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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 11.1931

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Heft 3 (März 1931)
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Petersen, Benno: Wie Ostereier geschmückt werden
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Germer, Annemarie: Schnitzen aus Kreide, ein Versuch
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Umschau / Sprechsaal / Buchbesprechungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.28010#0098

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Abb. 4

Abb. 5 Abb. 1 Abb. 2 Abb. 3
Abbildungen zum Artikel Benno Petersen-Lübeck: „Wie Ostereier geschmückt werden”


ANNEMARIE GERM ER-BRAUNSBERG/OSTPREUSSEN:
SCHNITZEN AUS KREIDE, EIN VERSUCH

Bei meinen Schülerinnen hatte ich immer den Ein-
druck gewonnen, daß es ihnen sehr schwer fällt,
die plastische Form aus dem Ton aufzubauen, sozu-
sagen aus dem noch nicht Vorhandenen zu schöpfen,
und ich kam — wie wahrscheinlich schon einige vor
mir — auf den Gedanken, aus dem schon Daseienden,
also aus Holz, Gips usw. die Form durch Wegnehmen
herauszuholen. Diese Werkstoffe waren mir zu hart,
zu schwer zu bearbeiten, so suchte ich einen weite-
ren Weg und kam zur Kreide. Mit den in der Schule
vorhandenen Kreidestücken wurden Versuche ge-
macht, und als sie mir leidlicherscheinende Möglich-
keiten wiesen, bestellte ich durch meinen Buchbinder
Kreideblöcke von bestimmter Größe.
Da ich fand, daß zu dem von den Schülerinnen ver-
anstalteten Weihnachtsfeste eine auch von ihnen ge-
schaffene Krippe am Platze wäre, regte ich bei der
mir in diesem Fall geeigneten O II den Gedanken an.
— Wir einigten uns auf die Art der Figuren. Es sollten
mit Stoff bekleidete Drahtkörper werden, deren Köpfe
und Hände geschnitzt werden sollten, — in diesem
Fall also aus Kreide. Ich ließ, während die Schülerin-
nen sich etwas in die Technik einarbeiteten, Kreide-
würfel (jetzt würde ich Quader wählen) gießen.* Die
Aufgaben wurden verteilt. Die an der plastischen Form
Interessierten schnitzten die Köpfe und Hände, andere
bogen die Körper, arbeiteten die Kleider (die aus
Resten von Theaterkostümen geschneidert wurden)
’ Firma Günther Wagner: Würfel 7 cm Seilenlänge = 0,40 RM.

und die nach ihrer eigenen Überzeugung gänzlich
Unbegabten, bauten die Krippe.
Es ging nun an eine sehr eifrige, durchaus nicht
sehr lautlose Arbeit. Es gab Verzweiflungsausbrüche,
da die Kreide zuweilen Neigung hatte an unrechter
Stelle abzuplatzen. Aber schließlich kamen die Kopf-
und Handformen doch heraus. — Die Gesichter wirk- ■
ten zwar immer noch etwas flach; man sah es wohl,
es müßte eigentlich noch besser sein, aber — man
hatte seine Grenzen erreicht.
Es gab außer den 3 Hauptpersonen alte und junge
Hirten, deren Gewänder teilweise aus grauer Futter-
watte bestanden oder mit ihrer Hilfe rauhwirkend
gemacht wurden. Da waren auch die Heiligen drei
Könige mit prachtvollen Seidenmänteln, der inter-
essanteste, natürlich der schwarze, mit dicken roten
Lippen. Denn bemalt wurden die Figuren selbstver-
ständlich auch. Und zum Schluß verlieh ihnen der
Bernsteinlack den nötigen Glanz.
Inzwischen war auch die Krippe aus Ästen und die
Zwischenräume füllenden Zweigen entstanden, eben-
so Körper und Kleider. Es war sehr schön, die großen
Mädchen an dieser verhältnismäßig langwierigen und
nicht ganz leichten Arbeit mit andauerndem Interesse
arbeiten zu sehen.
Wahrscheinlich hat der ein oder andere Amtsge-
nosse ähnliche Versuche gemacht — denn schließlich
liegen ja die Ideen in der Lufll — aber es wäre recht
reizvoll, an dieser Stelle auch von ähnlichen Versuchen
des einen oder andern zu hören.

UMSCHAU
Bildung?
In der ausgezeichneten Zeitschrift „Zeitwende" (C.
H. Becksche Verlagsbuchhandlung, München) veröf-
fentlicht der Hauptherausgeber Tim Klein bemer-
kenswerte Glossen zur „Bildung". Er weist auf die
Wandlung hin, die dieser Begriff seit seinem ursprüng-
lichen Sinn (Bildung = „Gestalt") durchgemacht hat.
„Schon lange bezieht die neue Zeit „Bildung" aus-
schließlich auf die „geistige" Bildung. So ist das, was
früher als Bildung des ganzen Menschen angesehen
wurde, um sein Bestes beraubt. Heutzutage wird „Bil-
dung" wesentlich mit Wissen zusammengebracht oder
verwechselt . . . Versuchen wir es doch einmal, das
„Wissen" uns genauer anzusehen. Stellen wir uns
einen Menschen vor, der das Meyersche Konversa-
tionslexikon auswendig -wüßte; _dieser Mensch wäre
nicht der gebildeste, sondern der dümmste Mensch,
nach dem die Satiriker vergeblich fahnden, weil sie

einen immer noch dümmeren finden. Unser Wissen ist
nach dem Wort des Apostels Paulus nur Stückwerk.
Es ist aber auch, im strengen Sinne genommen, kein
wahrer, selbst errungener Besitz. Alles was wir wissen,
haben wir aus zweiter, dritter oder sechster Hand.
Und wir würden alle miteinander in die größte Ver-
legenheit kommen, wenn wir den Rechtsgrund unse-
res Wissens auf seinen Ursprung hin nachweisen woll-
ten. Es ist für die „Bildung" im Sinne von Gestalt
vollkommen gleichgültig, ob jemand weiß, wer das
Fahrrad erfunden hat. Die Hauptsache ist, daß er fah-
ren kann. Es ist auch vollkommen gleichgültig, ob
jemand etwas „weiß" von der Entstehung der Bücher
des Neuen Testaments. Die Hauptsache ist, daß er
selig wird ... Ich will selbstverständlich nicht sagen,
daß Schulen, Lehr- und Lernanstalten überflüssig sind.
Ich behaupte nur, daß sie, wenn sie im Bildungswahn,
der nur ein Ziel anstrebt, befangen sind, alles ver-
mitteln können, nur nicht Bildung. Die Bildung ist per-
sönlich, Allgemeinbildung unpersönlich und der wah-
ren Bildung schädlich."

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