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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 11.1931

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Heft 1 (Januar 1931)
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Sprechsaal / Buchbesprechungen / Schreibe in Angelegenheit
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https://doi.org/10.11588/diglit.28010#0036

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auch machen kann, aber deshalb wird sie noch nicht
wertlos. —
Später spricht Prof. Kolb die Meinung aus, ich führe
. Unterricht — entgegen meiner ausgesprochenen
Überzeugung („wohl unbewußt") — die von mir ver-
worfene Trennung in wissenschaftliches und künstle-
risches Zeichnen durch. Das Beil sei nämlich (nach
meinen eigenen Worten) zunächst „eingehend stu-
diert" und dann erst „künstlerisch behandelt" worden.
So gelesen, stimmt das nicht. Ich bin mir nämlich bewußt,
daß schon mein „eingehendes Studium" des Beiles
eine, wenn auch bescheidene, „künstlerische Behand-
lung" bedeutetl Auch die ersten Beile werden ja aus
der Vorstellung und mit Phantasie gezeichnet und die
qanze Arbeit geschah überhaupt aus einer künstle-
rischen Lebensauffassung heraus. — „Werkzeuge kann
man ja auch mit dem Lineal zeichnen lassenl" wurde
mir einst entgegengehalten. Freilich kann man. Aber
gerade das tue ich nicht. Dazu habe ich meinen Wil-
len und der richtet sich auf Kunsterziehung!
Noch auf Seite 303 unten rechts ist ein kleiner Irr-
tum zu berichtigen: Alle Abbildungen sind Schüler-
arbeiten, und zwar Reproduktionen. Freilich wurden
sie, außer Abbildung 3 und 4, da Bleistiftzeichnungen,
für'den Druck vom Lehrer in Tusche übertragen.
W. Lange.
♦ + +
Nachschrift des Schriftleiters.
Amtsgenosse L. geht davon aus, das Kind wolle von
sich aus die Natur gestalten. Dem stimme ich zu.
Man muß es nur recht verstehen und nicht meinen,
das Kind wolle „von sich aus" Beißzangen, Beile, alte
Stiefel und Häfen sachlich zeichnen. Was will das Kind?
Es will zunächst nichts anderes als seine Form- und
Farberlebnisse in Form und Farbe ausdrücken. Woher
soll es diese Erlebnisse haben, wenn nicht aus der
Natur? worunter wir nicht nur die Eindrücke von außen,
sondern auch die aus der „inneren Natur" fließenden
Erlebnisse verstehen müssen. In diesem Punkt können
wir uns vielleicht zusammenfinden. Nicht aber, wenn
L. meint, das auf sachliche Richtigkeit, auf das Erfas-
sen und Darstellen der Funktionsformen eingestellte
„Studium des Beiles" bedeute schon irgendwie eine
künstlerische Leistung, das Beil werde ja „aus der
Vorstellung und mit Phantasie gezeichnet".
Man bedenke nur: für alles auf Richtigkeit abzie-
lende Darstellen ist es doch wesentlich, daß die er-
finderische Phantasie ausgeschaltet wird. Nur dann
können jene sachlichen Vorstellungen entstehen, die
zunächst nichts anderes sind als bildhafte intellektual-
vorstellungen, die den Sachverhalt sachlich feststel-
len. Ein bestimmtes Maß bewußten, denkenden, zer-
gliedernden Sehens genügt zu den dazu erforder-
lichen Auffassungsakten, die wir als geistige Leistung
nicht gering achten und aus der Tugendbildung aus-
schalten wollen. Daß Zeichnungen, die auf diesem
Wege entstehen, ästhetische Werte haben können,
legte ich schon früher einmal dar. Diese Werte sind
aber keine künstlerischen Werte.
Das zu erkennen, ist grundwichtig.
Das Gestalten, und zwar auch das bescheidenster
Art, beruht auf einer völlig anderenseelisch-geistigen
Haltung und Wirksamkeit. Es analysiert nicht, be-
schreibt nicht, konstatiert nicht — sondern es fließt
aus der einheitlichen Innenschau und schafft neue.
Bildwesen, jene „künstlerischen Gebilde", von denen
Konrad Fiedler sagt, daß sie infolge ihrer Entstehung
durch eine unüberbrückbare Kluft getrennt seien von
dem, was wir im gewöhnlichen Sinne sichtbare Natur
nennen. _
Weil nun das Gestalten aus der einheitlichen
nnenschau fließt, gewinnen seine Gebilde

zwangsläufig jene rhythmische Einheit, in der
wir die Qualität der Gestaltung erkennen, die auch
die bescheidenste Kinderleistung haben kann.
Darstellungen hingegen lassen diese Einheit stets
vermissen.

