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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 11.1931

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Heft 6 (Juni 1931)
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Klauss, Otto: Darstellen und Gestalten: ein Beitrag zu dem Problem der Unterrichtsgestaltung an Oberklassen
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https://doi.org/10.11588/diglit.28010#0161

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Kunst und Jugend
Deutsche Bläffer für Zeichen- Kunst- und Werkunterricht
Zeitschrift des Reichsverbandes akademisch gebildeter Zeichenlehrer und Zeichenlehrerinnen

Verantwortlich für die Schriftleitung: Prof. Gustav Kolb, Stuttgart, Ameisenbergstr. 65
Druck, Expedition und Verlag: Eugen Hardt G. m. b. H. Stuttgart, Langestralje 18
Für Besprechungsexemplare, Niederschriften oder andere Einsendungen Irgendwelcher Art wird eine Verantwortlichkeit nur
dann übernommen, wenn sie erbeten worden sind + Schreibt sachlich klar und einfach I Meidet alle entbehrlichen Fremdwörter

11. Jahrgang Juni 1931 Heft 6

OTTO KLAUSS-STUTTGART:

DARSTELLEN UND GESTALTEN. Ein Beitrag zu dem Problem der Unterrichtsgestallung an Oberklassen

Es ist nicht möglich, auf die vielfach dringend ge-
stellte Frage nach der Unterrichtsgestaltung an
Oberklassen mit einigem Anspruch auf Gründlichkeit
und Vollständigkeit zu antworten, wenn nicht vor-
weg die Frage nach den Erziehungszielen der vor-
ausgehenden Unterstufe geklärt Ist. Im Grunde wird
das ganze Gestaltungsproblem dort nicht nur schon
gestellt, sondern zu einem wesentlichen Teil auch
gelöst, dadurch, daß der Grundriß des ganzen Unter-
richtsaufbaus vorgezeichnet und ein pädagogischer
und methodischer Unterbau geschaffen wird, der für
alle Unterrichtsfragen der Oberklassen ebenso not-
wendig als richtunggebend ist. Die Voraussetzung
einer wirklich fruchtbaren Arbeit an den Oberklassen
ist demnach: ein zielbewußt vorbereitender und lük-
kenlos durchgeführter reiner Gestaitungsunterricht
an den unteren Klassen, der auf der psychologischen
Tatsache der Einheit des kindlichen Erlebens be-
ruht. In der für die Entwicklung der Gestaltungskräfte
entscheidenden Zeit bis zum Beginn der Reife, in der
der junge Mensch die Kluft zwischen Innen und Außen
noch nicht kennt, und in der er darum seinem ganzen
Wesen nach und im besten Sinne naiv ist, müssen
allo Erziehungsabsichten darin gipfeln auf dieser
Naivität des Erlebens als dem Natür-
lichen aufzubauen und dem Schüler das
Recht zur Naivität des Schaffens wie-
der zuzubilligen.
Eine später einsetzende, seelische Umstimmung
wird dann, wenn einmal die ernüchternde Wirklichkeit
das einheitliche Weltschaubild gespalten hat, viel
weniger erfolgsicher sein, als diese vorausgehende
Fühlung und eine das Gestaltnerische betonende
Einstimmung. Die Spaltung in ein subjektives und ob-
jektives Erleben, in eine Welt innen und in eine Welt
außen, wird damit zwar nicht aufzuhalten sein, aber
sie wird weniger zerstörend sich auswirken.
Vor diese Tatsache einer Spaltung im Erleben ist
der Erzieher an der Oberklasse gestellt, und er hat
sich mit ihr pädagogisch und methodisch auseinan-
derzusetzen. Damit erfährt auch die ursprüngliche
Fragestellung nach der Unterrichtsgestaltung im all-
gemeinen eine Spaltung in die Frage nach den Er-
ziehungszielen des vom subjektiven Erleben aus-
gehenden Gestaltungsunterrichts und jenen, die den
Schüler zum Erfassen der objektiven Wirklichkeit
ich sachlichesDurste ttem ^r zieh en wollen.

Die eingehende Betrachtung der angeschnittenen
Fragen hat nun häufig dazu verführt, das eine dieser
Gebiete zugunsten einer freien Auswirkuhgsmöglich-
keit des andern an den Oberklassen ganz aus dem
Unterricht herauszunehmen. Daß es sich darum nicht
handeln kann, geht im einen Fall aus der Selbstver-
ständlichkeit hervor, daß der Gestaltungsunterricht
der unteren Stufe weitergeführt werden muß, wenn
nicht der ganze mühsam aufgerichtete Bau des krö-
nenden und schützenden Daches ermangeln und da-
durch seines inneren Sinnes und praktischen Wertes
verlustig gehen soll, und beantwortet sich im zweiten
Fall von selbst durch den Zwang des wirtschaftlichen
Lebens, das gewisse Fähigkeiten des Beobachtens
und Darstellens eben einfach verlangt.
Die wichtigere und nun im besonderen zur Diskus-
sion stehende Frage nach den inneren und äußeren
Beziehungen dieser beiden Unterrichtsgebiete ist
schon von vielen Seiten und von vielen Gesichts-
punkten aus beantwortet worden. Es ist die Frage
nach der Möglichkeit, beide Schaffensgebiete in der
geistigen Konzeption sowohl, als auch im praktischen
Unterrichtsbetrieb so zu verschmelzen, daß der Ver-
lust der inneren Einheit im Erleben vermieden und
eine äußere Unterrichtszusammenfassung gewonnen
wird.
Die Antwort war nicht immer so, daß nun eine psy-
chologische und methodische Klarstellung die unmit-
telbare Folge dieser theoretischen Trennungs- oder
Verknüpfungsversuche gewesen wäre. Uber all den
um dieser Frage willen von der Kunst her auf die
Schularbeit übernommenen Theorien vergessen
wir in seltener und merkwürdiger Einmütigkeit die
offen zu Tage liegenden Tatsachen vom Wesen
der jungen Menschen, die unserer Verantwortung
unterstellt sind. Damit soll nicht gesagt sein, daß
eine gründliche theoretische Einfühlung in das Wesen
des Gestaltungsvorganges im Künstler ohne Wert
sei. Im Gegenteil. Aber die Ergebnisse sind nicht
ohne weiteres übertragbar auf die Verhältnisse in
der Schule. Der Anstoß zu einer Beantwortung dieser
Frage muß darum von der praktischen Arbeit mit dem
Schüler gewonnen werden, weil dann die Lebensver-
bundenheit der vorgeschlagenen Lösungen einiger
maßen garantiert ist.
Die tägliche Arbeit im Zeichensaal
ergibt nun den bündigen Beweis - und


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