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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 11.1931

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Heft 9 (September 1931)
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Hils, Karl: Vom Geräusch zur Musik
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Lust, August: Papierlaternen mit geölten Durchscheinbildern: Gestaltung und Darstellung im künstlerischen Werkunterricht; ein ausgeführtes Unterrichtsbeispiel
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https://doi.org/10.11588/diglit.28010#0255

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gesungen. Und nun wurden alle Instrumente bewußt
im Melos der Quinte geschaffen. Die ein- und zwei-
saitigen Instrumente spielten wir in immer gleichblei-
bender Dudelsack-Quintenbegleitung. Auf diese Weise
konnten alle Kinder ohne Notenkenntnisse mitspielen
und in der Musik gestalterisch mitwirken, während sie
sonst nur zuhören mußten, mit Ausnahme der Glück-
lichen, die zu Hause Klavier- oder Violinunterricht be-
kamen. Aber wenn wir mit unseren selbstgebauten
Instrumenten ins Freie zogen und alte deutsche Lieder
sangen und spielten, so hatten wir jeweils fröhliche
schöne Stunden. Wohl wurde uns von verwöhnten
Großstadtkindern vorgehalten: „aber moderne Schla-
ger bringt ihr nicht fertig" und wir’ mußten das zu-
geben. Unsere einfachen Instrumente erlaubten es
nicht. Aber es war vielleicht gut so.

Nach und nach versuchten wir unsere Instrumente
zu vervollkommnen. Besonders die Form der altale-
mannischen Harfe, wie sie in einem Grab zu Ober-
flecht bei Tuttlingen gefunden wurde, erhielt von uns
eine mehr und mehr sorgfältige Bearbeitung. Wir lern-
ten den Klangkörper weit und volltönend zu gestalten.
Auch die Befestigung der Saiten mit Ringschrauben
genügte uns nicht mehr: wir verwendeten gedrehte
Holzwirbel. Die Schallöcher erhielten zweckmäßige
Formen und verschiedenartige Gestalt. Aber jeder
Ton, der zuerst einem Instrument entlockt wird, be-
deutet für uns ein neues Erlebnis und eine neue Über-
raschung. Ich blieb mehr beim Werktechnischen des
Instrumentenbaus und überließ das Musikalische den
berufenen Stellen der Musiklehrerin und dem Musik-
lehrer, und bei geteilter Arbeit glaube ich, daß etwas
aus dieser Arbeit werden kann.

STUDIENRAT AUGUST LUST-SCHRAMBERG:
PAPIERLATERNEN MIT GEÖLTEN DURCHSCHEINBILDERN
Gestaltung und Darstellung im künstlerischen Werkunterricht. Ein ausgetührtes Unterrichtsbeispiel

