die musischen Fächer ein unentbehrlicher Bestandteil
der Menschenbildung sind. Es liegt vielleicht ein tie-
fer Sinn darin, daß der erste Teil des Wortes „Kaloka-
gathia" „schön" bedeutet.
Wir stehen vor der uns im tiefsten erschütternden
Tatsache, daß das Lebenswerk einer Generation be-
geisterter deutscher Kunsterzieher wie durch einen
Blitzschlag vernichtet, wurde. Besonders niederdrük-
kend ist für uns das Gefühl, daß niemand schützend
den Schild vor die gefährdete Kunsterziehung hielt,
kein Minister, kein Fachdezernent, keine Kunstaka-
demie, kein Fachberater. Sind diese Faktoren, denen
die Pflege unseres Faches anvertraut ist, überhaupt
nicht gefragt worden? Wurde von keiner der maß-
gebenden Stellen wenigstens versucht die Einbuße
auf ein erträglicheres Maß zu beschränken? Sind
Städtetag und Geldbeutel die allmächtigen Herrscher,
denen sich alles beugt, schweigend zu beugen hat?
Dann bleibt noch immer die Frage offen: Warum
diese brutale Einseitigkeit? Doch nicht
etwa, weil die Organisation der Kunsterzieher nicht
durch die Zahl ihrer Mitglieder so imponieren kann
wie andere Verbände? Doch nicht, weil die paar Zei-
chen- und Musiklehrer nicht laut genug schreien kön-
nen? Oder doch nicht etwa deswegen, weil es sich
nur um „Krimskram" handelt, wie einmal im preuß.
Finanzministerium Vertretern unseres Verbandes ge-
sagt wurde? Mit Recht fragt der preußische Kunst-
erzieher: Warum findet sich bei den wissenschaftlichen
Fächern ein Abbau von 4—5 Prozent und beim Zeich-
nen ein Abbau bis 33 Prozent? Interessant — viel-
leicht auch für die parteipolitische Zusammensetzung
<J<;i lioibondun Kiuftc bei diesem Sturmluuf auf die
Kunsterziehung — dürfte der Umstand sein, daß meines
Wissens nur ein Fach unangetastet blieb: die Religion.
Wir fragen: Wer ist der Urheber des
vernichtendenSchlagesgegendieKunst-
erziehung an der höheren Schule? Wir
fordern mit dem Philologenverband
eine ganz klare und unzweideutige amt-
liche Darstellung der Vorgänge.
Zum Beweis der Berechtigung des Vorwurfes, daß
der Zeichen- und Kunstunterricht in ganz einseitiger
Weise durch die Sparmaßnahmen betroffen wurde,
füge ich untenstehende Zusammenstellung bei.
Hei, was war das doch für ein frohgemutes Schaffen
in den Zeichensälen, mit welcher Freude waren die
Jungens und Mädels bei der Sache, und wie begei-
stert gab sich der Zeichenlehrer seiner schönen Auf-
gabe hinl Jetzt wird ihm bescheinigt, daß auf seine
Arbeit am leichtesten verzichtet weiden kann. Man-
cher Schüler wird fragen: Warum gerade die Kunst-
fächer? Sie scheinen doch recht nebensächlich zu sein.
Enttäuscht und verbittert sieht der ältere Zeichen-
lehrer sein Lebenswerk zerschlagen am Boden liegen;
der jüngere blickt verzweifelt in eine dunkle Zukunft
voll bitterer wirtschaftlicher Not. Und die Referendare
und Assessoren des künstlerischen Lehramtes stehen
vor der geschlossenen Schulpforte: für euch ist kein
Platz, wir können euch nicht brauchen. „Oder aber",
so raunt es von irgendwo, „werdet Wissenschaftler,
macht noch ein bis zwei wissenschaftliche Fächer
nach, dann gelingt es vielleicht. Zeichnen als Haupt-
fach, als Lebensberuf, ist Utopie; als Nebenfach, als
bescheidenes Anhängsel an wissenschaftliche Lehr-
befähigungen, genügt es allen Anforderungen".
