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Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur — 3.1907

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Erstes Heft (Januar 1907)
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Meier, Paul J.: [Rezension von: Heinrich Bergner, Handbuch der bürgerlichen Kunstaltartümer in Deutschland]
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https://doi.org/10.11588/diglit.49882#0029

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MONATSHEFTE

DER KUNSTWISSENSCHAFTLICHEN LITERATUR

unter Mitwirkung vieler Kunstgelehrten herausgegeben von
Dr. Ernst Jaffd und Dr. Curt Sachs.

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Erstes lieft. □ Januar 1907.

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Deutsche Kunst.
Heinrich Bergner, Handbuch der bürgerlichen
Kunstaltertümer in Deutschland. 2 Bde. Leip-
zig, E. A. Seemann, 1906. Gross 8°. Geb. 20 M.
Es ist erstaunlich, dass der rührige Verfasser,
bekanntlich ein thüringischer Landgeistlicher, der
neben seinem Amt schon Zeit fand, die Bau- und
Kunstdenkmäler der Stadt und des Kreises Naum-
burg a. S. (1903, bzw. 1906) zu bearbeiten und als
Ersatz für das bekannte, aber auf das Mittelalter
beschränkte Buch Heinrich Ottes das um-
fassendere Handbuch der kirchlichen Kunstalter-
tümer in Deutschland (1905) herauszugeben, un-
mittelbar nachher das vorliegende stattliche
Handbuch der bürgerlichen Kunstaltertümer folgen
liess und damit eine sehr empfindliche Lücke in
der kunstgeschichtlichen und archäologischen
Literatur schloss. Der erste Band des neuen
Werkes behandelt den frühgermanischen Wohn-
bau, das Kloster, die Pfalzen und Königshöfe, die
Burg, die Festung, das Bauernhaus, die Stadt, das
Bürgerhaus, das Schloss, die öffentlichen Gebäude,
der zweite Band äusser öffentlichen Schmuckan-
lagen die innere Ausstattung der Wohnbauten und
die hierfür verwendeten Techniken, dann Tracht,
Schmuck, Waffen, Inschriften und schliesslich den
weltlichen Bilderkreis. Der Titel des Buches deckt
sich nicht ganz mit dem Inhalt und er drückt auch
nicht den Gegensatz gegen die kirchlichen Alter-
tümer scharf genug aus; aber die Bezeichnung
„weltliche Altertümer“, die diesem letzten Be-
dürfnis entsprochen hätte, umfasste wieder nicht
die Klosterbauten, die der Verfasser in dem
früheren Handbuch nur kurz behandelt hatte,
denen er aber jetzt in ihrer Eigenschaft als Wohn-
altertümern voll gerecht werden wollte. Es liess
sich auch nicht vermeiden, dass die Abschnitte
über die verschiedenen Techniken, die übrigens bei
aller ihrer Kürze vortrefflich ausgefallen sind,
in dem neuen Handbuch mit geringen Ab-
weichungen nach dem älteren wiederholt wurden.
Was das Buch auf das Vorteilhafteste auszeichnet,
ist nicht sowohl der Umstand, dass der Verfasser

eine so reiche Literatur aufführt, als der, dass er
sie in seltenem Masse beherrscht. Gleichviel, ob es
sich um den ältesten Wohnungstypus oder um die
verwickelte Rolandsfrage, um Burgbauten oder um
das Bauernhaus handelt, überall sehen wir, dass er
auch die neusten Erscheinungen berücksichtigt, den
gegenwärtigen Stand der Forschung mit ihren
Ergebnissen und Versäumnissen stets genau be-
stimmt, sich mit den Problemen vollkommen ver-
traut gemacht und mit selbständigem, wohl-
begründetem Urteil zu allen Fragen entschieden
Stellung genommen hat. Dabei bringen manche
Abschnitte zum erstenmal das betreffende Material
zusammen; so können die über den weltlichen
Bilderkreis und über das Bürgerhaus ganz be-
sonders willkommen geheissen werden. In bezug
auf diesen letzten Abschnitt bedaure ich nur,
dass sich der Verfasser das bahnbrechende Buch
von Rietschel: „Markt und Stadt“ für diese Frage
nicht ganz zu nutzen gemacht hat. Wenn in den
reingermanischen Gebieten die Städte im 10. und
11. Jahrhundert ihren Anfang in den Marktnieder-
lassungen von Kaufleuten genommen haben, die
wohl eine Almende, aber kein Ackerland zu-
gewiesen erhielten, so muss hier für das Haus von
vornherein ein neuer, auf die besonderen Bedürf-
nisse vonHandelund Gewerbe zugeschnittener Typus
zur Anwendung gelangt sein, der sich vermutlich
in den ehemals römischen Städten mit ihrem
niemals ganz unterbrochenen Handel allmählich
gebildet, aber mit dem landschaftlich wechselnden
Bauernhaus nichts zu tun hatte. Erst seit dem
12. und namentlich 13. Jahrhundert beginnt das
Hereinfluten auch der ländlichen Bevölkerung in
die Marktniederlassungen, die sich auch jetzt erst
zu wirklichen Städten auswachsen und festungs-
artig geschützt werden. Auch für die Abschnitte
über die Stadt und die Stadtbefestigung wäre eine
grössere Vertrautheit mit Rietschels Buch nicht
ohne Nutzen gewesen. — Die Darstellung ist kurz,
aber für ihren Zweck vollkommen erschöpfend,
zudem flüssig, ohne irgendwie in Oberflächlichkeit
zu verfallen, und ausgezeichnet durch eine Fülle
treffender ästhetischer Urteile. Da auch die ganze
 
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