Linolschnitt
Schülerarbeit der
Schloß-Realschule
in Stuttgart
(Sludienrat Fuchs)
Einladungs - Karte
zum Besuch einer
Ausstellung von
Schülerarbeiten
ERWIN HECKMANN-ETTERSBURG:
DIE MITARBEIT UNBEWUSSTER KRÄFTE IM
SCHLOSS REALSCHULE
STUTTGART
AUSSTELLUNG VON
SCHÜLERARBEITEN
29JMRIM4UHR
TEMRZ11-1UHR
G('HLOSSTRASSE53A
BILDGESTALTENDEN UNTERRICHT
ii.
VVie weit bewußtes und unbewußtes Schaffen neben-
einander hergehen oder ineinandergreifen, können wir
oftmals beim Arbeiten der Schüler und beim eigenen
Schaffen beobachten. Während der Arbeit drängen
sich bisweilen ganz andere Formen und Ideen In
unsere Vorstellung, die scheinbar mit unserem Schaf-
fen nichts zu tun haben, ja, es hemmen. Wenn wir Zeit
haben, notieren wir sie schnell, schriftlich oder zeich-
nerisch, farbig oder plastisch, so wie sie es eben ver-
langen. Dadurch befreien wir uns von ihnen, ohne sie
ganz zu verlieren, was überaus wichtig ist, denn oft
sind es die wertvollsten Einfälle. Dann arbeiten wir
weiter. Oft gestalten die unbewußten Kräfte in uns
Formen ganz eigener Art, angeregt durch irgend
etwas, das die Seele von innen her in Schwingungen
versetzte, während sich das Bewußtsein an Formen
hält, die durch äußeres Sehen erlebt wurden. Zusam-
menhänge sind immer vorhanden und meist ist das un-
bewußte Mitschaffen eine wichtige, ja die wich-
tigste Ergänzung und Förderung der be-
wußt vor sich gehenden Arbeit. Deshalb dürfen wir
nicht an diesen überaus wichtigen Vorgängen vor-
übergehen, die uns nicht nur in den Stand setzen,
Hemmungen in den Schülern zu erkennen, sondern sie
auch zu beseitigen. Zur besseren Veranschaulichung
möge ein Beispiel dienen.
Ein fähiger Schüler, 15 Jahre alt, der noch an einem
meiner besonderen Zeichenkurse teilnahm, beabsich-
tigte, eine größere Komposition zu machen. Ihm
schwebte der Überfall eines weißen Reiters durch
Indianer vor. Einer sollte dem Pferd in die Nüstern
greifen, ein anderer den Reiter aus dem Sattel reißen,
ein dritter das Pferd von unten erstechen und ein
vierter, bereits vom Reiter erschossen, vor dem
Pferde liegen. Der Schüler machte zunächst eine Ent-
wurfskizze und begann dann, die einzelnen Figuren in
seiner Vorstellung herauszuarbeiten. Er fing mit dem
Pferd an, wagte sich dann an eine Gruppe, ging aber,
da er sie noch nicht bewältigen konnte, wieder zum
Pferd zurück mit der Absicht, diese Form zu gestalten.
Dabei kam er aber über die erste Notierung nicht hin-
aus, well plötzlich ein anderes Bild seine Vorstellung
erfüllte und ihn zu sichtbarer Gestaltung drängte.
Während der Junge bewußt in seiner Vorstellung ver-
sucht hatte, das Pferd zu bilden, gestalteten seine
schöpferischen Kräfte, ihm unbewußt, die Figur eines
Indianers. Als diese fertig war, trat sie in sein Be-
wußtsein und verdrängte das Pferdebild so vollstän-
dig, daß der Junge nicht anders konnte, als das neue
Bild zu zeichnen. Er sagte es mir und gestaltete so-
fort. Dieser selbe Vorgang der Verdrängung eines
Bildes in der Vorstellung durch ein anderes wieder-
holte sich im Gesamtrahmen dieser Arbeit noch einmal.
Es gibt natürlich weit mehr Möglichkeiten und Wege,
die unbewußten Kräfte frei zu machen, als ich ange-
führt habe, und je nach den Verhältnissen werden sie
verschieden sein müssen. Oftmals werden wir auch
durch die Schüler selbst auf neue Möglichkeiten hin-
gewiesen und wir tun dann gut daran, sie anzuwen-
den.
So ließ ich einmal die Wandtafel abwischen, fand
sie aber, als ich von meinem Gang durch die Klasse
zurückkam und die Tafel benützen wollte, noch voller
Kreidespuren. Ich wies den betreffenden Schüler, der
sie abgewischt hatte, an, es besser zu machen; da
rief einer der Jungen auf den hintersten Plätzen:
„Bitte, lassen Sie es doch stehen, ich zeichne eben
etwas daraus." Er hatte in den Kreidespuren Andeu-
tungen einer Landschaft gesehen, der er nun Gestalt
und Form gab. Ich selbst war um eine Möglichkeit
reicher und benützte sie von nun an öfter als Anregung.