Arme Kunststudierende, die ihr mit heißer Liebe an
euerm Studium hängt. Der „schwarze Tag" sagt euch:
Kehrt um, ihr seid auf einem Irrweg. Und Ihr, Fach-
leiter an den Pädagogischen Seminaren, denen die
Ausbildung der Studienreferendare anvertraut ist, was
wollt Ihr eigentlich noch, was könnt Ihr Euern jungen
Amtsgenossen sagen oder gar geben? Und wozu
werden unter diesen Umständen noch Prüfungen für
das künstlerische Lehramt abgehalten? Was sagen
die Ausbildungsstätten für Zeichenlehrer, besonders
die Staatliche Kunstschule in Berlin zu diesen Spar-
maßnahmen? Und Du, Internationale Vereinigung für
Kunsterziehung, was sagst Du zu diesen Geschehnis-
sen in Deutschland, das sich stolz das Land der
Schulen nannte? Was sagst Du zu diesem Auftakt zu
dem für 1932 in Wien geplanten Internationalen Kbn-
greß für Kunsterziehung?
Man wird es den Kunsterziehern nicht verargen
können, wenn ihnen Gedanken des Kleinmutes und
der Hoffnungslosigkeit kommen.
Aber dennoch wäre es falsch, nun resignierend die
Arme zu kreuzen und sich zu sagen. Es ist doch alles
vergebens.
Klar liegt es vor unser aller Augen, daß wir allein
stehen und von außen her keine Hilfe zu erwarten
haben. Liebe Amtsgenossen, zieht daraus die Folge-
rung, daß es notwendig ist, sich enger als je zusam-
menzuschließen. Wir wollen trotz der verheerenden
Sparmaßnahmen fester denn je an unsere Aufgabe
glauben und trotz aller bitteren Erfahrungen nicht von
unserm Idealismus lassen.
Es geht um den Gedanken der Unent-
behrlichkeit der Kunsterziehung! An die-
sem Glauben lassen wir trotz Städtetag und Notver-
ordnung nicht rütteln. Dieser Glauben wird uns auch
durch den schwärzesten Tag führen.
Wer nur von heute auf morgen sieht, ist ein schlech-
ter Haushälter. Schulmeisterei erwartet das Heil nicht
von „kurzfristigen Anleihen", Schulmeisterei streut
Saat für die Zukunft.
Wahre Schulmeisterkunst zwingt die Zukunftl
Wir glauben an die hohe Aufgabe der Kunsterziehung!
Wir glauben an die Unentbehrlichkeit derselben!
Wir glauben an die deutsche Jugend!
Sparmaßnahmen an den preuß. höheren Schulen.
Gymnasium verliert
an
9
wissenschaftlichen Fächern
mit 235 Wochenstunden
13 Stunden
5,5 /o
II II
n
1
Kunstfach (Zeichnen)
II
14
II
2
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14,3”/«
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ii
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Zeichnen
II
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Zeichnen
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der Menschenbildung sind. Es liegt vielleicht ein tie-
fer Sinn darin, daß der erste Teil des Wortes „Kaloka-
gathia" „schön" bedeutet.
Wir stehen vor der uns im tiefsten erschütternden
Tatsache, daß das Lebenswerk einer Generation be-
geisterter deutscher Kunsterzieher wie durch einen
Blitzschlag vernichtet, wurde. Besonders niederdrük-
kend ist für uns das Gefühl, daß niemand schützend
den Schild vor die gefährdete Kunsterziehung hielt,
kein Minister, kein Fachdezernent, keine Kunstaka-
demie, kein Fachberater. Sind diese Faktoren, denen
die Pflege unseres Faches anvertraut ist, überhaupt
nicht gefragt worden? Wurde von keiner der maß-
gebenden Stellen wenigstens versucht die Einbuße
auf ein erträglicheres Maß zu beschränken? Sind
Städtetag und Geldbeutel die allmächtigen Herrscher,
denen sich alles beugt, schweigend zu beugen hat?
Dann bleibt noch immer die Frage offen: Warum
diese brutale Einseitigkeit? Doch nicht
etwa, weil die Organisation der Kunsterzieher nicht
durch die Zahl ihrer Mitglieder so imponieren kann
wie andere Verbände? Doch nicht, weil die paar Zei-
chen- und Musiklehrer nicht laut genug schreien kön-
nen? Oder doch nicht etwa deswegen, weil es sich
nur um „Krimskram" handelt, wie einmal im preuß.
