Bauen im Freien
Aus der Erziehungsanstalt
des Lehrers Lad. Svarc in Prag
wurden überwiegend vom Malerischen beherrscht.
Und wir haben in Berlin das Glück, dieses malerisch
geschaute große Wiener Barocktheater im Zauber
Reinhardtscher Inszenierungen noch einmal aufleuch-
ten zu sehen. Das Theater von Moskau endlich will
die Szene von Jedem literarischen und malerischen
Überschwang reinigen und sich am liebsten nur noch
nach Architektur und Tanz orientieren.
All diese Künste füllen miteinander oder nacheinan-
der das Theater mit Inhalt, geben ihm Ausdruck und
Kleid seiner Zeit. Aber das, wodurch wir zu atem-
losen Entzücken, zu explodierender Entladung hin-
gerissen werden — was das Theater allein kann
und warum unsere Großeltern das Theater genau so
liebten, wie wir es lieben — das ist die Kunst und
Persönlichkeit des Komödianten — ist das edel ra-
sende Feuer von Kainz, das unaussprechlich kunst-
gesättigte Timbre Carusos, die Tendressen der Figur
der Pawlowa,
Und daß das alles nicht völlig unvorstellbar im
Orkus der Vergangenheit versinkt, daß wir uns noch
vom Wiener Hanswurst Preehauser, von dem Vulkan
Matkowski, ja vom Shakespearetheater ein Bild ma-
chen können — dazu hilft uns allein die Malerei.
Es ist ganz eigentümlich — aber ohne ein Bild,
ohne eine Zeichnung bleiben unsere Vorstellungen
von Kunst und Persönlichkeit vergangener Epochen
schemenhaft blaß — wie ästhetische Aufsätze — oder
sind beladen mit gelehrten Anachronismen späterer
Geschlechter, denen nur noch literarische Quellen zur
Verfügung standen. Es ist amüsant, zu sehen, welch
unplaslische Vorstellungen aus dem Fehlen jeglichen
exakten Bildmaterials von der Bühne Shakespeares
und seinerzeit entstanden sind und sich halten konn-
ten. Wir wissen ja alle, daß man lange Zeit etwa
glaubte, daß der Szenenwechsel bei Shakespeare
durch Tafeln mit den Aufschriften „Wald", „Heide"
usw. angedeutet worden sei — ein typischer Ana-
chronismus einer späteren und schulgebildeten Zeit.
Zu Shakespeares Zeiten konnte der größte Teil des
Publikums gar nicht lesen: es war ihm also mit solchen
Tafeln auch gar nicht gedient . . . ganz abgesehen
von dem Fehlen jeglicher Andeutung dieses doch
recht drastischen Bühnenmittels in der später auf-
gefundenen Zeichnung des LondonerSwantheaters —
und ganz abgesehen von der so eindeutigen und
plastisch klaren dichterischen Lokalisierung in den
Shakespearestücken.
Die Geschichte des Theaters kann ohne Abbildun-
gen nicht gedacht werden. Erst das malerische oder
zeichnerische Dokument macht es uns möglich, uns
ein Bild vom Theater zu machen.
Damit sind die Beziehungen zwischen Theater und
Malerei — und auf diese wollen wir uns hier beschrän-
ken! übrigens erst ganz oberflächlich angedeutet.
Das gegenseitige Befruchten und Dienen geht viel
tiefer und läßt sich — zugunsten der Geschichte des
Theaters — in der Malerei unseres Abendlandes bis
in die tiefsten Abgründe der Bildmotive und in die
formalsten Einzelheiten des Aufbaus und der Kom-
position verfolgen. Wir sind überzeugt, daß eine Ge-
schichte des Theaters ohne Bilddokumente undenkbar
ist, daß aber auch eine Geschichte der Malerei ohne
das Theater an der besten Quelle unserer Kunst vor-
über geht. Das Theater ist eine der beiden großen
Realitäten und Themenquellen der europäischen Ma-
lerei, deren andere das Porträt ist.
Ich meine hier nicht bloß den äußeren Zusammen-
hang etwa der dekorativen Malerei mit der „Theater"-
Dekoration ihrer Zeit. Sie wissen ja, welche Theater-
maniaken es unter den großen Malern aller Zeiten
gab. Nicht nur Callot, Watteau und Magnasco sehen
und träumen ihre Bilder voll mit Theaterfiguren und
Szenen — Rembrandts magische Phantasie erfüllt
seine Bilder mit dem bezaubernden Zwielicht nächt-
lichen Mummenschanzes und mit dem Schmuck und
den Kostümen des richtigen Theaters. Die Heiligen-,
Legenden- und Kirchenbilder des Mittelalters sind
wahre Quellen der Geschichte der Mysterienauffüh-
rungen — d. h. des damaligen großen Theaters.
Denkbar und malbar ist ja in unserer Augenkunst
nur das wirklich Sichtbare, und es handelt sich hier —
wie bei allen geistigen Angelegenheiten — ja nicht
nur um „reine Äußerlichkeiten", sondern um letzte und
wichtigste Dinge der Vorstellung. Und es ist wohl
selbstverständlich, daß die Wirkung zwischen Theater
und Malerei nie einseitig, sondern stets eine Wechsel-
wirkung ist.
