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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 11.1931

DOI Heft:
Heft 5 (Mai 1931)
DOI Artikel:
Reupke, Ernst: Die Blume des Fakirs
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https://doi.org/10.11588/diglit.28010#0150

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Allerlei Werkarbeif in Holz

Aus doi Eiziehuncjsanslall
des Lehrers Lad. Svatc in Prag

Lichtung, wo wir den Magier vor einer dichten Ge-
büschwand stehen sahen.
Aber wie verwandelt sieht der Magier jetzt aus.
Seine Haut ist quittengelb und aus violetten Augen-
höhlen schießen harte, grüne Augen bohrende Blicke
auf uns. Nun deutet er auf den Boden, wo wir einen
kleinen Hügel sich formen sehen, dem etwas entsteigt,
ein Etwas, mit den Augen noch nicht ganz faßbar, gal-
lertartig, quallig, aber mit bunten Fäden durchzogen,
jetzt aufsteigend, wachsend, und oben anschwellend
und sich verbreiternd. Und nun scheinen sich be-
stimmte Formen herausringen zu wollen: bald erscheint
es breit elliptisch, mit langvorschießenden und zurück-
weichenden Rändern, bald spitzhutförmig, nach unten
zerfließend, aufwallend und im Kreise tänzelnde, sich
Überschlagende Wellenlinien bildend, aus deren Mitte
es sich hinaufschlängelt, windet und dreht, bis es sich
oben zusammenballt zu einem tiefgefurchten, hirn-
ähnlichen Knäuel. Wollen sich Gedanken formen? Ist
hier ein Wille, der uns betören will? Da, ein ruck-
artiges Erstarren, krampfhaftes Sichzusammenziehen
und nun ist es hart, scharfkantig, kristallisch. Nach
allen Seiten schießen neue Kristalle hervor, scharfe
Zweige, spitzige Äste und Blumen von schneidender
Schärfe bildend, und das Ganze ist überrieselt von
allen Regenbogenfarben. Da! Unten ein Aufglühenl
Ein blaugrüner Blitz schießt von unten nach oben hin-
durch, der die Blumen sprühend zerknallt. Doch in dem
Stumpf steckt noch Leben; in schlängelnder, pendeln-
der Bewegung wächst etwas auf, einer Tierblume
gleich, auf dem Meeresgründe gewachsen, und lange
Polypenarme quellen hervor und in der Mitte bildet
sich ein unförmlicher Kopf mit Stielaugen und schlür-
fendem Saugmaul Nun reißt es sich los und schwimmt
nach oben, doch auf dem Wasserspiegel wird es zur
tiefblauen Wasserblume mit gelben Blättern und roten
Ranken. Diese heben sich, umranken und umschlingen
sich gleich wirbelnd emporgezogenen Spiralen, in
deren Mitte sich Neues formt, saftgrün, doch für die
Augen noch nicht deutbar. Ist das ein Stengel? Bilden
sich Blätter und Blüten? Doch neinl Wieder dieses
Aufwallen und Zurücksinken, dieses Vorquellen und
Zurückweichen, Aufblähen und Zusammenschrumpfen.
Doch nun sehen wir es lang hervorschießen. Ein Rüssel

ist es mit kopfartiger Verdickung. Hörner und Ohren
bilden sich, — nein, Blütenblätter sind's in seltsamsten
Formen; Staubgefäße wachsen, — nein, Haare sind es;
Augen quellen hervor, — nein, glänzende Tautropfen
sind es und darunter bewegt sich etwas wie ein
flatternder Seidenmantel. Ist's nun ein Blumeninsekt
oder eine Insektenblume? Es glitzert und strahlt, als
wäre es wie mit kleinsten Edelsteinen übersät. Unfaß-
bar für das Auge wogen und zerfließen die Formen
schon wieder zu einem Linienknäuel. Die Linien schwel-
len auf, runden sich und werden schlangenartig; der
Knäuel entwirrt sich, es bilden sich Glieder und Kno-
ten, und da schweben Gebilde vor uns, kakteenartig,
bald schlank, zierlich, gedreht, geschwungen; bald
kurz, gedrungen, geballt, ausgebreitet, und aus den
Knoten bilden sich Knospen, die sich zu merkwürdigen,
herrlichen Blüten entfalten, aus denen es glitzernde
Sternstäubchen regnet. Da, gerade vor mir, bildet
sich eine wundervolle, zierliche Kelch-Trichterblume
mit wallendem, fließenden Rande. Im blauen Grunde
scheint ein Rubin zu glühen. Die will ich greifen, um
sie endlich zu halten. Doch da ein Hervorschießen
von Flammenzungen und entsetzt weicht sie mit mimo-
senhaftem Zittern meiner Hand aus. Ich ziehe die
Hand zurück. Da bewegt sie sich wieder auf mich zu,
auf ihrem Schlangenleibe sich wiegend und schwin-
gend. Ich suche sie nochmals zu greifen, doch da
wird ihr Zittern zum zornigen Rütteln und Schütteln
und aus ihren schuppigen Blättern springen knisternde
Funken. Plötzlich ist sie zur giftigen Drachenblume
geworden, die mir fauchend ins Gesicht fährt. Ich
bekomme einen furchtbaren Schlag, werde hochgeris-
sen und falle mit einem Schrei zu Boden! — Und als
ich wieder zu mir kam, da war ich aus dem Bette
gefallen. —
„Das war ja ein Trauml Es war ja gar nicht wahrl
War das wirklich nur ein Traum?" So fragten meine
Schüler erregt durcheinander, als ich ihnen dieses
erzählte. Die Frage, ob Erfindung oder Wahrheit, habe
ich absichtlich offen gelassen. Doch die Spannung war
sehr groß. Einige durften nun sagen, was ihnen am
besten gefallen hatte. Danach stellte ich meine Auf-
gabe: Nun sollt ihr alle einmal selbst Zauberer sein.
Jeder nimmt seinen Zauberstab zur Hand, d. i. euer

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