Hüt isch Chilbe, mor'n isch Chilbe
bis zum Mittwochobod,
wenn i zu mein Schätjle komm,
no sag i guoten Obed, usw.
So klingt's an den Oktoberabenden vor der Kirch-
weih (Chilbe) begeistert an allen Ecken und Enden
unseres auf der alemannischen Sprachgrenze liegen-
den Städtchens. Große und kleine Kinder ziehen in
Häuflein mit farbigen Laternen unter diesem Sing-Sang
durch die Straßen. Vor freigebigen Türen heischen sie
nach altem Brauch ihre „Küachla" und schon längst
anerkannte Ersatzstoffe. Acht Tage lang sind die Kin-
der erfüllt von dieser Freude. Selbst die Alten, unter
der Türe stehend, werden davon ergriffen.
Die Laternen, die die Kinder tragen, sind fast aus-
nahmslos Fabriklampions in ihren bunten Farben und
in ihren gefalteten Kugel- oder Zylinderformen. Fin-
dige Kinderköpfe, denen der väterliche Geldbeutel
zu verschlossen oder denen die herkömmliche Art zu
langweilig, kommen auf eigene Gedanken. Große
Kürbisse, Rüben werden ausgehöhlt und in grober
Weise „schrecklich" ausgestaltet: große Glotzaugen,
ungestalte Nasen, gähnende Rachen mit zwei Reihen
drohender Zähne werden in die weichen Wände ein-
geschnitten. Andere machen sich eine Zigarren- oder
Pappschachtel zurecht und zeigen da dieselbe Aus-
druckskunst. Die Träger sind besonders stolz auf ihr
Kunstwerk, wenn es abenteuerlich leuchtend als Mit-
telpunkt einer Masse braver Lampions dahinschwankt.
Anknüpfend an diesen alten Volksbrauch stellte ich
meiner 4. Klasse (Ulli) die Frage: Wie wäre es, wenn
wir in den Werkstunden Chilbelaternen machen wür-
den? Sie waren gleich einverstanden damit und freu-
ten sich darüber, wie es eben schwerfällige Schwarz-
wälder Kinder tun können. Gleich kam die Frage: Aus
was machen wir denn die zurecht? Aus Zeichenpapier,
selbstverständlich! Denn das können wir aus dem
Werkunteriicht her so leicht bearbeiten. Außerdem ist
Papier auch so gut durchscheinend für den warmen,
milden Kerzenschein. Die feinen Kerls, die ihr sonst
in Rüben und Kürbisse hineinschneidet, wollen wir
aber auch dabei haben. Wir klatschen sie eben als
flache Fratzen auf unsere Papierwände. Damit sie ge-
wiß fürchterlich aussehen, machen wir sie alle als
schwarze Teufel. Wir zeichnen sie erst gar nicht auf.
Frisch tauchen wir den starken Pinsel in die tief-
schwarze chinesische Teufelsbrühe und malen darauf
los. Der Pinsel ist so geschickt. Er gibt so rasch große

Man
der

Flecken, und die Linien werden nicht so dünn,
sieht sie infolgedessen auch viel besser. Geht
Pinsel mal ein bißchen einen falschen Weg, dann
macht das gar nichts. Vielleicht gibt der Strich eine >
Borste oder der Fleck eine gar große Warze. Können

wir gerade gebrauchen für unsere Teufelsbrut! Für
die Einzelheiten der Gesichter brauche ich gar keine
Anregung zu geben. Die Kinder sind in dieser Zeit

„inwendig voller Form". Die beigegebenen Beispiele


dürften das beweisen. Dagegen halte ich Hinweise
auf die Besonderheiten des Schwarz-weiß-Ausdrucks-
mittels für angebracht. Die Kinder sind mit ihren 14 Jah-
ren schon bewußt und nicht mehr naiv im Gestalten.
Ich zeige ihnen zwei selbstgemaite Fratzen im Fen- ä
ster gegen das Licht gehalten. Schülerarbeiten sind
natürlich unterrichtlich besser, aber ich habe eben
noch keine zur Verfügung. Ich kenne die Gefahr der
Beeinflussung. Aber erstens sind sie so erfüllt von
eigener Form, und zweitens liegt das Bild nur auf
einige Minuten vor ihren Augen. Außerdem sind sie
durch die Besprechung von den Einzelheiten und
ihrem Einbau in die Gesamtform abgelenkt. Die zwei
Beispiele zeigen nun, daß bei einer Schwarz-weiß-
Gestaltung das einemal das Schwarze die gewollte
(positive) Form an sich bindet, und das Weiße als
Rest ohne bewußten Willen übrig bleibt, das andere-
mal Weiß formgebend ist. (Die abgebildeten Schüler-
arbeiten sind je zwei solche Paare.) Da aber in bei-
den Fällen die Hand (Pinsel) in Schwarz arbeitet, ist
die erste Möglichkeit, bei der sie positiv arbeiten
kann, leichter. Ich lasse darum diese Art der Form-
gebung zuerst durchführen. Dann folgt die Ausfüh-
rung mit viel Schwarz und ausgespartem Weiß. Was

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