Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend
— N.F. 11.1931
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DOI Heft:
Heft 5 (Mai 1931)
DOI Artikel:Görnitz, W.: Otto Mueller: ein Nachruf
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Ein Werk von Otto Mueller
geweckte Otto die Schule, auf der es aber dem jun-
gen Eigenbrödler durchaus nicht behagte. Nun folgte
ein Versuch auf einer „Presse", als aber auch dieser
Versuch scheiterte, kam er zu einem Lithographen in
die Lehre. Sein zweiter Lehrmeister erkannte die
schöpferische Kraft seines Lehrlings und erwirkte es,
daß Mueller auf eine Akademie kam. Von 1896—98
besuchte Otto die Akademie in Dresden und lebte
dann, ganz sich und seiner Kunst hingegeben, zurück-
gezogen in Schreiberhau. Im Jahre 1908 schloß er sich
der von Heckel, Pechstein, Schmidt-Rottluff, Kirchner
und Nolde gegründeten „Brücke" an. 1919 berief ihn
Endell an die Akademie nach Breslau. An dieser Hoch-
schule hat Professor Otto Mueller als Lehrer gewirkt,
verehrt von seinen Schülern, denen er stets ein warm-
herziger Förderer und vielen auch ein Freund gewe-
sen war, geachtet und geschätzt von seinen Amts-
kollegen und der gesamten schlesischen Künstler-
schaft. Nun zu seinem Werk. Otto Muellers Schaffen
fällt in eine Zeit höchster kultureller Spannungen; das
alte Akademische stand mit dem neuen Individuellen
im Kampfe. Otto Mueller knüpfte zunächst an Böcklin
an, versuchte sich eine Zeitlang im Jugendstil und
stand im Banne des Impressionismus. Die Ausstellung
bringt aus diesen einzelnen Epochen aufschlußreiche
Belege. Überraschend früh findet er die Synthese
vom Ich und All und kommt zu seiner Eigenart. Dieser
Eigenart bleibt er bis zu seinem frühen Ende treu,
ohne daß es ihm vergönnt gewesen wäre, diese
weiter zu entwickeln. Trotzdem bleibt er aber ein
restlos Schaffender. Die Welt, die uns Otto Mueller
in seinen Werken erstehen läßt, erschließt sich nicht
jedermann unmittelbar; schon das „Milieu" — meist
werden Motive aus dem Zigeunerleben behandelt —
läßt das nicht zu. Nur Menschen, welche imstande
sind, die Melodie zu erfühlen, die in seinen Gestal-
tungen klingt, werden ihn ganz verstehen. Es sind
keine Melodien der lauten Lebensfreude, die Mueller
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