Naturformen geben uns bisweilen auch bildhafte
Ideen, die sich in uns formen ohne unser Wollen und
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Schülerarbeit der
Schloß-Realschule
in Stuttgart
(Sludienrat Fuchs)
Einladungs - Karte
zum Besuch einer
Ausstellung von
Schülerarbeiten
ERWIN HECKMANN-ETTERSBURG:
DIE MITARBEIT UNBEWUSSTER KRÄFTE IM
SCHLOSS REALSCHULE
STUTTGART
AUSSTELLUNG VON
SCHÜLERARBEITEN
29JMRIM4UHR
TEMRZ11-1UHR
G('HLOSSTRASSE53A
BILDGESTALTENDEN UNTERRICHT
ii.
VVie weit bewußtes und unbewußtes Schaffen neben-
einander hergehen oder ineinandergreifen, können wir
oftmals beim Arbeiten der Schüler und beim eigenen
Schaffen beobachten. Während der Arbeit drängen
sich bisweilen ganz andere Formen und Ideen In
unsere Vorstellung, die scheinbar mit unserem Schaf-
fen nichts zu tun haben, ja, es hemmen. Wenn wir Zeit
haben, notieren wir sie schnell, schriftlich oder zeich-
nerisch, farbig oder plastisch, so wie sie es eben ver-
langen. Dadurch befreien wir uns von ihnen, ohne sie
ganz zu verlieren, was überaus wichtig ist, denn oft
sind es die wertvollsten Einfälle. Dann arbeiten wir
weiter. Oft gestalten die unbewußten Kräfte in uns
Formen ganz eigener Art, angeregt durch irgend
etwas, das die Seele von innen her in Schwingungen
versetzte, während sich das Bewußtsein an Formen
hält, die durch äußeres Sehen erlebt wurden. Zusam-
menhänge sind immer vorhanden und meist ist das un-
bewußte Mitschaffen eine wichtige, ja die wich-
tigste Ergänzung und Förderung der be-
wußt vor sich gehenden Arbeit. Deshalb dürfen wir
nicht an diesen überaus wichtigen Vorgängen vor-
übergehen, die uns nicht nur in den Stand setzen,
Hemmungen in den Schülern zu erkennen, sondern sie
auch zu beseitigen. Zur besseren Veranschaulichung
möge ein Beispiel dienen.
Ein fähiger Schüler, 15 Jahre alt, der noch an einem
meiner besonderen Zeichenkurse teilnahm, beabsich-
tigte, eine größere Komposition zu machen. Ihm
schwebte der Überfall eines weißen Reiters durch
Indianer vor. Einer sollte dem Pferd in die Nüstern
greifen, ein anderer den Reiter aus dem Sattel reißen,
ein dritter das Pferd von unten erstechen und ein
vierter, bereits vom Reiter erschossen, vor dem
Pferde liegen. Der Schüler machte zunächst eine Ent-
wurfskizze und begann dann, die einzelnen Figuren in
seiner Vorstellung herauszuarbeiten. Er fing mit dem
Pferd an, wagte sich dann an eine Gruppe, ging aber,
da er sie noch nicht bewältigen konnte, wieder zum
Pferd zurück mit der Absicht, diese Form zu gestalten.
Dabei kam er aber über die erste Notierung nicht hin-
aus, well plötzlich ein anderes Bild seine Vorstellung
erfüllte und ihn zu sichtbarer Gestaltung drängte.
Während der Junge bewußt in seiner Vorstellung ver-
sucht hatte, das Pferd zu bilden, gestalteten seine
schöpferischen Kräfte, ihm unbewußt, die Figur eines
Indianers. Als diese fertig war, trat sie in sein Be-
wußtsein und verdrängte das Pferdebild so vollstän-
dig, daß der Junge nicht anders konnte, als das neue
Bild zu zeichnen. Er sagte es mir und gestaltete so-
fort. Dieser selbe Vorgang der Verdrängung eines
Bildes in der Vorstellung durch ein anderes wieder-
holte sich im Gesamtrahmen dieser Arbeit noch einmal.
Es gibt natürlich weit mehr Möglichkeiten und Wege,
die unbewußten Kräfte frei zu machen, als ich ange-
führt habe, und je nach den Verhältnissen werden sie
verschieden sein müssen. Oftmals werden wir auch
durch die Schüler selbst auf neue Möglichkeiten hin-
gewiesen und wir tun dann gut daran, sie anzuwen-
den.
So ließ ich einmal die Wandtafel abwischen, fand
sie aber, als ich von meinem Gang durch die Klasse
zurückkam und die Tafel benützen wollte, noch voller
Kreidespuren. Ich wies den betreffenden Schüler, der
sie abgewischt hatte, an, es besser zu machen; da
rief einer der Jungen auf den hintersten Plätzen:
„Bitte, lassen Sie es doch stehen, ich zeichne eben
etwas daraus." Er hatte in den Kreidespuren Andeu-
tungen einer Landschaft gesehen, der er nun Gestalt
und Form gab. Ich selbst war um eine Möglichkeit
reicher und benützte sie von nun an öfter als Anregung.
Naturformen geben uns bisweilen auch bildhafte
Ideen, die sich in uns formen ohne unser Wollen und
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