Wenn aber — und das ist der Grund, weshalb wir
das Theater einen Grundpfeiler der europäischen Ma-
134
Aus der Erziehungsanstalt
des Lehrers Lad. Svarc in Prag
wurden überwiegend vom Malerischen beherrscht.
Und wir haben in Berlin das Glück, dieses malerisch
geschaute große Wiener Barocktheater im Zauber
Reinhardtscher Inszenierungen noch einmal aufleuch-
ten zu sehen. Das Theater von Moskau endlich will
die Szene von Jedem literarischen und malerischen
Überschwang reinigen und sich am liebsten nur noch
nach Architektur und Tanz orientieren.
All diese Künste füllen miteinander oder nacheinan-
der das Theater mit Inhalt, geben ihm Ausdruck und
Kleid seiner Zeit. Aber das, wodurch wir zu atem-
losen Entzücken, zu explodierender Entladung hin-
gerissen werden — was das Theater allein kann
und warum unsere Großeltern das Theater genau so
liebten, wie wir es lieben — das ist die Kunst und
Persönlichkeit des Komödianten — ist das edel ra-
sende Feuer von Kainz, das unaussprechlich kunst-
gesättigte Timbre Carusos, die Tendressen der Figur
der Pawlowa,
Und daß das alles nicht völlig unvorstellbar im
Orkus der Vergangenheit versinkt, daß wir uns noch
vom Wiener Hanswurst Preehauser, von dem Vulkan
Matkowski, ja vom Shakespearetheater ein Bild ma-
chen können — dazu hilft uns allein die Malerei.
Es ist ganz eigentümlich — aber ohne ein Bild,
ohne eine Zeichnung bleiben unsere Vorstellungen
von Kunst und Persönlichkeit vergangener Epochen
schemenhaft blaß — wie ästhetische Aufsätze — oder
sind beladen mit gelehrten Anachronismen späterer
Geschlechter, denen nur noch literarische Quellen zur
Verfügung standen. Es ist amüsant, zu sehen, welch
unplaslische Vorstellungen aus dem Fehlen jeglichen
exakten Bildmaterials von der Bühne Shakespeares
und seinerzeit entstanden sind und sich halten konn-
ten. Wir wissen ja alle, daß man lange Zeit etwa
glaubte, daß der Szenenwechsel bei Shakespeare
durch Tafeln mit den Aufschriften „Wald", „Heide"
usw. angedeutet worden sei — ein typischer Ana-
chronismus einer späteren und schulgebildeten Zeit.
Zu Shakespeares Zeiten konnte der größte Teil des
Publikums gar nicht lesen: es war ihm also mit solchen
Tafeln auch gar nicht gedient . . . ganz abgesehen
von dem Fehlen jeglicher Andeutung dieses doch
recht drastischen Bühnenmittels in der später auf-
gefundenen Zeichnung des LondonerSwantheaters —
und ganz abgesehen von der so eindeutigen und
plastisch klaren dichterischen Lokalisierung in den
Shakespearestücken.
Die Geschichte des Theaters kann ohne Abbildun-
gen nicht gedacht werden. Erst das malerische oder
zeichnerische Dokument macht es uns möglich, uns
ein Bild vom Theater zu machen.
Damit sind die Beziehungen zwischen Theater und
Malerei — und auf diese wollen wir uns hier beschrän-
ken! übrigens erst ganz oberflächlich angedeutet.
Das gegenseitige Befruchten und Dienen geht viel
tiefer und läßt sich — zugunsten der Geschichte des
Theaters — in der Malerei unseres Abendlandes bis
in die tiefsten Abgründe der Bildmotive und in die
formalsten Einzelheiten des Aufbaus und der Kom-
position verfolgen. Wir sind überzeugt, daß eine Ge-
schichte des Theaters ohne Bilddokumente undenkbar
ist, daß aber auch eine Geschichte der Malerei ohne
das Theater an der besten Quelle unserer Kunst vor-
über geht. Das Theater ist eine der beiden großen
Realitäten und Themenquellen der europäischen Ma-
lerei, deren andere das Porträt ist.
Ich meine hier nicht bloß den äußeren Zusammen-
hang etwa der dekorativen Malerei mit der „Theater"-
Dekoration ihrer Zeit. Sie wissen ja, welche Theater-
maniaken es unter den großen Malern aller Zeiten
gab. Nicht nur Callot, Watteau und Magnasco sehen
und träumen ihre Bilder voll mit Theaterfiguren und
Szenen — Rembrandts magische Phantasie erfüllt
seine Bilder mit dem bezaubernden Zwielicht nächt-
lichen Mummenschanzes und mit dem Schmuck und
den Kostümen des richtigen Theaters. Die Heiligen-,
Legenden- und Kirchenbilder des Mittelalters sind
wahre Quellen der Geschichte der Mysterienauffüh-
rungen — d. h. des damaligen großen Theaters.
Denkbar und malbar ist ja in unserer Augenkunst
nur das wirklich Sichtbare, und es handelt sich hier —
wie bei allen geistigen Angelegenheiten — ja nicht
nur um „reine Äußerlichkeiten", sondern um letzte und
wichtigste Dinge der Vorstellung. Und es ist wohl
selbstverständlich, daß die Wirkung zwischen Theater
und Malerei nie einseitig, sondern stets eine Wechsel-
wirkung ist.
Wenn aber — und das ist der Grund, weshalb wir
das Theater einen Grundpfeiler der europäischen Ma-
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