Wenn ihr's nicht fühlt . . .
Daß solche Auseinandersetzungen unseren Lesern
erwünscht sind, weil sie die uns bedrängenden Fra-
gen klären, geht aus den zahlreichen zustimmenden
Äußerungen hervor, die mir zugekommen sind. Eine
besonders wertvolle sei hier noch wiedergegeben.
„Mit großer Freude habe ich die Anmerkungen ge-
lesen, die Sie zu dem Aufsatz von Walter Lange ge-
macht haben. Die waren mir so richtig aus dem Her-
zen gesprochen und sicher auch manchen anderen
Amtsgenossen.
Die Meisten, die über das Verhältnis von Natur und
Kunst oder über Wissen und Gestalten Überlegungen
anstelien, haben gar nicht die innere Klarheit über
das Wesen; die ist aber unerläßlich und der Umstand
allein, daß man eine drängende und quälende Frage-
lust in sich spürt, berechtigt noch lange nicht dazu,
seine Gedanken als wichtig und gültig anzusehen.
Die Mehrzahl denkt gar nicht daran, daß es sich bei
dem Naturstudium um eine ganz allgemeine mensch-
liche Einstellung zum Sichtbaren handelt, die mög-
licherweise überhaupt nichts mit künstlerischem In-
teresse zu tun hat und dann als solche nie künstlerisch
fruchtbar werden kann. Ihnen ist das, was man mit
dem gleich klingenden Namen bezeichnen kann, auch
wirklich das Gleiche. Das ist aber eine grobe Täu-
schung: das Naturstudium in künstlerischem Sinn gehl
gerade den umgekehrten Weg, wie jenes, das so all-
gemein im Schwang ist. Sucht man hier durch bewußt
sachliche Betrachtung, Zergliederung und Überlegung
rein verstandlich-zwecksachlicher Art, die völlig ohne
Zusammenhang mit dem steht, was nun einmal der
Sinn alles Künstlerischen ist, zum Künstlerischen zu
kommen, indem man dieses eigentlich fremde Gut
(es ist in seiner Art sicher ein Gut) kurzerhand in den
Gestaltungsvorgang zu übernehmen trachtet, so geht
man hier bei dem Naturstudium unseres Sinns von
der dem Geiste innewohnenden Gestaltungsmöglich-
keit, dieser verschieden entwickelten und verschie-
den kräftigen und reinen, durchaus nicht blassen und
abstrakten geistigen Klarheit, deren Auswirkung Dürer
eben mit dem innerlich-voller-Figur-Sein bezeichnet,
nach außen auf das Sichtbare und erfaßt es nun mit
ganz anderer Anteilnahme; nicht mehr kalt verständ-
lich, sondern begeistert, gepackt und voller Freude.
Dabei ist man durchaus nicht zügel- und schrankenlos,
in gewissem Sinn sogar sachlich, allerdings nicht
„dingsachlich", sondern „formsachlich", insofern, als
dieses geistige „Ding" die Form in ihrer ganzen Klar-
heit, Beseeltheit, Ailgemeingültigkeit und dennoch in
persönlicher Einmaligkeit erfaßt und herausgerissen
wird aus dem banalen Wirrwarr der Dinge, die der
unkünstlerische Mensch so billig die Natur nennt."
Hans Herrmann,
Schondorf am Ammersee, Landerziehungsheim

Kollegen und Kolleginnen,
welche eine Stelle suchen, mögen Ihre Anschriften an
meine Adresse senden, da die Bewerberliste für's neue
Jahr neu aufgeslelll wird. Nebenfächer angeben,
ferner wo zuletzt tätig. Z. Zf. ist eine Stelle neu zu
besetzen im Bezirk Halle. n. c, ..
Die Stellenvermittlung:
Karl Hils, Stuttgart, Hauptstätlerstraße Nr. 110

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