Finanzministerium Vertretern unseres Verbandes ge-
sagt wurde? Mit Recht fragt der preußische Kunst-
erzieher: Warum findet sich bei den wissenschaftlichen
Fächern ein Abbau von 4—5 Prozent und beim Zeich-
nen ein Abbau bis 33 Prozent? Interessant — viel-
leicht auch für die parteipolitische Zusammensetzung
<J<;i lioibondun Kiuftc bei diesem Sturmluuf auf die
Kunsterziehung — dürfte der Umstand sein, daß meines
Wissens nur ein Fach unangetastet blieb: die Religion.
Wir fragen: Wer ist der Urheber des
vernichtendenSchlagesgegendieKunst-
erziehung an der höheren Schule? Wir
fordern mit dem Philologenverband
eine ganz klare und unzweideutige amt-
liche Darstellung der Vorgänge.
Zum Beweis der Berechtigung des Vorwurfes, daß
der Zeichen- und Kunstunterricht in ganz einseitiger
Weise durch die Sparmaßnahmen betroffen wurde,
füge ich untenstehende Zusammenstellung bei.
Hei, was war das doch für ein frohgemutes Schaffen
in den Zeichensälen, mit welcher Freude waren die
Jungens und Mädels bei der Sache, und wie begei-
stert gab sich der Zeichenlehrer seiner schönen Auf-
gabe hinl Jetzt wird ihm bescheinigt, daß auf seine
Arbeit am leichtesten verzichtet weiden kann. Man-
cher Schüler wird fragen: Warum gerade die Kunst-
fächer? Sie scheinen doch recht nebensächlich zu sein.
Enttäuscht und verbittert sieht der ältere Zeichen-
lehrer sein Lebenswerk zerschlagen am Boden liegen;
der jüngere blickt verzweifelt in eine dunkle Zukunft
voll bitterer wirtschaftlicher Not. Und die Referendare
und Assessoren des künstlerischen Lehramtes stehen
vor der geschlossenen Schulpforte: für euch ist kein
Platz, wir können euch nicht brauchen. „Oder aber",
so raunt es von irgendwo, „werdet Wissenschaftler,
macht noch ein bis zwei wissenschaftliche Fächer
nach, dann gelingt es vielleicht. Zeichnen als Haupt-
fach, als Lebensberuf, ist Utopie; als Nebenfach, als
bescheidenes Anhängsel an wissenschaftliche Lehr-
befähigungen, genügt es allen Anforderungen".
Arme Kunststudierende, die ihr mit heißer Liebe an
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wollt Ihr eigentlich noch, was könnt Ihr Euern jungen
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werden unter diesen Umständen noch Prüfungen für
das künstlerische Lehramt abgehalten? Was sagen
die Ausbildungsstätten für Zeichenlehrer, besonders
die Staatliche Kunstschule in Berlin zu diesen Spar-
maßnahmen? Und Du, Internationale Vereinigung für
Kunsterziehung, was sagst Du zu diesen Geschehnis-
sen in Deutschland, das sich stolz das Land der
Schulen nannte? Was sagst Du zu diesem Auftakt zu
dem für 1932 in Wien geplanten Internationalen Kbn-
greß für Kunsterziehung?
Man wird es den Kunsterziehern nicht verargen
können, wenn ihnen Gedanken des Kleinmutes und
der Hoffnungslosigkeit kommen.
Aber dennoch wäre es falsch, nun resignierend die
Arme zu kreuzen und sich zu sagen. Es ist doch alles
vergebens.
Klar liegt es vor unser aller Augen, daß wir allein
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behrlichkeit der Kunsterziehung! An die-
sem Glauben lassen wir trotz Städtetag und Notver-
ordnung nicht rütteln. Dieser Glauben wird uns auch
durch den schwärzesten Tag führen.
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Wir glauben an die Unentbehrlichkeit derselben!
Wir glauben an die deutsche Jugend!
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mit 235 Wochenstunden
13 Stunden
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