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Bund Deutscher Kunsterzieher [Editor]
Kunst und Jugend — N.F. 11.1931

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Heft 4 (April 1931)
DOI article:
Schönemann, M.: Hellas-Fahrt - Sommer 1930
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https://doi.org/10.11588/diglit.28010#0129

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M. SCHÖNEMANN:
HELLAS-FAHRT - SOMMER 1930
Die Hellas-Fahrt für Lehrer und Schüler deutscher
Gymnasien, die schon für Ostern 1915 geplant war,
fand nun endlich im letzten Jahre vom 24. Juli bis
9, August statt. Der Sonderzug ab München traf mit
fast zweistündiger Verspätung (Paßkontrolle in Piedi-
colle) in Triest ein. Regenböen beeinträchtigten vom
Dampfer aus den nächtlichen Blick auf die, von der
Bahnstrecke aus, in reichem Lichtschimmer erstrahlen-
den Höhen um Triest. Um 1 Uhr nachts setzte sich
unser Schiff, der Dampfer „Ganges" des Triestiner
Lloyd, langsam in Bewegung. Ein kurzer Sirenenton
und ruhig und sicher durchschnitt das stolze, schöne
Schiff, das nun für 15 Tage unsere Heimat werden
sollte, die dunklen Wogen der Adria. Am andern
Morgen, 10 Minuten vor 6% Uhr lag zu unserer Linken
die Insel Brioni, deren höchste Erhebung im Sonnen-
schein herübergrüßte. Nachmittags sichteten wir die
Inselgruppe der Tremiti, ein gefürchteter Aufenthalts-
ort besonders für politisch Verdächtige. Am zweiten
Tage nach unserer Ausfahrt konnten wir an der West-
seite Korfus entlang fahren und dann Leukas, Ithaka
und Kephallenia spät am Nachmittage deutlich erken-
nen. Am dritten Morgen lagen wir vor Katakolo, einem
kleinen Hafen an der Westseite des Peloponnes, der
vor allem Korinthen ausführt. Der erste Anblick, der
uns hier auf griechischem Boden wurde, war die große
Genügsamkeit der Bewohner. In Decken gehüllt, lagen
sie z. T. auf dem steinigen Boden, auf dem sie ge-
nächtigt. Die wenigen Häuser des Ortes waren denk-
bar ärmlich, doch von der alles verschönenden Sonne
beschienen und in der Pracht blühenden, weißen Ole-
anders, duftendem Geißblatts und heranschwellender
Trauben äußerst malerisch. Der Zuruf A’aZr/ir'pa brachte
mir liebenswürdigen Dank und freundliches Erwidern
des schönen Grußes ein. Von Katakolo aus wurde die
kleine griechische Eisenbahn über Pyrgos nach Olym-
pia benutzt. Das Land, durch das man fährt, ist zu-
nächst sehr niedrig und grün durch seine vielen Ko-
rinthenfelder. Hinter Pyrgos erscheinen Höhenzüge
mit Städtchen auf und an den Bergen, von denen
Cypressen und Oliven niederwinken. In Olympia dann
ist alles grün, wie eine thüringische Landschaft mutet
das Tal des Alpheios mit seinen sanften, mit Aleppo-
kiefern bewaldeten Höhen, an. Ständen nicht dem
Kronoshügel gegenüber hochragende Cypressen und
blühten nicht in übermächtiger Fülle die roten Ole-
ander im Freien und sähe man nicht die Blüten des
Pfefferbaumes und die Früchte der Mimosen am Wege,
man könnte an deutsche Mittelgebirgslandschaft den-
ken. Wir überschreiten den Klädeos auf hölzerner
Brücke und schon sind wir in der Altis, dem heiligen,
geweihten Festspielplatze ganz Griechenlands. Von
welch großer Bedeutung diese Festspiele gewesen
sein müssen, erhellt wohl am besten daraus, daß zu
ihrer Zeit, der Zeit des ersten Vollmonds nach der
Sommersonnenwende, überall in griechischen Landen
Gottesfriede herrschen mußte und daß die Griechen
ihre Zeitrechnung, die Olympiade, von hier ab be-
rechneten. Was die deutschen Ausgrabungen in den
Jahren 1874—81 zu Tage gefördert, ist von erstaun-
lichem Reichtum. Die herrlichen Skulpturen, allem
voran der Hermes des Praxiteles, birgt jetzt das Mu-
seum in Olympia. Was an Architektur dem Besucher
besonders entgegentritt, ist zunächst das alte Heräon,
in dessem Innern man die Stelle zeigt, wo der Hermes
gefunden wurde im Schlamme des Klädeos. An Groß-
artigkeit ragt der Zeustempel vor allem hervor, des-
sen Säulentrommeln wie aufgezählte Thalerstücke vom
Erdbeben einst zur Seite geschleudert wurden, auch
in ihm ist der Platz des Phidiasischen Zeus klar zu
bestimmen. Nicht weit davon nimmt man die Werk-

