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Bund Deutscher Kunsterzieher [Editor]
Kunst und Jugend — N.F. 11.1931

DOI issue:
Heft 5 (Mai 1931)
DOI article:
Stark, Walter: Modelle und Zeichnungen von Wanderzelten
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https://doi.org/10.11588/diglit.28010#0147

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WALTER STARK-ULM A. D.
MODELLE UND ZEICHNUNGEN VON WANDERZELTEN

Die Buben meiner 3, Klasse hatten im Unterricht für
bildhaftes Gestalten aus Holz und weißem Stoff
kleine Indianerzelte gebaut und mit wildem Kampf- und
Jagdgetümmel und furchterregenden Zeichen bemalt.
Der Gestaltungsdrang konnte sich dabei ungehemmt
auswirken. Das Ergebnis war gut. (S. Abb.)
Als die 5. Klasse diese Wigwams besichtigte, spra-
chen gleich einige Schüler den Wunsch aus, auch
solche Zelte machen zu dürfen, andere aber waren
entschieden dagegen; denn sie dünkten sich viel zu
erwachsen für solche „Kindereien". Es sprach wohl
auch der Stolz dabei mit, der eine andere Aufgabe
verlangte als die, die Jüngere schon gelöst hatten.
Mit meiner Frage, wer denn schon eine Nacht im
Zelt zugebracht habe, wurde der Streit abgebrochen.
Nun war es gerade die Gegnerschaft, die schon ein-
mal dabei gewesen war, und durch die Frage nach
der Beschaffenheit eines solchen Fahrtenzeltes war
das einheitliche Interesse wieder hergestellt. Wir
wollten in der nächsten Stunde ein Wanderzelt im
kleinen bauen.
Im Untergeschoß unserer Schule steht uns ein Raum
mit alten Tischen zur Verfügung. Diese „Werkstatt"
hat, wenn auch Namen und Einrichtung in großem
Widerspruch stehen, den Vorzug, daß dreißig Hämmer
klopfen dürfen, ohne daß von irgend einer Seite Ein-
spruch laut würde. Nach einem schwunghaften Tausch-
handel hatte jeder Schüler ein Brettchen für den Bo-
den, Stoff, Schnur, Messer und Bohrer. Kurz — es
konnte nicht schnell genug gehen — wurde noch-
einmal auf die besonderen Eigenschaften unseres
Zeltes hingewiesen: es soll einfach und leicht aufzu-
bauen sein, muß für einen oder mehrere Mann Raum
bieten und auch mit wenig Materialaufwand gegen
Sturm und Regen standhallen. Und dann gings an
die Arbeit mit ebensoviel Eifer, wie für die Indianer-
zelte aufgewendet worden war. Meine 15Jährlgen,
die sich so erwachsen dünkten, dachten nicht daran,
zuerst einen Plan zu zeichnen, und ich hatte hier, im
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Gegensatz zu manchem schönen Werkstatt-Arbeits- .
Programm auch nicht die Absicht, die Arbeitsweise
des Erwachsenen einzuführen. Diese Buben waren mit
Holz und Bohrer in der Hand weit erfinderischer, als
mit Bleistift und Papier. — Mit einfachsten Mitteln,
einem „Baum" und einem Stück Stoff entstand ein
„Jägerzelt" (Zeichnung I), mit viel Sachkenntnis und
Geschick wurde ein umfangreiches „Zwölferzelt"
(Zeichnung II) aufgebaut und allmählich wurde eine
ganze Liliputanerzeltstadt fertig. Es waren auch schwer-
fällige und unpraktische Zelte dabei, jedoch war kei-
ner so hilflos, daß er die Arbeit unfertig aufgegeben
hätte. In der nächsten Stunde wurde kritisiert. Dabei
kamen wir dem Kern unserer Aufgabe schon wieder
näher. In Gedanken ließen wir unser Modell in wirk-
licher Größe vor uns erstehen. Wir stellten an uns
selbst die Mindestmaße dafür fest und erwogen die
Möglichkeiten für den Bau eines großen Zeltes, die
gar nicht so ferne liegen. Jetzt ergab es sich von
selbst, daß wir mit Tafelzeichnungen ergänzten, was
man am Modell nicht zeigen konnte. Nun sollte doch
noch eine richtige Werkzeichnung der Niederschlag
für unsere Vorstellung vom großen Zelt werden.
Der Zusammenhang zwischen dem Bodenbrett un-
seres Modells und dem Grundriß, den wir zeichnen
mußten, war jedem klar. Zwei Seitenansichten waren
bei den einfachen Pyramiden- und Prismenformen
leicht zu zeichnen. Daß gerade bei den dabei ent-
stehenden geometrischen Formen ein Schrägbild die
Übersicht erleichtern mußte, wurde bald von selbst
entdeckt. Die eigene räumliche Werkarbeit hatte die
besten Vorstellungen geschaffen. Für jede Lösung mußte
eine andere Zeichnung hergestellt werden; ein jeder
war also auf sich selbst angewiesen. Die zweckgebun-
dene Arbeit kam dem Interesse der Altersstufe ent-
gegen und der Gedanke, vielleicht später über den
Bau des Modells hinauszukommen zum wirklich be-
wohnbaren Zelt, hielt die Arbeitsfreudigkeit auf der
Höhe und ich hoffe, daß er auch noch im Stillen wei-
terwirkt. —
 
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