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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 11.1931

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Heft 7 (Juli 1931)
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Frantzen, Wilhelm: Ein Beitrag zu den Fragen der Preussischen Richtlinien für den Zeichen- und Kunstunterricht und der Gestaltung des Lehrplans
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https://doi.org/10.11588/diglit.28010#0186

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Kunst und Jugend
Deutsche Blätter für Zeichen- Kunst- und Werkunterricht

Zeitschrift des Reichsverbandes akademisch gebildeter Zeichenlehrer und Zeichenlehrerinnen

Verantwortlich für die Schriftleitung: Prof. Gustav Kolb, Stuttgart, Ameisenbergsfr. 65
Druck, Expedition und Verlag: Eugen Hardt G. m. b. H. Stuttgart, Langestrafje 18
Für Besprechungsexemplare, Niederschriften oder andere Einsendungen irgendwelcher Art wird eine Verantwortlichkeil nur
dann übernommen, wenn sie erbeten worden sind + Schreibt sachlich klar und einfach 1 Meidet alle entbehrlichen Fremdwörter

11. Jahrgang

Juli 1931

Heft 7

WILHELM F R A N T Z E N ■ HANNOVER:
EIN BEITRAG ZU DEN FRAGEN DER PREUSSISCHEN RICHTLINIEN FÜR DEN
ZEICHEN- UND KUNSTUNTERRICHT UND DER GESTALTUNG DES LEHRPLANS

Die Aufstellung von Lehrplanen ist in unseren Schu-
len aus geistigen und Organisator i-
rischen Gründen nicht zu umgehen.
Lehrpläne dienen
1. zur Klärung der Einstellung, der Stoffvertei-
lung und des Verlaufs der Unterrichtsarbeit, ferner
2. zur U n t e r r i c h t u n g der Schulaufsichtsbehörde
und der Herren, die sich aus besonderen Gründen
über die in einem Fache vorgesehenen Aufgaben
aufklären wollen.
Die Aufstellung von Lehrplänen ist besonders wich-
tig für die wissenschaftlichen Fächer.
1. Denn gerade sie benötigen einen strengen Auf-
bau der Arbeit vom Leichten zum Schwierigen, wobei
die an die Leistungsfähigkeit des Schülers gestellten
Anforderungen auf das allerengste mit dem Stoff
verbunden sind.
2. Im wissenschaftlichen Unterricht findet ein häu-
figer Wechsel von Lehrern statt, die sich durch den
Einblick in die Lehrplanmappe den unterrichtlichen
Anschluß herstellen können.
Im allgemeinen fallen diese Gründe für die Auf-
stellung eines Lehrplanes für den K u n s t u n t er-
lich t weg.
1. In diesem gibt es, was die Hauptauf-
gabe, nämlich das Gestalten anbelangt,
keine mit dem Stoff verbundenen
Schwierigkeiten.
2. Der Kunstunterricht liegt an den meisten Schulen
von der Sexta bis zur Prima in der Hand eines ein-
zigen Lehrers, der die zu leistende Arbeit auch ohne
schriftliche Niederlegung im Kopfe haben dürfte.
Trotzdem ist aber die Aufstellung eines Lehrplanes
auch für den Zeichen- und Kunstunterricht zu empfeh-
len. Sie wird nun einmal rundweg gefordert, und
kann nicht ohne weiteres abgelehnt werden. Was
aber zum anderen das Wesentlichere und Bestim-
mende ist: die Niederschrift eines Lehrplanes kommt
einer gedanklichen Auseinandersetzung mit den wich-
tigsten Unterrichtsfragen gleich, und diese Auseinan-
dersetzung kann dem Lehrer nur nützlich sein. Denn
sie dient ja schließlich der Klärung, die wir nach
innen und außen hin dringend benötigen.
Es kommt sehr häufig vor, daß die Leiter der Schu-
len ängstlich auf eine „gewissenhafte" Verteilung des

„Lehrstoffes" bedacht sind und in dieser Hinsicht der
„Sorglosigkeit" des Kunstlehrers, der die Dinge von
heute auf morgen an sich herankommen läßt, sie
dann aber fest und bestimmt beim Schopfe faßt,
nicht immer das nötige Verständnis entgegenbringen.
Ich habe schon einmal auf die Überschätzung und
schiefe Beurteilung des Lehrstoffes hingewiesen (Kunst
und Jugend 1928, Heft 6 Seite 151) die u. U. geeignet
sind, eine Veräußerlichung des Kunstunter-
richts heraufzubeschwören.
Der folgende Plan zeigt zweierlei.
1. wie man ihn aufstellen kann, ohne
sich stofflich zu binden,
2. wie wir heute bereits über die Ge-
danken der Richtlinien hinausgewach-
sen und zu wesentlichen Änderungen,
Erweiterungen und Vertiefungen ge-
kommen sind. Ich brauche wohl nicht darauf
hinzuweisen, daß all diese neuen Erkenntnisse im
Wesentlichen der Praxis des Unterrichts entwachsen
und nicht als ins Blaue hineingepustete theoretische
Seifenblasen anzusehen sind.
Lehrplan für den Zeichen- und Kunstunterricht.
Einleitung
1. Ziel
Der Zeichen- und Kunstunterricht soll an der Bil-
dung des ganzen Menschen mitarbeiten, indem er
von seinen Möglichkeiten aus die bildhafte
Schaffenskraft und das künstlerische
Erlebnis- und Urteilsvermögen im Schü-
I e r weckt und pflegt.
2. Voraussetzungen zur Erreichung dieses Zieles.
Der Zeichen- und Kunstunterricht kann diese ihm
gestellte Aufgabe lösen, weil die bildhafte Schaffens-
kraft jedem Menschen angeboren ist und im jungen
Menschen ganz besonders lebhaft zum Ausdruck
drängt. Er kann sie aber nur mit Erfolg lösen, falls er
die Eigenart in der Anlage und in den Entwicklungs-
stufen dieser Kraft als eine naturgegebene
bejaht und dieser im Sinne ihres organischen Wachs-
tums Gelegenheit und Hilfe zur Entfaltung bietet.
Grade in unserer Gegenwart, in der die meisten
Menschen der Kunst hilflos, wenn nicht sogar verbil-
det gegenüberstehen, und der Künstler selbst von

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