Zeichnung eines Sechzehnjährigen Zum Artikel: Kunstpädagogische Arbeitswoche in Frankfurt a. M.
Erkenntnis des Kunstwerkes kommen. Die Schülerin,
die den Anstoß zu dem Thema gegeben hatte, war
von der Form ergriffen worden. Andere, darunter eine
23 Jährige, sahen das Hauptmoment in dem tiefen In-
halt der Bilder. Die Aussprache zeigte eine Gegen-
sätzlichkeit der Meinungen bezüglich Form und Inhalt.
Die Frage: „Ist bei Masereel Form und Inhalt wesens-
gleich," bleibt vorläufig offen. Herr Gottschow behält
es sich vor, ein ander Mal mit den Mädchen das
Ihema nochmal vorzunehmen. Nach seiner Meinung
soll das letzte Geheimnis nicht entschleiert werden.
Jede Schülerin soll sich selbst darum mühen und nicht
die Meinung des Lehrers als gesicherten Besitz nach
Hause tragen. Durch Worte kann man einem Kunst-
werk nicht bis ins letzte nachkommen, sondern nur
durch Schauen. Einige Öldruckbilder von Heiligen und
Christus, Nachahmungen von Reni in süßlicher Auf-
machung, wie man sie noch häufig auf dem Lande
findet, die den Schülerinnen lächerlich erscheinen,
beweisen ihnen, daß hier der schöne Inhalt reli-
giösen Menschen noch viel gibt trotz der schlechten
Form.
Die Unterrichtsstunde, in .der. eine Schülerin die Ab-
bildung einer Ofenkachel aus einem Mappenwerk
über Volkskunst der Klasse beschreibt, zeigt das Er-
gebnis, daß das auf begriffliche Art, allerdings durch
kindhafte Beschreibung übermittelte Bild in den Schü-
lerinnen Vorstellungsbilder auslöste, die dem Original
der Volkskunst ziemlich nahe kamen. Die Schülerin,
die die Kachel gesehen hatte, zeichnete danach ein
Erinnerungsbild an die Tafel, scheint aber durch das
Sehen des Bildes gehemmt zu sein. Das Kind gibt doch
stets nur das in ihm wohnende Vorstellungsbild wie-
der, das Ansehen eines Bildes oder Gegenstandes
kann unter Umständen die reine Vorstellung trüben.
Gottschow: „Der Fehler der alten Schule lag darin,
daß die fortschreitende Erschwerung in der Stellung
der Aufgabe zur Abdrosselung des kindlichen Gestal-
tungsvermögens führte. Die Aufgabe besteht darin,
die Grenzen so einfach zu ziehen, als das Fassungs-
vermögen des Jugendlichen ist. Wir Erwachsenen wis-
sen um die Elemente der Gestaltung, unser Vorstel-
lungsbild ist immer durch Begriffe gestört. Das Kind
ist unbewußt dem reinen Gestalten oft näher als der
Erwachsene. Nur die Erkenntnis der kindlichen Stufe
läßt uns das richtige Wort zum Weiterführen finden."
„Gestalten kann nur kommen aus reinem unbeschoi
tenen Herzen, reinem Geist und reiner Seele. Kinder
111
Erkenntnis des Kunstwerkes kommen. Die Schülerin,
die den Anstoß zu dem Thema gegeben hatte, war
von der Form ergriffen worden. Andere, darunter eine
23 Jährige, sahen das Hauptmoment in dem tiefen In-
halt der Bilder. Die Aussprache zeigte eine Gegen-
sätzlichkeit der Meinungen bezüglich Form und Inhalt.
Die Frage: „Ist bei Masereel Form und Inhalt wesens-
gleich," bleibt vorläufig offen. Herr Gottschow behält
es sich vor, ein ander Mal mit den Mädchen das
Ihema nochmal vorzunehmen. Nach seiner Meinung
soll das letzte Geheimnis nicht entschleiert werden.
Jede Schülerin soll sich selbst darum mühen und nicht
die Meinung des Lehrers als gesicherten Besitz nach
Hause tragen. Durch Worte kann man einem Kunst-
werk nicht bis ins letzte nachkommen, sondern nur
durch Schauen. Einige Öldruckbilder von Heiligen und
Christus, Nachahmungen von Reni in süßlicher Auf-
machung, wie man sie noch häufig auf dem Lande
findet, die den Schülerinnen lächerlich erscheinen,
beweisen ihnen, daß hier der schöne Inhalt reli-
giösen Menschen noch viel gibt trotz der schlechten
Form.
Die Unterrichtsstunde, in .der. eine Schülerin die Ab-
bildung einer Ofenkachel aus einem Mappenwerk
über Volkskunst der Klasse beschreibt, zeigt das Er-
gebnis, daß das auf begriffliche Art, allerdings durch
kindhafte Beschreibung übermittelte Bild in den Schü-
lerinnen Vorstellungsbilder auslöste, die dem Original
der Volkskunst ziemlich nahe kamen. Die Schülerin,
die die Kachel gesehen hatte, zeichnete danach ein
Erinnerungsbild an die Tafel, scheint aber durch das
Sehen des Bildes gehemmt zu sein. Das Kind gibt doch
stets nur das in ihm wohnende Vorstellungsbild wie-
der, das Ansehen eines Bildes oder Gegenstandes
kann unter Umständen die reine Vorstellung trüben.
Gottschow: „Der Fehler der alten Schule lag darin,
daß die fortschreitende Erschwerung in der Stellung
der Aufgabe zur Abdrosselung des kindlichen Gestal-
tungsvermögens führte. Die Aufgabe besteht darin,
die Grenzen so einfach zu ziehen, als das Fassungs-
vermögen des Jugendlichen ist. Wir Erwachsenen wis-
sen um die Elemente der Gestaltung, unser Vorstel-
lungsbild ist immer durch Begriffe gestört. Das Kind
ist unbewußt dem reinen Gestalten oft näher als der
Erwachsene. Nur die Erkenntnis der kindlichen Stufe
läßt uns das richtige Wort zum Weiterführen finden."
„Gestalten kann nur kommen aus reinem unbeschoi
tenen Herzen, reinem Geist und reiner Seele. Kinder
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