stätte des Meisters wahr, in die der Gottheit Blitz als
schönster Beweis der Zufriedenheit mit dem Gold-
elfenbeinbilde schlug. Nahe dabei wurde später eine
byzantinische Kirche gebaut, die den antiken Bau,
den sie vorfand, geschickt zu verwerten verstand.
Durchbrochene Marmorschranken, römische Komposit-
kapltäle und byzantinischer Fußboden stammen aus
dieser Bauperiode. Die Lage der Schatzhäuser, des
Stadion, der Echohalle, des Metroon, Buleuterion,
Prytaneion usw. kann man gut auf dem Luckenbach-
sehen Plane, den wir alle besaßen, erkennen. Ge-
heimrat L. selbst war wiederholt hier persönlich Füh-
rer. Um 12 Uhr mußten wir leider, nach kurzem Mu-
seumsbesuche, bei dem der archaische Herakopf, die
Metopenreste des Zeustempels und seine herrlichen
Giebelgruppen neben dem Werke des Paionios, der
herabschwebenden Nike und dem Meisterwerke des
Praxiteles in hohem Maße fesselten, Olympia ver-
lassen. Ein, durch politische Demonstrationen hervor-
gerufener, längerer Bahnaufenthalt in Pyrgos, brachte
uns, später als beabsichtigt, wieder aufs Schiff zu-
rück, zu dem wir, wie am Morgen aus-, so jetzt wie-
der eingebootet werden mußten. Am späten Nach-
mittage kam die Insel Sapienza in Sicht und bald um-
schifften wir die westliche der Halbinseln des Pelo-
ponnes. In der klaren Luft war es mir noch möglich, 1
den wildzerklüfteten Taygetos am Abend zu erken-
nen, dann entstieg Selene den blauen Fluten in Be-
gleitung des Abendsternes. Das Zeichen „des großen
Bären" blieb von nun an nördlich über uns. In der
Nacht wurden Kap Matapan und Kap Malea umschifft
und am Morgen des 28. Juli lagen wir im Hafen von
Nauplia vor Anker. Um 6 Uhr wurden wir wieder aus-
gebootet, um 9 Uhr setzte sich das kleine Züglein über
Tiryns und Argos in Bewegung. Von der Station My-
kenä, wo wir den Zug verließen, ist es noch ungefähr
eine Stunde zu gehen bis in den „hintersten Winkel"
der „rossenährenden Argolis" an die antike Trümmer-
Stätte, die man durch das Löwentor betritt. Hier war-
tete unser eine große, freudige Überraschung. Dörp-
feld, der Nestor der deutschen Archäologen, hielt uns
hier über den Gräbern der Persiden, denn so nannte
er im Gegensätze zu den Erbauern der kostbaren
Kuppelgräber, der späteren Pelopiden, die einfachen
runden Schachtgräber, in leuchtender griechischer
Sonne einen begeistert aufgenommenen schwungvol-
len Vortrag über die Wahrheit der Dichtung Homers,
ein unvergeßlicher Augenblickl Und weiter ging es
per Bahn nach Hexamilia. Hier verließen wir den Zug,
um zu Wagen, Esel oder Fuß Altkorinth zu erreichen.
Bei der alten Platane im Orte spendete der Brunnen
frisches Wasser und die ersten Weintrauben aus der
Gegend wurden freudig begrüßt. Die Ausgrabungs-
arbeit der Amerikaner hat hier Großes geleistet. Die
Agora, das Quellhaus der Peirene und vieles Andere
ist völlig freigelegt und an den Ausgrabungsbezirk
grenzt der dorische Peripteraltempel, dem Apollo
geweiht, dessen sieben hochragende Säulen schon
manchem Erdbeben widerstanden. Hier nun stehen die
malerischen mit bunten, meist selbstgewebten Decken
über dem Holzsattel behängten Esel und Maultiere,
auf deren Rücken man so bequem und sicher Akro-
korinth erreicht. Dicht vor dem Tore der mittelalter-
lichen Festungswerke halten die Tiere und nun be-
ginnt ein teilweise recht steiler Anstieg zur höchsten
Höhe, 575 m. Doch die Mühe lohnt reichlich. Zwei
Meerbusen, der von Korinth und der saronische mit
Salamis und Ägina breiten sich vor dem entzückten
Blicke aus, bei völliger Klarheit kann man hier Athen
und die Akropolis gut erkennen. Parnaß, Helikon und
Kithäron und die Gebirge des Peloponnes grüßen

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