Wir wollen sie am Beispiel eines nord-
deutschen Fachwerkbaues betrachten. Das ist ein star-
ker Klang gegeben, der vollsaftige Kontrast zwischen
den dunkel getönten Balken und dem leichten Füll-
werk der Putzflächen. Allein die statischen Werte be-
stimmen schon die Töne. Schwarz, braun oder dunkel-
blau für die Balken, weiß, gelb oder rosa für die
Flächen. Die Felderteilung an sich ist schon von höch-
stem Reize; sie wird gesteigert durch das lustige Spiel
der Balkenköpfe mit ihrem Schnitzwerk und den derb-
drolligen Verzierungen. Hier kann die Farbe wenig
aktiv wirken, die muß sich mit einer begleitenden
Melodie begnügen. Eine solche Behandlung ist immer
historisch, selbst dort, wo die alte Farbwirkung nicht
mehr erkennbar war. Die anziehenden Reize werden
alle vom Baumaterial, vom Stein oder vom Holz, ent-
faltet, die Farbe bleibt auf eine Nebenrolle beschränkt.
Daß sich aus dieser scheinbaren Unterdrückung des
Farbigen recht wirkungsvolle Effekte ergeben, sei nur
nebenher erwähnt.
Die zweite Möglichkeit ist schon wechselvoller und
mehr vom zeitgemäßen Denken abhängig. Ich möchte
sie, im Gegensatz zur strengen historischen Methode,
die Neubildung alter Formen nennen. Als Beispiel
wähle ich den Putzbau aus dem 18. Jahrhundert, eines
der hübschen Bürgerhäuser mit säulengeschrnückter
Fassade und malerischem Mansarddach. Hier ist auch
eine strenge historische Form gegeben, aber es blei-
ben doch viele Möglichkeiten der Behandlung. Für
Kunstunterricht ist es höchst reizvoll zu sehen, wie
alte Forderungen mit neuzeitlichen Gedanken ab-
wechsola. Bei einem Beispiel überwiegt die konstruk-
tive Behandlung. Da wächst die Fassade mit einem
hellen zarten Grün aus dem dunkeln Grau des Sockels
hervor und die Säulen stehen, mit einem dunkleren
Orangeton, hart vor dem Chromgelb der Mauerflä-
chen. Die Profile und Gesimse haben in anderen Fäl-
len eine deutliche Absetzung von den vertikalen Bau-

gliedern erhalten oder die Fensterflächen stehen mit
ihrer Umrahmung fest vor einem Zwischentone des
übrigen Mauerwerks. Manche Künstler sind noch einen
Schritt weiter gegangen und haben die alten kon-
struktiven Formen auf einen Nenner gebracht, um
ihnen eine neue Farbigkeit der hauptsächlichen Flä-
chen entgegenzusetzen. Hier steht das neuzeitliche
Beispiel bereits wieder abseits von der historischen
Anordnung. Für den Kunstunterricht werden solche
Beispiele zu einer Gefahr und können auf Kinder ver-
wirrend wirken. Ihre ästhetische Berechtigung kann
man ihnen aber nicht ohne weiteres absprechen. Ihr
Gelingen hängt ganz vom Geschmack und der Bil-
dung des entwerfenden Künstlers ab.
Nun bleibt als drittes Beispiel noch die einheitlich
neuzeitliche Gestaltung übrig. Da sind zunächst die
Mietskasernen mit ihrer internationalen Häßlichkeit.
Den Stilmischmasch ihrer Fassaden beginnt man neuer-
dings abzuschlagen. Dabei kommt aber ihre ekelhafte
Häßlichkeit nur umso stärker zum Vorschein. Es bedarf
wirklicher Künstlerschaft, um trotzdem noch eine leid-
lich anständige Form herauszubringen. Hier beginnt
die Farbe ihre moderne Rolle zu spielen, sie wird
formbildend. Die Flächenaufteilung und Massenglie-'
derung beginnt jetzt ihre Tätigkeit. Es ist recht lehr-
reich zu sehen, wie an einzelnen Beispielen sehr gute
Wirkungen erzielt worden sind. Das schließt aber nicht
aus, daß es eben so viele, wenn nicht sogar noch
mehr, verunglückte Beispiele gibt. Aber selbst die
Versager sind noch recht lehrreich, zeigen sie doch
mit unerbittlicher Klarheit, wo der Fehler sitzt.
Die Bauwerke der neuesten Zeit verzichten in vielen
Fällen völlig auf die Farbe. Das mag da, wo es sich
um rein konstruktive Formen für Industriebauten han-
delt, berechtigt sein. Es gibt außerdem neuzeitliche
Baustoffe, wie die Klinker oder die Wandfliesen, die
ohne weiteres aller farbiger Behandlung entbehren
können. Das reine Weiß oder strahlende Hellgrau,
das neuerdings vereinzelt auftaucht, dürfte bald dem
Ruß zum Opfer fallen. Es blieben also nur noch zwei
Möglichkeiten. Die eine bleibt fast völlig auf den neu-
zeitlichen Siedlungsbau beschränkt und zeigt die far-
big behandelte Putzfläche. Köstliche Bilder von male-
rischem Reiz sind in den Vorstädten entstanden und
zeigen, in Verbindung mit baulichen Zutaten, wie Tor-
bögen, Erker und Uhrtürmchen, das altvertraute Bild
städtebaulicher Schönheit. Da wachsen aus dichtem
Grün farbige Giebelwände hervor und über freund-
lich hellen Fassaden leuchtet die Pracht frischroter
Ziegeldächer.
Die andere Eigenart wird von den Großbauten im
Stadtzentrum gezeigt, das ist die Ausnützung großer
Mauerflächen, die im Dienste der Reklame stehen. Sie
werden oft zum Tummelplatz hypermoderner Ideen,
zeigen dabei zugleich aber auch die Wandlungsfor-
men der Farbe und der Baukunst. Ein Wettstreit zwi-
schen beiden ist entbrannt und der Wettlauf zum Er-
folg ist nicht immer sehr erfreulich. Aber er bringt
die Vielgestaltigkeit der neuen Arbeitsweisen zur
deutlichen Darstellung. So kann man aus den Bei-
spielen im Trubel des flutenden Verkehrs noch man-
ches für den Zeichenunterricht lernen. Es ist nicht
immer gut, sich abzusondern und nur dem Spiel der
Natur zu lauschen. Die Städte sind unser Werk und
ihre Kunst ist der Niederschlag unserer Kultur, darum
wollen wir uns nicht abseits stellen, sondern im Dienst
neuer Ideen an ihrer Gestaltung arbeiten.

215
 
Annotationen