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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 11.1931

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Heft 11 (November 1931)
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Gahlbeck, Rudolf: Phantasie und Zufall
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Bornemann, Frida: Kostümkunde, auch ein Werk-Unterricht
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https://doi.org/10.11588/diglit.28010#0298

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Kasperle-Theater. Aus dem Werkunterricht
(Zeichenlehrerin Frida Bornemann, Cassel


FRIDA BORN E MAN N - C ASSE L, Zeichenlehrerin an der Mittelschule (Luisenschule):
KOSTÜMKUNDE, AUCH EIN WERK UNTERRICHT

(Nachdruck verholen)
Das hatte ich in meiner 21jährigen Lehrpraxis noch
nicht erlebt, daß meine großen Schülerinnen aus
Klasse I sich ganz impulsiv vor Freude umarmten, vor
Freude in die Luft sprangen am Ende der Zeichen-
stunde und in Erwartung der neuen.
Das kam so: In einem Münchner Buchladen fiel mein
Blick auf einige Münchner Bilderbogen „Zur Ge-
schichte der Kostüme", Verlag Braun und Schneider,
München. — Ich kaufte mir 14 kolorierte Bogen ä etwa
50 Pfg. Nr. 982, 722, 596, 602, 490, 526, 391, 693, 818, 449,
975, 1203, 661, 1207, von der Germanenzeit bis 1850
reichend — und beschloß, sie in irgendeiner Weise
im Zeichenunterricht zu verwenden. Die Kleidung der
deutschen Frau sollte das Thema sein, — aber wie?
Aus starkem Papier schnitt ich eine Figur von etwa
25 cm. als Modell zurecht. Die Arme getrennt vom
Körper. An einem kleinen, notdürftig angedeuteten
Papiermodellchen zeigte ich den Kindern, wie der
Papierkörper von der Brust bis unter die Füße hinaus
zur Stütze mit Draht durchzogen wird, um ihn zuletzt
auf Pappe oder leere Schachteln aufzumontieren.
Alte Blumentopfhüllen, Seiden- und Krepp-Papier stellte
ich zur Verfügung. Klebstoff und Nähzeug brachten
die Kinder mit. Der Münchner Bilderbogen Nr. 975
„bürgerliche Rokokotracht" wurde an die Tafel ge-

hängt. Und nun ging es los an die Arbeit! Das Körper-
modell ausschneiden, durchdrahten, die Rocklänge
und Weite bemessen, aufnähen, schüchterne Verzieh-
rungen treten auf. Der Eifer steigert sich — die Blu-
senrücken wurden angeklebt, die bauschigen Ärmel
befestigt, das Vorderteil gefältelt und geordnet, der
farbige, auch reich besetzte Überwurf kam hinzu,
immer höher steigerte sich die Begeisterung = ein
Fischu wurde elegant umgeknüpft, ein Rosensträuß-
chen auf die Brust gesteckt, ein Fächer in die Hand
gegeben; und nun als letzter Trumpf kam das Gesicht
dran. Es mußte schön sein! (nur dabei half ich manch-
mal mit); und als die Haarfrisur in Schmuck und For-
mengebung das Ganze krönte, saß die Schöpferin
mit glühenden Backen glückstrahlend vor ihrem kleinen
Werkl
So zogen die deutschen Frauen aus der Rokoko-
zeit an unserm Auge vorüber, das Blickfeld weitete
sich — denn mit Eifer wurden gleichzeitig von andern
Mitschülerinnen allerlei Darstellungen aus der Rokoko-
zeit gezeichnet und gemalt: Möbel, wie Stuhl, Tisch,
Spiegel mit der hellfarbigen Zimmerwand, eine Haus-
front, eine Schloßterrasse, ein Garten mit den geschnit-
tenen Baumgruppen, ein schmiedeeisernes Gartentor.
verhalfen Abbildungen vom Brühler Schloß, die nicht
kopiert, sondern nach eigenen Ideen zusammen-

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